Katholische Verbände kritisieren Arbeitszeit-Debatte
Katholische Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände kritisieren die momentane Diskussion um die Arbeitszeit in Deutschland. "Die KAB hält die Begründung der Aufforderung von Bundeskanzler Friedrich Merz zu mehr und vor allem zu effizienterer Arbeit für nicht stichhaltig, da sie auf einer einseitigen Interpretation von Statistiken beruht", heißt es in einer Stellungnahme der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) gegenüber katholisch.de. Auch vom Bundesvorsitzenden des Bundes Katholischer Unternehmer (BKU), Martin Nebeling, heißt es auf katholisch.de-Anfrage: "Angesichts der aktuellen Tendenzen hin zu mehr Kurzarbeit und Stellenabbau nutzt ein reines Mehr an Arbeit wirtschaftspolitisch betrachtet wenig, auch wenn der Appell selbst keineswegs in den Wind zu schlagen ist."
Im Wettkampf mit aufstrebenden Wirtschaftsmächten, etwa aus Asien, müsse die Volkswirtschaft als Ganze leistungsfähiger werden, so Nebeling weiter. "Nur ist die Diskussion aktuell die falsche: Erst müssen die Rahmenbedingungen für Unternehmen besser werden." Dabei verweist er etwa auf Bürokratieabbau, Digitalisierung, die Flexibilisierung von Arbeitszeiten, niedrigere Lohnnebenkosten, Steuerlast und Energiepreise "sowie eine Migrationspolitik, die Fachkräfteeinwanderung beschleunigt und unkontrollierte Migration stoppt". Zudem müssten Staats- und Sozialkassen stabilisiert sowie die Sozialpartnerschaft gestärkt werden – "statt staatlicher Mindestlohnerhöhungen". Er bilanziert: "Der dringende Bedarf nach einem solchen echten wirtschaftlichen Kurswechsel darf jetzt nicht von polarisierten Grundsatzdebatten übertüncht werden."
Debatte nach Regierungserklärung
In seiner Regierungserklärung Mitte Mai hatte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) gefordert: "Wir müssen in diesem Land wieder mehr und vor allem effizienter arbeiten." Damit hatte sich eine Debatte entsponnen, die bis heute anhält. Zuletzt rief etwa CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann Rentner auf, mehr zu arbeiten.
Die KAB bemängelt bei der Aussage des Bundeskanzlers unter anderem, dass er nicht zwischen Voll- und Teilzeitarbeitenden differenziert. "In Deutschland ist aufgrund spezifischer Gründe, die nicht zuletzt auf der einseitigen Vereinnahmung von Frauen durch Care- und Familienarbeit beruhen, der Anteil an weiblicher Teilzeitbeschäftigung besonders hoch." Dies liege nicht zuletzt an einer "desaströsen Anreizpolitik und der mangelhaften sozialpolitischen Unterstützung für die Rückkehr von Frauen bzw. deren Verbleib während der Familienphase in Vollzeitjobs", so die KAB. Zudem sei es "irreführend, wenn Friedrich Merz suggeriert, mehr Arbeitszeit führe automatisch zu mehr Produktivität und damit zu mehr Wachstum. Ganz im Gegenteil können kürzere Arbeitszeiten von ausgeruhten und zufriedenen Menschen durchaus das gleiche Ergebnis erbringen". Der Verband verweist darauf, dass Länder mit vielen wöchentlichen Arbeitsstunden oft eine geringere Produktivität hätten als jene mit weniger.
Wesentliche Ursachen für die schlechte Wirtschaftsleistung wie Managementfehler oder Steuerschlupflöcher blende Merz dagegen aus. Die KAB kritisiert zudem: "Die als absolutes Ziel dargestellte Steigerung der Wirtschaftsleistung soll maßgeblich durch eine am Arbeitsbedarf der Arbeitgeber orientierte Reform der Arbeitszeitgesetzgebung erreicht werden. Aus Sicht der KAB kommt es aber nicht auf ein Mehr an Arbeit, sondern vor allem auf die sozialpartnerschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für die Arbeit an." In diesem Punkt habe Deutschland Nachholbedarf. (cph)
