Neun evangelische und fünf katholische Minister in der Bundesregierung

Kabinett ohne Konfessionslose

Veröffentlicht am 16.12.2013 um 00:00 Uhr – Von Agathe Lukassek – Lesedauer: 
Politik

Bonn ‐ Zum ersten Mal seit vielen Jahren werden dem neuen Bundeskabinett keine konfessionslosen Minister angehören. Alle Mitglieder geben öffentlich ihre Religion an – und mehrere sind in ihrer jeweiligen Konfession besonders engagiert. Katholisch.de stellt das Kabinett unter christlichen Aspekten vor.

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Die drei besonders engagierten künftigen Minister evangelischen Glaubens heißen Gröhe, de Maiziere und Steinmeier: Der künftige Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), der bis 2009 im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland saß, ist derzeit Mitglied der EKD-Synode. Sein Parteikollege, der bisherige Verteidigungs- und künftige Innenminister Thomas de Maiziere, ist seit 2003 Mitglied im Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentags. Frank-Walter Steinmeier (SPD), bekennendes Mitglied der evangelisch-reformierten Kirche , soll 2019 gar der Präsident des Kirchentags werden.

Evangelisch sind auch die künftige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und der bisherige SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel, der Vizekanzler und Minister für Wirtschaft und Energie werden wird. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) outet sich im politischen Berlin immer wieder als bekennender Lutheraner. Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) war einst Landesvorsitzende des Evangelischen Arbeitskreises ihrer Partei in Berlin und Brandenburg. Ungewöhnlich: Der neue Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich (CSU) gehört als Protestant aus Franken einer katholischen Studentenverbindung an.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU).
Bild: ©KNA

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU).

Erwachsenentaufe für Schwesig

Für Aufsehen sorgte die künftige Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) vor drei Jahren, als sich die konfessionslos aufgewachsene Politikerin taufen lies und in die evangelische Kirche eintrat. Sie schätze die christlichen Werte Nächstenliebe, Solidarität und Gerechtigkeit, erklärte sie dazu. Zudem sei es gut zu wissen, "dass es da jemanden gibt, der schützend seine Hände über uns hält". Schon in den Koalitionsverhandlungen stritt sie für "ihre" Familienthemen: Für ein flexibles Elterngeld, eine feste Quote für Frauen in Führungspositionen und dafür, dass Frauen und Männer bei gleichem Lohn das gleiche Gehalt erhalten sollen. Worüber sie wohl nicht glücklich sein wird: Das Betreuungsgeld wird nicht wieder abgeschafft und auch das von der SPD geforderte Adoptionsrecht für eingetragene Lebenspartnerschaften wird es vorerst nicht geben.

Bei den fünf Katholiken im neuen Kabinett stellt nicht die CSU die Mehrheit, sondern die SPD – zwei der gläubigen Sozialdemokraten sind gar ehemalige Messdiener. Deren wohl bekannteste engagierte Katholikin ist die künftige Arbeitsministerin Andrea Nahles: Der Glaube bringe ihr "so etwas wie Gewissheit, Erdung, Mut, das Leben anzugehen", so die Politikerin aus der Eifel, die als Kind am Altar diente. Nahles sprach sich wiederholt gegen eine strikte Trennung von Staat und Kirche und für einen politikfreien Sonntag aus. Ein kooperatives Verhältnis ermögliche "auch kritische Rückfragen an Lehre und Struktur von Religionsgemeinschaften", so die Politikerin. In der öffentlichen Debatte seien Kirchen unverzichtbare Mahner für Gerechtigkeit. Vor vier Jahren erschien ihr Buch "Frau, gläubig, links".

Der künftige Justizminister Heiko Maas (SPD) war als kleiner Junge ebenfalls Ministrant in seiner saarländischen Heimatpfarrei. Katholisch ist auch die bisherige SPD-Bundesschatzmeisterin und künftige Umweltministerin Barbara Hendricks, die auch dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) angehört und die Stiftung des Katholischen Deutschen Frauenbundes beaufsichtigt. Aus Bayern kommen daneben zwei weitere Katholiken in das Kabinett: Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU).

Konservativer Sprücheklopfer und Diakoninnen-Sympathisantin

Andrea Nahles, SPD, Politikerin, Generalsekretärin, Katholikin
Bild: ©KNA

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles.

Der CSU-Generalsekretär Dobrindt vertrat bislang wie kaum ein zweiter in der Riege der Unions-Parteiprominenz konservative Thesen. Dabei rieb er sich mitunter derart am Mainstream, dass sich selbst Parteifreunde Sorgen machten. So wetterte Dobrindt, Homosexuelle seien eine "schrille Minderheit" . Leidenschaftlich verteidigte er dagegen das Betreuungsgeld und das klassische Familienmodell. Diskussionen um eine Entfernung von Kreuzen in Klassenzimmern tat er als Unsinn ab. Im eher säkular geprägten Berlin wird seine selbstverständliche Rede von christlicher Prägung und kirchlichen Milieus für Aufmerksamkeit - und auch Widerspruch - sorgen. Der verheiratete Vater eines Sohnes ist anders als viele in der CSU kein Jurist, sondern Soziologe. Das mag ein Hinweis darauf sein, dass seine konservative Seite nicht den "ganzen" Dobrindt widerspiegelt.

Auch unterhalb der Ministerriege finden sich engagierte Katholiken im künftigen Kabinett: Die beiden CDU-Politikerinnen Maria Böhmer und Monika Grütters sind Mitglieder im ZdK. Böhmer, bislang Integrationsbeauftragte, wird Staatsministerin im Auswärtigen Amt. Grütters (51), die künftige Kulturstaatsministerin, sprach sich wiederholt für das Diakonat der Frau aus und plädierte für eine Aufwertung des Religionsunterrichts in Berlin. Als Vorsitzende des Kulturausschusses unterstützte sie die Beteiligung des Bundestags am Reformationsgedenken. Zudem gehört sie der Fachjury an, die über eine Neugestaltung der Berliner St.-Hedwigs-Kathedrale mitentscheidet.

Drei Mitglieder des Katholischen Deutschen Frauenbunds (KDFB) übernehmen die Funktion der Parlamentarischen Staatssekretärin für die kommende Legislaturperiode: Präsidentin Maria Flachsbarth wird künftig im Landwirtschaftsministerium arbeiten, Ingrid Fischbach, ehemalige KDFB-Präsidentin, arbeitet zukünftig im Gesundheitsministerium und Dorothee Bär aus dem Diözesanverband Würzburg im Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. Die wohl größte religiöse Besonderheit ist die Integrationsstaatsministerin Aydan Özoguz (SPD). Mit ihr gehört im Jahr 2013 erstmals eine Muslima der Bundesregierung an. Eine Art konfessionelle Bandbreite gibt es auch in ihrer Familie: Während zwei Brüder das islamistische Internetportal "Muslim-Markt" betreiben (Özoguz: "In meiner Familie sind auch meine Brüder eine Ausnahme"), bilden ihre Cousins die türkische Punkrock-Band "Athena". (mit Material von KNA)

Christentum im Bundestag

Bundestagsabgeordnete feiern am 22. Oktober 2013 einen ökumenischen Gottesdienst zum Beginn der Legislaturperiode.
Von Agathe Lukassek