Vertuschung von Missbrauch nach Gesetzesänderung strafbar

Staatsanwaltschaft muss Ermittlungen gegen Bischof wieder aufnehmen

Veröffentlicht am 14.09.2022 um 12:14 Uhr – Lesedauer: 

Kalisz ‐ Seit 2017 gilt in Polen eine Anzeigepflicht in Missbrauchsfällen. Das Oberste Gericht hat nun entschieden, dass die Pflicht auch gilt, wenn man vor 2017 von Missbrauch Kenntnis hatte – das bringt Konsequenzen für einen Bischof mit sich.

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Die polnische Staatsanwaltschaft muss die Ermittlungen wegen des Verdachts auf Vertuschung sexuellen Missbrauchs gegen den emeritierten Bischof von Kalisz, Stanislaw Napierała, wieder aufnehmen. Wie die polnische katholische Nachrichtenagentur KAI am Dienstag berichtete, hat das zuständige Bezirksgericht am Montag eine entsprechende Anordnung erlassen. Zunächst hatte die Staatsanwaltschaft nicht ermittelt, da eine rechtliche Verpflichtung zur Information von Strafverfolgungsbehörden über Kenntnisse zu sexuellem Missbrauch in Polen erst seit 2017 gilt, der Bischof von den Vorwürfen des mittlerweile aus dem Klerikerstand entlassenen Priesters Arkadiusz H. aber bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes erfahren hatte.

Das Bezirksgericht in Kalisz hatte auf eine Beschwerde gegen die Einstellung der staatlichen Missbrauchskommission hin die Frage nach der Auslegung des Gesetzes von 2017 dem Obersten Gericht vorgelegt. Das Oberste Gericht entschied daraufhin, dass es auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme nicht ankommt. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes Mitte Juli 2017 sei die Pflicht auch für zuvor bekannte Fälle in Kraft getreten, so das Gericht. Zuwiderhandlungen werden mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe geahndet.

Vatikan erließ bereits Disziplinarmaßnahmen

Dem heute 85-jährigen Napierała wird vorgeworfen, zwischen 1994 und 2000 von den Taten von Arkadiusz H. Kenntnis gehabt zu haben. H. wurde 2021 aufgrund sexuellen Missbrauchs von Ministranten zu drei Jahren Haft verurteilt, 2022 wurde er strafweise aus dem Klerikerstand entlassen. Bekannt wurde der Fall durch den 2019 veröffentlichten Dokumentarfilm "Nur sag es niemandem" des Regisseurs Tomasz Sekielski. Der Film hatte in Polen eine gesellschaftliche Debatte über kirchlichen Missbrauch ausgelöst. Der Missbrauchsbeauftragte der Polnischen Bischofskonferenz kündigte im Zuge dessen an, die im Film benannten Fälle durch den Vatikan prüfen zu lassen. Neben Napierała wurde durch die Dokumentation auch dessen Nachfolger, Bischof Edward Janiak, belastet.

Im vergangenen Jahr hatte der Heilige Stuhl Disziplinarmaßnahmen gegen zwei emeritierte polnische Bischöfe verhängt, darunter Napierała. Bei Napierała sei in einem der beiden Fälle "unbeabsichtigte Vernachlässigung" festgestellt worden. Der bis 2012 amtierende Bischof von Kalisz muss jeglichen öffentlichen Messen und Veranstaltungen fernbleiben, außerdem wurde er verpflichtet, einen "angemessenen" Geldbetrag für Präventionsmaßnahmen gegen sexuelle Gewalt gegen Minderjährige zu zahlen. Zuvor waren bereits Sanktionen gegen Janiak erlassen worden. (fxn)