Glaubensdikasterium hat Stellungnahme zu Segens-Erklärung veröffentlicht

Die Debatte um den Segen für homosexuelle Paare wird immer grotesker

Veröffentlicht am 04.01.2024 um 17:01 Uhr – Von Björn Odendahl – Lesedauer: 
Kommentar

Bonn ‐ Der Vatikan wollte noch einmal klarstellen, wie er sich die Segnung gleichgeschlechtlicher oder wiederverheirateter Paare vorstellt, ohne dabei die kirchliche Lehre anzutasten. Dabei herausgekommen ist ein Text, der die Quadratur des Kreises versucht, kommentiert Redaktionsleiter Björn Odendahl.

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Als der Vatikan Mitte Dezember mit der Erklärung "Fiducia supplicans" (Das flehende Vertrauen) die Segnung für "irreguläre" Paare – also homosexuelle und andere außereheliche Verbindungen – ermöglichte, dachten viele an ein verfrühtes Weihnachtspräsent aus Rom. Die Reaktionen von Kirchenvertretern und (medialer) Öffentlichkeit waren aber schon damals äußert ambivalent: großer Jubel über diese "Revolution", ein zurückhaltendes zur Kenntnis nehmen erster kleiner Schritte oder aber auch Enttäuschung über einen "Segen zweiter Klasse". 

Und dann gab es da noch eine weitere Gruppe, die vermutlich der Hauptadressat für eine nun veröffentlichte Erläuterung von "Fiducia supplicans" durch den obersten Glaubenshüter Víctor Manuel Fernández sind: Bischöfe und Bischofskonferenzen – vor allem auf dem afrikanischen Kontinent, aber auch in Polen oder den USA –, die nach Veröffentlichung des Dokuments mit Ablehnung reagiert haben; Vatikan-Erklärung hin oder her. Man werde keine homosexuellen Paare segnen, weil diese Verbindung sündhaft sei, und ein entsprechender Segen der Lehre der katholischen Kirche entgegenstünde, hieß es da. 

Im Vatikan stand man nun also gleich vor mehreren Herausforderungen: einerseits den Widerstand gegen ein immerhin vom Papst abgezeichnetes und approbiertes Schreiben zu überwinden; andererseits noch überzeugender zu erklären, warum ein solcher Segen für "irreguläre" Paare nicht der katholischen Lehre widerspricht. Das Anliegen klingt erst einmal positiv: diejenigen in der Kirche zum Einlenken zu bewegen, die (gelebte) Homosexualität scharf verurteilen. Was dabei herausgekommen ist, ist allerdings ein Text, der die Quadratur des Kreises versucht und dabei teilweise ins Groteske abgleitet.

Víctor Manuel Fernández
Bild: ©KNA/Cristian Gennari/Romano Siciliani

Kardinal Víctor Manuel Fernández, Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre, hat in einer aktuellen Stellungnahme erklärt, wie der Vatikan sich die Segnung von Paaren in "irregulären Situationen" vorstellt.

Etwa dann, wenn Fernández ein Beispiel gibt, wie ein solcher Segen aussehen könnte: "Stellen wir uns vor, dass inmitten einer großen Wallfahrt ein geschiedenes Ehepaar in einer neuen Verbindung zum Priester kommt: 'Bitte gib uns einen Segen, wir finden keine Arbeit, er ist sehr krank, wir haben kein Haus, das Leben wird sehr beschwerlich: Gott möge uns beistehen!'" Fernab davon, dass dieses Szenario wohl ziemlich selten eintritt, lässt einen das von Fernández angeführte Beispielgebet, das ein Priester sprechen könnte, noch ratloser zurück: "Herr, schau auf diese deine Kinder, gib ihnen Gesundheit, Arbeit, Frieden und gegenseitige Hilfe. Befreie sie von allem, was deinem Evangelium widerspricht, und gib ihnen, dass sie nach deinem Willen leben. Amen."  

Das Gebet ist nicht nur kein Segen für diese "irregulären" Verbindungen (Es werden laut Vatikan stattdessen zwei Menschen in "irregulären Situationen" gesegnet). Nein, der Satz "Befreie sie von allem, was deinem Evangelium widerspricht" klingt in diesem Zusammenhang vielmehr nach einem "Exorzismus to go", der das wiederverheiratete Paar quasi im Vorbeigehen (Der Segen soll laut Stellungnahme nur 10 bis 15 Sekunden dauern!) zur Erkenntnis bringen soll, dass ihre Liaison im Widerspruch zum göttlichen Willen steht und daher besser beendet wird. 

Mantraartig und in großer Ausführlichkeit wiederholt das Dokument zu guter Letzt, was dieser "pastorale Segen" für "irreguläre" Paare gerade nicht ist und darf. Riten und Gebete, die "Verwirrung" stiften könnten zwischen dem, was für die Ehe konstitutiv ist, sind unzulässig. Es darf kein liturgischer und ritueller Segen sein. Er darf nicht im direkten Zusammenhang mit einer standesamtlichen Feier stehen. Kleidung, Gesten und Worte, die als Ausdruck für eine Ehe gelten könnten, sind ebenfalls untersagt. Noch nicht einmal in der Nähe eines Altars darf er stattfinden. 

Ein Ziel dürfte das Glaubensdikasterium mit den jüngsten Ausführungen jedenfalls erreicht haben: Alle Bischöfe, die sich der Umsetzung von "Fiducia supplicans" bisher widersetzt haben, weil sie die kirchliche Lehre in Gefahr sahen, können beruhigt aufatmen. Denn viel Interpretationsspielraum, wer da nun wie gesegnet wird, gibt es erst einmal nicht mehr. Für alle, die sich dagegen tatsächlich einen Segen der Kirche für zwei Menschen erhofft haben, die Werte wie Treue und Liebe auch außerhalb der Ehe leben, bleibt erst einmal nur eins: flehendes Vertrauen, dass sich die Lehre der Kirche doch noch ändern kann. 

Von Björn Odendahl

Der Autor

Björn Odendahl ist Redaktionsleiter bei katholisch.de.

Hinweis

Der Kommentar spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.