Fünf Fragen und Antworten zum Betreuungsgeld

Umstrittener Beschluss

Veröffentlicht am 10.11.2012 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
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Hannover/Bonn ‐ Der Bundestag hat am Freitag das umstrittene Betreuungsgeld beschlossen. Die SPD will die familienpolitische Leistung vor dem Bundesverfassungsgericht zu Fall bringen oder bei einer Regierungsübernahme wieder abschaffen.

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Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch bezeichnete es als Fortschritt, dass mit dem Betreuungsgeld die Wahlfreiheit der Eltern gestärkt werde, zwischen unterschiedlichen Betreuungsmodellen auswählen zu können. "Ich weiß allerdings auch, dass die Gefahr besteht, dass Eltern, bei denen es vielleicht besser wäre, wenn ihr Kind in einer Tagesstätte betreut würde, dies Möglichkeit ausnützen könnten, um das Betreuungsgeld zu erhalten. Aber dieses Risiko muss man eingehen, wenn man die Wahlfreiheit will." Er bedauerte, dass es über das Betreuungsgeld "quasi zu einer Art Glaubenskampf gekommen ist".

Zu den bundesweit rund 220.000 fehlenden Kitaplätzen sagte Zollitsch: "Da könnte das Betreuungsgeld den Städten sogar eine kleine Entlastung bringen, auch wenn sie letztlich zu gering ist."

Doch was bedeutet das "Betreuungsgeld" für Familien? Ein Überblick über Konzept und Umsetzung des Betreuungsgeldes:

Wie kam es zu der Leistung?

Im Zuge der Pläne für den Ausbau der Krippenbetreuung rang der damalige CSU-Chef Edmund Stoiber der Ex-Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) vor fünf Jahren die Zustimmung für ein Betreuungsgeld ab. Es sollte danach die Erziehungsleistung der Eltern honorieren, die ihre unter dreijährigen Kinder zu Hause betreuen, und ein Signal für die Wahlfreiheit der Familien sein. Im Februar 2009 einigte sich die große Koalition von SPD und Union darauf, eine gesetzliche Zahlung von 2013 an in Aussicht zu stellen.

Nach der Bundestagswahl im September 2009 schrieb die schwarz-gelbe Regierung das Betreuungsgeld im Koalitionsvertrag fest. Dort ist jedoch auch ein allgemeiner Finanzierungsvorbehalt enthalten.

Ab wann soll das Betreuungsgeld gezahlt werden?

Nach dem ursprünglichen Gesetzentwurf sollte das Betreuungsgeld zum 1. Januar 2013 kommen. Die Koalition einigte sich jetzt auf den 1. August des kommenden Jahres. Dann erhalten bis Ende Juli 2014 alle Familien, die keinen Gebrauch von einer öffentlichen Einrichtung machen, für ihre ein- und zweijährigen Kinder 100 Euro monatlich. Danach sollen es 150 Euro monatlich sein.

Wer soll die Hilfe erhalten?

Eltern von Kindern im zweiten Lebensjahr, die keinen staatlich geförderten Kita-Platz in Anspruch nehmen, können laut Entwurf die Leistung beantragen. Dies gilt auch für Eltern, die ihr Kind privat betreuen lassen, während sie arbeiten. Bei Hartz-IV-Empfängern wird das Geld auf die Transferleistung angerechnet; sie kommen damit nicht in den Genuss der Leistung. Es wird höchstens 24 Monate gezahlt.

Wie viel Geld plant die Bundesregierung dafür ein?

Die Bundesregierung rechnet ab 2014 mit Kosten von rund 1,2 Milliarden Euro. Die Opposition nennt Kosten von rund zwei Milliarden Euro, die auch aufgrund eines höheren Bürokratieaufwands entstünden.

Wer befürwortet die Leistung, wer ist dagegen?

Uneingeschränkt für das Betreuungsgeld sind die CSU und ein Großteil der CDU. Die FDP steht der Hilfe kritisch gegenüber, einigte sich aber am vergangenen Sonntag mit der Union. Sie setzte durch, dass das Geld auch für eine private Altersvorsorge oder für "Bildungssparen" eingesetzt werden kann und Eltern dafür einen zusätzlichen Bonus von 15 Euro erhalten. Diese Zusätze sind in einem separaten Ergänzungsgesetz zusammengefasst, das am Freitag in Erster Lesung im Bundestag behandelt wurde.

Für die Opposition ist die Leistung nicht tragbar. Ihre Begründung: Sie schaffe Fehlanreize und könne dazu beitragen, dass vor allem Eltern aus bildungsfernen Schichten ihre Kinder nicht in die Kita schicken und viele Kinder von Migranten so um die Möglichkeit gebracht würden, Deutsch zu lernen. Das Geld für die staatliche Unterstützung solle besser in den Kita-Ausbau investiert werden, so die Gegner.

Die Wirtschaft ist gegen das Betreuungsgeld. Nicht zuletzt befürchten Vertreter, dass Frauen bei dem drohenden Fachkräftemangel in traditionelle Rollenmuster zurückfallen und ihre Erwerbstätigkeit zu lange unterbrechen. Die Kirchen haben sich unterschiedlich positioniert. Während die evangelische Kirche das Betreuungsgeld ablehnt, plädieren die katholischen Bischöfe sowie katholische Verbände für die Auszahlung der Leistung.

Der Caritasverband sieht die finanzielle Unterstützung eher kritisch. "Ein Betreuungsgeld, das nur bezahlt wird, wenn auf öffentliche Kinderbetreuung verzichtet wird, ist ungerecht und unterstützt die Wahlfreiheit von Eltern nicht", so Caritas-Präsident Peter Neher. Wie der Familienbund der Katholiken fordert die Caritas eine Anschlussleistung an das Elterngeld. Der Sockelbetrag des Elterngeldes in Höhe von derzeit 300 Euro solle für alle bis zum Ende der gesetzlichen Elternzeit gezahlt werden, so die beiden Verbände.