Zu arm um zu demonstrieren

Wo bleibt der afrikanische Frühling?

Veröffentlicht am 17.02.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Drei Afrikaner sitzen vor einer Mauer mit Schriftzügen.
Bild: © KNA
Afrika

Kapstadt ‐ Zwei Jahre ist der "Arabische Frühling" nun alt. Die Proteste fegten damals unter anderem die Regimes in Tunesien, Ägypten und Libyen hinweg. Auch in Algerien und Marokko kam es zu Unruhen. Doch südlich der Sahara blieb es merkwürdig still in Afrika. Warum nur? An Problemen mangelte und mangelt es jedenfalls nicht. Immerhin: Im Sudan gingen Stundenten auf die Straße, um den autoritären Präsidenten Omar al-Baschir in die Knie zu zwingen. Und im äthiopischen Addis Abeba, sagt Arne Schildberg von dem dortigen Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), beobachtete die Regierung "nervös die zahlreichen Proteste in der Hauptstadt".

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Aufstände gab es zuletzt auch in der Elfenbeinküste, Malawi, Gabun, Swasiland, Nigeria, Senegal oder Mosambik. Auch in Südafrika, immer noch der Vorzeigestaat in Subsahara-Afrika, brodelt es bei einer Arbeitslosenquote von 24 Prozent, einer voraussichtlichen Verdoppelung des Strompreises innerhalb der kommenden fünf Jahre und einem kränkelnden Bildungssektor. Vizepräsident Kgalema Motlanthe warnte unlängst, dass die wachsende Ungleichheit die "Zutat für eine Revolution" sei.

Einen Regimewechsel wie beim "Arabischen Frühling" war bislang allerdings nirgends zu verzeichnen. Der ugandische Politologe Elly Twine meint, die Menschen seien schlicht zu arm zum Demonstrieren. "Selbst für die Bewohner der Hauptstädte ist es schwer, auf die Straße zu gehen, wenn zu Hause kein Essen auf den Tisch kommt." Die Opposition in dem ostafrikanischen Staat rief 2011 zu einem einwöchigen Streik für einen höheren Mindestlohn auf. Nach zwei Tagen seien die Leute aber wieder zur Arbeit erschienen.

Es scheitert schon am Internetzugang

Eine Mobilisierung über Facebook wie in der arabischen Welt scheitert in den meisten Gegenden Afrikas bereits am Internetzugang. Haben in Ägypten und Tunesien 36 beziehungsweise 39 Prozent der Bevölkerung Anschluss an das Internet, sind es in Simbabwe gerade mal 16, in Malawi vier und in Äthiopien ein Prozent. Und selbst wenn man unterstellt, dass in den Städten die Informationen fließen, hält FES-Mitarbeiter Schildberg für sein Berichtsgebiet fest: "85 Prozent der Äthiopier leben auf dem Land und haben meist ein niedriges Bildungsniveau."

Hinzu kommt: Die Opposition ist oft zu schwach organisiert im Vergleich zum Sicherheitsapparat. In Guinea-Bissau und Mali stürzte das Militär im vergangenen Jahr die Präsidenten; im Sudan und in Simbabwe hält es eisern zu den Diktatoren - in beiden Fällen zum Unmut der Bevölkerung. Einen einheitlichen Auftritt der Regimekritiker erschweren überdies die multiethnischen Gesellschaften in vielen Staaten der Region.

"Afrikanischer Frühling" ade? Stefan Reith, der für die Konrad Adenauer-Stiftung (KAS) in Tansania tätig ist, wiegt den Kopf. Hier stellen die unter 25-Jährigen den Großteil der Bevölkerung. Die jungen Leute geben sich kritisch gegenüber der herrschenden Staatspartei, die sich immer noch als Wegbereiterin der staatlichen Unabhängigkeit feiert. Und sie hätten, so Reith, zumindest technisch die Möglichkeit über soziale Netzwerke und SMS für ihre Belange mobil zu machen.

Die Rolle der Mittelschicht

Entscheidend für die weitere Entwicklung dürfte auch die Mittelschicht auf dem Kontinent werden. Die wird sich nach Einschätzung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD bis 2020 verdoppeln, bis 2030 mehr als verdreifachen. Dann wäre sie genauso groß wie vor zwei Jahren im arabischen Raum und könnte - entsprechenden Unmut vorausgesetzt - Despoten und Kleptokraten das Leben schwer machen.

Thomas Wheeler vom Südafrikanischen Institut für Außenpolitik vermutet gar eine Wende in naher Zukunft. "Die Entdeckung von Öl- und Gasvorkommen in vielen Ländern Afrikas hält für die Wirtschaft und die Mittelschicht einen Aufschwung bereit." Fehlende Internetanschlüsse machten Mobilfunkanbieter wett. So wie in Uganda, wo Nachrichten per Knopfdruck auf dem Display erscheinen, oder in Kenia, wo Bankgeschäfte per SMS erledigt werden. Wheeler: "Ich denke nicht, dass sich Afrikas Führer ihrer Sache allzu sicher sein sollten."

Von Markus Schönherr (KNA)