Ein Aufruf zur liebenden Wachsamkeit
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"Pass auf!", ruft die Mutter ihrem Kind nach und zieht es am Arm vom Straßenrand weg. "Träumst du schon wieder?", fragt die Lehrerin den Schüler, der gerade versucht Figuren in den Wolkenformationen zu erkennen. "Reiß dich zusammen sonst wird das nie was…", raunt sich die Studentin zu, die gerade über ihrer Abschlussarbeit brütet. "Jetzt oder nie!", denken sich beide Partner, verunsichert, vor einem möglichen nächsten Schritt in ihrer Beziehung. "Diese Chance darfst du dir nicht entgehen lassen", argumentiert der Chef für den neuen, besseren, herausfordernden Job am besten am anderen Ende der Welt. "Bevor es zu spät ist", versöhnen sich zwei alte Freunde. "Hätte ich das mal früher verstanden", seufzt die alte Frau am Küchenfenster.
"Was ich aber euch sage, das sage ich allen: Seid wachsam!", ruft uns das Evangelium dieses ersten Adventssonntages entgegen. "Das sage ich allen", weil es alle betrifft: "Seid wachsam!", um die Gefahr zu erkennen, bevor es zu spät ist, um die richtige Abbiegung im Leben zu finden, um, wie einmal eine befreundete Ordensfrau zu mir sagte, "es eben nicht zu vermasseln". Wir Menschen teilen die Furcht, etwas zu verpassen. Entscheidendes, Unwiederbringliches, Einmaliges. Das Evangelium scheint an diese Furcht zu appellieren. Ein Hausherr geht da auf Reisen und beruft zuvor einen Türhüter. Dessen Aufgabe ist, wach zu bleiben. In die Dunkelheit zu spähen, wartend, dass Entscheidendes passiert, dass der Hausherr auftaucht. Alle Sinne aktiv, jede Faser des Körpers gespannt.
Diese Art der Wachsamkeit schützt und bewahrt, sie ist nützlich – doch tatsächlich auch die von Gott gemeinte? "Furcht gibt es in der Liebe nicht, sondern die vollkommene Liebe vertreibt die Furcht", lesen wir im 1. Johannesbrief (1 Joh 4,18).
Es ist den Versuch wert, das Evangelium dieses ersten Advents noch einmal neu zu lesen. Als einen Aufruf zu einer liebenden Wachsamkeit. Einer Wachsamkeit, die sich fallen lässt in diese Welt. Da genießt der Türsteher die sternenklare Nacht. Er spürt das Gras unter den Fingern und die kühle Luft in den Lungen. Er erwartet weder die Katastrophe noch das Wunder, sondern das, was ihm vertraut ist, ihm entgegenkommt, ja, zu erwarten ist: Dass auch diese Nacht von Licht durchbrochen werden wird und dass sein Herr zurückkommt.
Dieser Türsteher nimmt wahr – nicht das, was sein könnte, sondern das, was ist. Nichts davon erschrickt ihn, nichts droht zu verschwinden, wenn er nicht schnell genug reagiert, keine Furcht zu Versagen verkrampft sein Inneres. Nur so kann etwas in ihm bewegt werden in dieser Nacht. Diese liebende Wachsamkeit, so scheint es, macht berührbar – und wirklich wach.
Evangelium nach Markus (Mk 13,33-37)
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Gebt Ach und bleibt wach!
Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist. Es ist wie mit einem Mann,
der sein Haus verließ, um auf Reisen zu gehen:
Er übertrug die Vollmacht seinen Knechten,
jedem eine bestimmte Aufgabe; dem Türhüter befahl er, wachsam zu sein.
Seid also wachsam!
Denn ihr wisst nicht, wann der Hausherr kommt, ob am Abend oder um Mitternacht,
ob beim Hahnenschrei oder erst am Morgen.
Er soll euch, wenn er plötzlich kommt, nicht schlafend antreffen.
Was ich aber euch sage, das sage ich allen:
Seid wachsam!
Die Autorin
Schwester Elisabeth Muche gehört zur Kongregation der Helferin, ist in der Geistlichen Begleitung tätig und arbeitet als Psychotherapeutin in Ausbildung in München.
Ausgelegt!
Als Vorbereitung auf die Sonntagsmesse oder als anschließender Impuls: Unser Format "Ausgelegt!" versorgt Sie mit dem jeweiligen Evangelium und Denkanstößen von ausgewählten Theologen.