Bundesverfassungsgericht entscheidet über Rechte Homosexueller

Sukzessive Gleichstellung

Veröffentlicht am 19.02.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Justiz

Berlin/Karlsruhe ‐ In Frankreich hat die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften eine monatelange leidenschaftliche Debatte entfacht, mitsamt Großdemonstrationen. In Deutschland geht die endgültige Gleichstellung geräuschloser vor sich: nämlich per Gerichtsentscheid.

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Am Dienstag dürfte das Bundesverfassungsgericht wohl einen weiteren Schritt zur Gleichstellung vollziehen und das Verbot der Sukzessivadoption aufheben. Dann könnten fremd-adoptierte Kinder des einen Lebenspartners auch vom anderen rechtlich angenommen werden. Tatsächlich gibt es unter den Parteien kaum noch Widerstand gegen eine weitgehende Gleichbehandlung.

Neben Rot-Grün, die mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz das rechtliche Fundament legten, sind die Linken und auch die FDP dafür. Nur in der Union hält eine Mehrheit am rechtlichen Abstand zwischen gleich- und verschiedengeschlechtlichen Paaren fest. Der CDU-Bundesparteitag lehnte einen Antrag auf Gleichstellung im Steuerrecht mehrheitlich ab. Aber schon die Initiative zeigt, dass sich gerade unter jüngeren Delegierten ein Wertewandel vollzieht. Im Sommer mahnten 13 CDU-Abgeordnete, dass sich die Politik nicht von Gerichtsentscheidungen vor sich hertreiben lassen sollte.

Grundsatz für weitere Urteile

Seit 1. August 2001 können homosexuelle Paare laut "Lebenspartnerschaftsgesetz" ihrer Verbindung einen rechtlichen Rahmen geben. Ein Vorstoß unionsgeführter Länder gegen das "Lebenspartnerschaftsgesetz" scheiterte 2002 in Karlsruhe. Das Gericht erklärte mit fünf zu drei Stimmen das Gesetz für verfassungskonform: "Der Ehe drohen keine Einbußen durch ein Institut, das sich an Personen wendet, die miteinander keine Ehe eingehen können".

Auf dieser Begründung fußen alle weiteren Urteile. Der besondere grundrechtliche Schutz der Ehe hindere den Gesetzgeber nicht, für die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft Rechte und Pflichten vorzusehen, die denen der Ehe gleich oder nahe kommen.

Mit der Zweiten Novelle baute Rot-Grün die rechtliche Gleichstellung etwa im Unterhaltsrecht aus. Aber auch Union und FDP folgten dieser Linie etwa bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Gegner einer völligen Gleichstellung argumentieren mit der Abstandspflicht zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft. Das Bundesfinanzministerium beruft sich weiterhin auf diesen "Differenzierungsgrund" im Dienst- und Steuerrecht - auch gegen die Ländermehrheit, die eine Gleichstellung im Haushaltsgesetz verankern wollte.

Zwei Fälle stehen zur Entscheidung

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts stellte schließlich im August fest, dass Beamte, Richter und Soldaten in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft im Besoldungs- und Versorgungsrecht mit Ehegatten gleichzustellen sind. Eine analoge Entscheidung ist noch dieses Jahr beim Ehegattensplitting möglich.

In Karlsruhe geht es jetzt darum, dass bislang ein Lebenspartner nur das leibliche Kind des anderen adoptieren kann - etwa, wenn das Kind einer früheren heterosexuellen Beziehung entstammt oder nach einer Samenspende zur Welt kam.

Zwei Fälle stehen zur Entscheidung, bei denen einmal ein Mann und einmal eine Frau vor dem Eingehen einer Lebenspartnerschaft jeweils ein nichtleibliches Kind angenommen hatten und nun der jeweilige Partner das Kind ebenfalls adoptieren wollte. Bei der Verhandlung waren fast alle Experten der Auffassung, dass eine Sukzessivadoption den Interessen des Kindes nicht widerspreche. Im Falle des Todes eines Partners könnte das Kind weiter beim anderen Partner leben. Vorteile durch eine Adoption gebe es zudem etwa im Erbrecht und im Unterhaltsrecht.

Ob die Richter die Entscheidung zur Sukzessivadoption nutzen, um mehr zu sagen als das, worüber sie urteilen müssen, ist zweifelhaft. Und die grundsätzliche Möglichkeit einer gemeinschaftlichen Adoption fremder Kinder durch homosexuelle Paare steht eben nicht zur Entscheidung. Sie ist aber eine wesentliche Forderung homosexueller Interessengruppen. Zugleich ist die Gleichstellung gerade an diesem Punkt selbst bei moderaten Befürwortern umstritten.

Von Christoph Scholz (KNA)