Bundestag stimmt über Gesetz zur vertraulichen Geburt ab

Im versiegelten Umschlag

Veröffentlicht am 06.06.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Bundestag

Berlin ‐ Rund 100 "anonyme Geburten" gibt es laut Statistik jährlich bundesweit. Zwei Drittel finden in Krankenhäusern statt. Bei einem Drittel der Geburten werden die Kinder in sogenannte Babyklappen gelegt. Beide Angebote sind umstritten und befinden sich in einer rechtlichen Grauzone. Mehrere Versuche einer gesetzlichen Regelung scheiterten. Jetzt hat die Bundesregierung einen neuen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, über den der Bundestag heute abstimmt.

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Kernpunkt des Entwurfs: Schwangere sollen ihr Kind anonym entbinden können, ihm aber zugleich ermöglichen, seine Herkunft ab dem 16. Lebensjahr einzusehen. Diese Herkunftsurkunde wird in einem nur dem Kind zugänglichen Umschlag aufbewahrt. Damit werde erstmals ein legaler Weg für Frauen geschaffen, anonym entbinden zu können, meint Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) dazu, deren Haus den Entwurf erarbeitete.

Bei den bislang nur geduldeten anonymen Geburten wurde das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft ignoriert. Unter Experten ist zudem umstritten, ob eine Babyklappe wirklich Leben rettet oder erst eine Gelegenheit schafft, um Kinder abzugeben. Auch hatte eine Studie des Deutschen Jugendinstituts fehlende Standards bei anonymen Geburten beklagt. Viele Träger meldeten die in ihren Krankenhäusern geborenen Kinder erst verspätet oder überhaupt nicht an staatliche Stellen. Besonders monierte das Institut, dass die Krankenhäuser über den Verbleib vieler Kinder keine Angaben machen konnten, sie also nicht wussten, ob die Kinder etwa wieder bei ihrer leiblichen Mutter sind oder adoptiert wurden.

Das Widerspruchsrecht der Mutter auf eine Einsicht des Kindes ist klarer geregelt

Der Deutsche Ethikrat hatte die Bundesregierung bereits vor drei Jahren aufgefordert, nach einer Lösung zu suchen. Ein erster Referentenentwurf des Familienministeriums ging dann einigen Verbänden nicht weit genug. So ist der jetzt vorliegende Text in mehreren Punkten verbindlicher. Das Widerspruchsrecht der Mutter auf eine Einsicht des Kindes ist klarer geregelt. Um ihre dauerhafte Anonymität geltend machen zu können, muss sie nachweisen, dass ihr durch die Einsicht des Kindes "eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Belange erwachsen kann".

Aufgenommen wurden zudem Nachbesserungen, die von den Ländern kamen. So übernimmt jetzt etwa der Bund die Kosten, die im Zusammenhang mit der Geburt sowie der Vor- und Nachsorge entstehen. Weil es auch noch Unstimmigkeiten bei den Fraktionen von Union und SPD gab, wurde der Termin für die Zweite und Dritte Lesung schließlich vom 16. Mai auf den 6. Juni verschoben. Um den Entwurf noch in dieser Legislaturperiode verabschieden zu können, muss spätestens am 5. Juli im Bundesrat darüber abgestimmt werden.

Arzt hält neugeborenes Baby in den Händen
Bild: ©Andres Rodriguez/Fotolia.com

Neues Leben in den Händen halten

Bei der Vorstellung des Entwurfs vor einigen Wochen betonte Schröder, durch das Gesetz solle die anonyme Geburt durch eine vertrauliche Geburt ersetzt werden. Zugleich erklärte sie jedoch, dass keine schwangere Frau dazu gezwungen werden könne, ihre Identität preiszugeben. Krankenhäuser müssten deswegen auch weiterhin, Frauen, die "mit Wehen zu ihnen kommen", eine anonyme Geburt ermöglichen. Der Entwurf bedeutet vorerst auch nicht das Aus für die derzeit rund 100 Babyklappen. Sie werden weiter geduldet. Es würden allerdings bestimmte Standards für sie entwickelt, zudem sollten sie überprüft und bewertet werden.

Anonyme Geburt: Schwere Persönlichkeitsstörungen könnten die Folge sein

Schröder betonte, dass das Recht auf Wissen um die eigene Herkunft "schwer wiegt". Dies bestätigen Experten regelmäßig. So leiden viele der anonym geborenen Kinder ein Leben lang darunter, dass ihre Eltern nicht bekannt sind. Eine Folge können etwa schwere Persönlichkeitsstörungen sein.

Das Gesetz soll erst im Mai des kommenden Jahres in Kraft treten. Der Zeitraum sei erforderlich, um die Qualifizierung von Beratungsfachkräften und die elektronische Umstellung beim Geburtenregister zu ermöglichen, heißt es. Zudem soll ein bundesweiter Notruf für Frauen in Notsituationen eingerichtet werden. Betroffene können dann rund um die Uhr erfahren, an welche Beratungsstelle sie sich wenden können.

Von Birgit Wilke (KNA)