Das sagt Pater Dominic Sadrawetz über seinen Mitbruder im Papstamt

Augustinerprior über Papst Leo XIV.: "Ein Revoluzzer ist er nicht"

Veröffentlicht am 13.06.2025 um 00:01 Uhr – Von Madeleine Spendier – Lesedauer: 

Wien ‐ Er verstelle sich nicht, agiere unaufgeregt und lasse sich nicht aus der Ruhe bringen. So beschreibt Pater Dominic Sadrawetz seinen Mitbruder, Papst Leo XIV. Der Prior des österreichischen Augustinerklosters erinnert sich im Interview an den letzten Besuch seines früheren Ordensoberen in Wien.

  • Teilen:

Erst im vergangenen Jahr, im November 2024, war Kardinal Robert Prevost als Ordensoberer in Österreich und besuchte den einzigen Augustinerkonvent dort in Wien. Im Interview mit katholisch.de erinnert sich der 59-jährige Prior des Klosters, Pater Dominic Sadrawetz, an diesen Besuch. Er spricht darüber, wie er seinen Mitbruder heute über die Medien wahrnimmt und verrät auch, wie sein früherer Ordensoberer mit Konflikten umging. Außerdem berichtet er, welche Auswirkungen die Papstwahl auch auf sein eigenes Kloster hat.

Frage: Pater Dominic, Papst Leo XIV. ist nun einige Wochen im Amt. Wie nehmen Sie ihn in seiner neuen Aufgabe wahr?

Pater Dominic: Ich erlebe Papst Leo XIV. als authentischen Papst. Er ist, wie er ist. Er verstellt sich nicht. Auf all den Fotos, die ich von ihm in den Medien sehe, sieht er so aus, wie ich ihn schon mehrmals erlebt habe: Ein herzliches Lachen auf den Lippen, freundlich zu den Menschen. Er ist normal geblieben, würde ich sagen, denn er hat eine gute Art, auf Menschen zuzugehen und ihnen zuzuhören. Er redet nicht so viel, oder besser gesagt, er lässt sich Zeit damit, etwas zu sagen. Aber wenn er etwas sagt, dann ist es etwas Inhaltsvolles. Und er lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Er ist ein unaufgeregter Gesprächspartner. 

Frage: Haben Sie ihn früher als schüchtern erlebt?

Pater Dominic: Schüchtern ist er nicht, eher zurückhaltend. Papst Leo XIV. kann auf jeden Fall herzhaft lachen und hat ein frohes Naturell. Er hat unseren Konvent erst im November im letzten Jahr besucht. Wir erlebten ihn als wohlwollend uns gegenüber, er hat sich viel Zeit genommen und uns zugehört. Und danach waren wir zusammen Steak essen. Wir haben ihm damals sogar eine weiße Mitra geschenkt, die er nun als Papst trägt, zuletzt beim Pfingstgottesdienst. Das freut uns schon. Manchmal staune ich darüber, wie er seine Termine als Papst meistert. Er ist ständig irgendwohin unterwegs. Schließlich ist er 69 Jahre alt, andere sind da schon längst in Rente.

Frage: Ist für Sie Papst Leo XIV. jemand, der Konflikte scheut oder offen angeht?

Pater Dominic: So wie ich ihn bislang erlebt habe, ist er jemand, der Konflikte aushalten kann und angeht. Vor allem ist er jemand, der immer versucht, gemeinsam mit anderen Lösungen zu finden – auf Augenhöhe. Das ist etwas, wovon ich denke, dass ihm das als Papst zugutekommt, etwas, das Früchte tragen wird in seinem Pontifikat. Das, was ich bislang aus den Medien über ihn mitbekommen habe, beeindruckt mich. Etwa seine Empfehlung an Journalisten, Nein zu sagen zum Krieg der Worte und Bilder und seine Wertschätzung von Ehe und Familie. Da ist er missionarisch unterwegs. Er interessiert sich für das, was gerade dran ist und versucht, Lösungen zu finden. Vielleicht auf eine andere Weise, als wir es gewohnt sind. Daher bin ich überzeugt, dass er seinen Dienst gut machen wird. 

Frage: Denken Sie, dass Papst Leo XIV. ein Revoluzzer ist?

Pater Dominic: Nein, ein Revoluzzer ist er nicht. Er geht gut mit den Menschen um. Er spricht mit jedem ein freundliches Wort, er ist diplomatisch. So habe ich ihn schon als Kurienkardinal erlebt. Als er im vergangenen November in Wien unseren Konvent besucht hat, haben sich die Menschen nach den Gottesdiensten mit ihm so darüber gefreut, dass er sich Zeit genommen hatte für sie. Er ist nicht weggegangen, sondern blieb da, hörte zu und suchte die Gespräche. Er war immer bei den Leuten und ist es nach wie vor gerne, so erlebe ich das. Ich habe das schon bei seiner ersten Rede an der Loggia wahrgenommen. Er hat sich von den Leuten bewegen lassen und hätte fast geweint. Ich denke, er hat gespürt, dass die Menschen sich darüber freuen, dass er nun da ist. Und so wie er das machen wird, wird es gut werden. Er wird sein Möglichstes tun und die Themen anpacken, die jetzt dran sind. Er ist keiner, der etwas unter den Tisch kehrt oder unter dem Teppich versteckt.

Bild: ©Franz Josef Rupprecht / kathbild.at

Kardinal Robert Francis Prevost besuchte 2024 den Wiener Augustinerkonvent zum 675. Weihejubiläum der Augustinerkirche. Die Patres (von links) Nikolaus Schachtner, Matthias Schlögl und Dominic Sadrawetz sowie Frater Johannes Schubert.

Frage: Denken Sie, dass er mit dem Druck umgehen kann, als Papst unter ständiger Beobachtung der Medien und Menschen zu sein?

Pater Dominic: Ja. Er hat das Papstamt und die damit verbundenen Aufgaben von Anfang an angenommen. Daher wird er damit auch umgehen können, auch mit dem Druck, den unterschiedlichen Meinungen und Lagern in der Kirche und im Vatikan. Da bin ich sicher. Ich denke eher, dass die Menschen zu viel von ihm erwarten. Das erkennt man auch an der Post, die wir täglich bekommen. Seit seiner Wahl schreiben uns viele Menschen und teilen uns ihre verschiedenen Anliegen an den Papst mit. Es geht um soziale Themen, friedenspolitische Anliegen und kirchenpolitische Ideen. Manchmal sind es auch verrückte Ideen. Sie tragen ihre Bitten an den Papst an uns heran, damit wir sie direkt an ihn weiterleiten. Die Leute glauben, dass wir einen ungehinderten Zugang zu ihm haben. Sie stellen sich das alles so leicht vor.

Frage: Wie gehen Sie mit diesen Briefen an den Papst um?

Pater Dominic: Ich rufe die Leute dann direkt an. Im Gespräch kann man die Dinge besser klären, finde ich. Ich habe das so bei meinen Eltern und im Orden gelernt, dass man das offene Gespräch sucht. Manche Dinge kann man beim miteinander Reden schneller klären und so oft auch Konflikte ausräumen. Man muss Dinge besprechen, wenn sie wichtig sind.

Frage: Haben Sie diese Art zu kommunizieren auch beim jetzigen Papst erlebt?

Pater Dominic: Ja. Wenn wir als Ordensverband etwas von ihm gebraucht haben, dann hat er als Ordensgeneral meist sofort reagiert. Meistens jedoch per E-Mail, weil er immer viel unterwegs war. Aber er hat immer so schnell wie möglich geantwortet, das fand ich gut.

Frage: Wie ging der Papst früher mit der Problematik der Missbrauchsaufarbeitung im Orden um?

Pater Dominic: Er war, als das Thema im Jahr 2010 massiv aufkam, gerade unser Generaloberer. Auch in Rom hat er das Anliegen thematisiert, die Fälle aufzuklären und nichts unter den Teppich zu kehren, war ihm wichtig. Seitdem haben wir im Orden Missbrauchsbeauftragte und Präventionsstellen.

„Wir erleben so viel positive Resonanz auf ihn. Es ist eine Ermutigung für uns als Ordensleute und es bringt eine neue Freude am Glauben.“

—  Zitat: Pater Dominic Sadrawetz

Frage: Welche Themen wird er Ihrer Meinung nach besonders hervorheben als Papst?

Pater Dominik: Als Ordensmann waren ihm Fragen zum Leben von Ordensleuten wichtig. Also, wie leben wir mit den Menschen in der heutigen Welt zusammen? Wie schärfen wir unser Ordensprofil? Es geht um das Apostolat des Ordens, also wie wir die Frohe Botschaft glaubwürdig als Gemeinschaft verkünden, uns in anderen Ländern ausbreiten und wie wir dort zurechtkommen können. Ihm ging es immer auch um soziale Themen. Sein Hauptanliegen war es, dass wir uns auf die Seite Jesu stellen und damit auf die Seite derer, die am Rand stehen, die arm sind und leiden. Wir müssen den anderen sehen wie Christus. Ihm ist es wichtig, alles aus der Perspektive Jesu zu sehen. Jesus ist das Gesicht, das wir im anderen sehen sollen. So sollten wir auf die drängenden Fragen der Zeit schauen und nach neuen Lösungen suchen.

Frage: Gibt es seit der Wahl des Augustiner-Papstes mehr Ordenseintritte oder Interessierte an Ihrem Orden?

Pater Dominic: Es wäre schön, wenn das so wäre. Zumindest nehme ich ein größeres Interesse wahr. Aber die, die sich ernsthaft interessieren, die waren schon vorher da und fühlen sich nun  durch ihn sehr gestärkt für ihren Weg. Wie sind drei Augustiner in unserem Kloster. Unser Novize ist gerade in Bayern. Das klingt nach wenig. Unser früherer Ordensoberer, Robert Prevost, hat uns immer Mut gemacht. Zwei meiner Mitbrüder unterrichten an Berufsschulen, wir betreuen als Pfarrer die Augustinerkirche und helfen bei der Citypastoral mit. Wenn wir uns davon ängstigen lassen, dass wir nur drei sind, dann könnten wir einpacken. Aber wir machen aus dem, was wir haben, das, was wir können. Es ist wichtig, dass wir gemeinschaftsfähig bleiben. Meine Mitbrüder und ich freuen uns darüber, dass jetzt ein Augustiner Papst ist. Wir erleben so viel positive Resonanz auf ihn. Es ist eine Ermutigung für uns als Ordensleute und es bringt eine neue Freude am Glauben. 

Frage: Wünschen Sie sich, dass Papst Leo XIV. seinen schwarzen Habit als Ordensangehöriger öfters trägt?

Pater Dominic: Ich weiß nicht, ob er ihn überhaupt noch trägt. Seit seiner Wahl habe ich ihn nur noch in Weiß gesehen. Wir Augustiner haben auch einen weißen Habit. Unsere Mitbrüder in Afrika tragen diesen zum Beispiel, wenn sie im Missionsgebiet unterwegs sind. Ich vermute einfach wegen der Hitze, also in heißeren Ländern. Also von daher würde es passen, dass er quasi weiterhin in Ordenstracht unterwegs ist. Mir ist jedoch wichtiger, dass Papst Leo XIV. gleich zu Beginn seines Amtes gesagt hat, dass er Papst ist und Augustiner. Er hat auf der Loggia gesagt, dass er Sohn des heiligen Augustinus bleibt. Ich denke, diese Spiritualität hat ihn bislang geprägt und wird ihn weiterhin prägen.

Frage: Haben Sie ihm schon persönlich gratuliert oder werden Sie ihn treffen?

Pater Dominic: Nein, bisher noch nicht. Aber wenn ich eine Gelegenheit hätte, würde ich ihm gratulieren. Im September wird das nächste Generalkapitel unseres Ordens sein. Ich denke nicht, dass ich da dabei sein werde. Ich würde mich schon freuen, den Papst bei einer Audienz zu sehen. Im Oktober bin ich in Rom, ich vermute jedoch, dass ich nicht zu ihm hin durchkommen werde. Und wir hoffen schon, dass er wieder einmal nach Wien käme. Aber es gibt momentan sicher andere Orte, wo er dringender gebraucht wird.

Frage: Wie werden Sie ihn ansprechen?

Pater Dominic: Ich habe immer Father Robert zu ihm gesagt, also Pater Robert. Jetzt würde ich ihn mit Heiliger Vater ansprechen. Doch unsere freundschaftliche, mitbrüderliche Verbundenheit bleibt.

Frage: Was wünschen Sie Ihrem Mitbruder, Papst Leo XIV.?

Pater Dominic: Ich wünsche ihm nur eines: "Gottes Segen". Man sagt bei uns: "An Gottes Segen ist alles gelegen". Er braucht Segen, der ihn in seinen Aufgaben stärkt. Und gute Begleiter.

Pater Dominic Sadrawetz ist Prior des Augustinerklosters in Wien sowie Regionalvikar, Ausbildungsleiter und Pfarrmoderator in Aspersdorf. Er stammt gebürtig aus dem Erzbistum München-Freising, wuchs in Bayern, Uruguay und Libyien auf und trat 1985 in den Augustiner-Orden ein. Seit 2006 leitet er als Prior das Wiener Augustinerkloster. 

Von Madeleine Spendier