Amtsverzicht in Bergisch Gladbach als Auslöser der Debatte

Lüdecke warnt Bischöfe vor Druck auf Pfarrer zum Rücktritt

Veröffentlicht am 20.01.2023 um 13:46 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Einfach so entlassen oder versetzen kann man Pfarrer nicht. Versucht ein Bischof, die Regeln mit Verweis auf das priesterliche Gehorsamsversprechen zu umgehen, können Priester sich an den Vatikan wenden, sagt der Bonner Kanonist Norbert Lüdecke.

  • Teilen:

Der emeritierte Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke warnt Bischöfe davor, Pfarrer mit Verweis auf ihr Weiheversprechen zum Rücktritt zu drängen. Auf Anfrage von katholisch.de sagte Lüdecke, dass die Einforderung des bei der Weihe versprochenen Gehorsams zur Umgehung des kanonischen Verfahrens zur Versetzung von Pfarrern unter Umständen sogar dazu führen könnte, dass der Rücktritt ungültig ist. "Den Pfarrer mit Berufung auf den Klerikergehorsam zum Amtsverzicht zu nötigen, ist nicht rechtens", betonte Lüdecke.

Mit Blick auf die vom Kirchenrecht vorgesehene Stabilität des Pfarrers im Amt gebe es klare Verfahrensbindungen für die Amtsenthebung und Versetzung von Pfarrern, so der Kirchenrechtler weiter. Zwar könne sich am Ende der Bischof immer durchsetzen. "Aber er muss sich an die Regeln halten." Ein unter der schweren Furcht vor einer möglichen Bestrafung wegen Ungehorsams widerrechtlich erklärter Amtsverzicht sei nicht gültig, sofern der Pfarrer diese Furcht als Grund für den Rücktritt angegeben habe. Nach Einschätzung von Lüdecke könnten Rechtsmittel des Pfarrers bei den zuständigen Stellen im Vatikan Erfolg haben. "Die Kurienbehörden achten darauf, dass Bischöfe sich an Gesetze halten, gerade wenn es um Kleriker geht", so der Kirchenrechtler.

Hintergrund der Debatte ist die Ausweisung der fünf Gemeinden Bergisch Gladbachs zu einem Modellprojekt im Rahmen des Kölner diözesanen Strukturreformprozesses "#ZusammenFinden". Am vergangenen Wochenende wurden die Gemeinden informiert, dass die neue Pastorale Einheit Bergisch Gladbach bereits ein halbes Jahr früher zum 1. März errichtet werde, die bisherigen Pfarrer sollen abgelöst werden. Die Entscheidung hatte in den Gemeinden zu scharfen Protesten geführt. In einem Brief an die Gemeinde schrieb der Pfarrer der Gemeinde St. Johann Baptist, Winfried Kissel, dass er von Woelki zum Verzicht auf sein Amt gedrängt wurde: "Er verlangt von mir diesen Schritt unter Verweis auf das Gehorsamsversprechen, das ich ihm bei der Weihe gegeben habe. Ich gehe diesen Schritt nicht freiwillig." Gegenüber katholisch.de sagte Kissel, dass er seinen Rücktritt Anfang der Woche noch nicht eingereicht habe.

Erzbistum äußert sich nicht zu möglichem Einforderung von Gehorsam

Das Erzbistum teilte auf Anfrage mit, dass Kissel gebeten worden sei, "auf die Aufgabe des leitenden Pfarrers zu verzichten und eine neue priesterliche Aufgabe in den Blick zu nehmen". In den Gesprächen habe der Pfarrer das aufgenommen und bestätigt, "dass er trotz persönlicher Enttäuschung, weil er sich ein anderes Vorgehen vorgestellt hätte, dem Erzbischof seinen Verzicht anbieten will und so dem Gehorsamsversprechen folgt, welches er bei seiner Priesterweihe abgelegt hat". Das Erzbistum erläuterte jedoch nicht, ob Kardinal Rainer Maria Woelki den Rücktritt mit Verweis auf das Gehorsamsversprechen eingefordert hat, wie es im Brief von Kissel scheint. Laut Lüdecke steht nur in diesem Fall ein Verstoß gegen das Kirchenrecht im Raum. Kissel sagte gegenüber katholisch.de lediglich, dass die Darstellung des Erzbistums korrekt sei und äußerte sich nicht zum genauen Wortlaut der Bitte.

Pfarrer haben eine starke Stellung gegenüber dem Bischof. Sie müssen Beständigkeit im Amt besitzen. Eine Amtsenthebung ist gemäß Kirchenrecht nur nach einem festgelegten mehrstufigen Verfahren und aus Gründen möglich, die dazu führen, dass der Dienst des Pfarrers "schädlich oder wenigstens unwirksam" wird (c. 1740 CIC). Zu den im Kirchenrecht aufgezählten Gründen zählen beispielsweise Verhaltensweisen, die für die kirchliche Gemeinschaft schweren Schaden oder Verwirrung verursachen, geistige oder körperliche Einschränkungen, die den Dienst unmöglich machen, sowie Amtspflichtverletzungen und schlechte Vermögensverwaltung. Auch für die Versetzung ist zunächst nur mit der Zustimmung des jeweiligen Pfarrers möglich. Erst nach mehreren Bitten und Gelegenheit zur Stellungnahme kann der Bischof einen Pfarrer ohne dessen Zustimmung versetzen (cc. 1748ff. CIC).

Bei der Errichtung von Zusammenschlüssen von Gemeinden sieht das Kirchenrecht einen besonderen Schutz der bisherigen Pfarrer vor. 2020 hatte die Kleruskongregation in ihrer Pfarreieninstruktion "Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche" betont, dass der Diözesanbischof bei der Errichtung eines bestimmten Zusammenschlusses auf keinem Fall mit dem gleichen Dekret beschließen soll, "dass in mehreren vereinten und nur einem Pfarrer anvertrauten Pfarreien eventuell andere vorhandene Pfarrer, die noch im Amt sind, automatisch zum Pfarrvikar ernannt oder faktisch ihres Amtes enthoben werden". Im Fall eines Pfarrers, dem grenzverletzendes Verhalten vorgeworfen wird, verzichtete jüngst der Münsteraner Bischof Felix Genn auf ein Amtsenthebungsverfahren. Für eine erfolgreiche Amtsenthebung habe das Bistum keine hinreichende Aussicht auf Erfolg gesehen. Der Priester hatte zunächst einen Rücktritt abgelehnt, ihn schließlich aber doch angeboten. (fxn)