Dominikaner erklärt: Wie erkenne ich eine geistliche Berufung?

Wie kann man sich sicher sein, dass das Ordensleben für einen das richtige ist? Pater Justinus Grebowicz hat darauf eine klare Antwort: Man muss dafür berufen sein. Der Dominikaner und "Berufungspromotor" in seinem Orden begleitet Männer und Frauen in speziellen Berufungstagen. Dort wollen sie gemeinsam herausfinden, zu wem das geistliche Leben in einem Orden passt. Im katholisch.de-Interview verrät er, wie sich eine Berufung anfühlt und woher sie kommt.
Frage: Pater Justinus, was ist eine geistliche Berufung?
Grebowicz: Eine Berufung ist nicht angeboren – genauso wenig wie das Christsein an sich. Vielmehr wächst man in eine Glaubensgemeinschaft hinein, vertieft den Glauben und lernt nach und nach Jesus Christus kennen und lieben. Wer zudem die eigenen Sehnsüchte, Stärken und Schwächen erkannt hat, kann seine Berufung finden – denn genau dort knüpft Gott an. Berufung ist zwar zuerst ein Handeln Gottes, ein Akt seiner Gnade, aber sie setzt auch die eigene Natur voraus.
Frage: Wie fühlt sich Berufung an?
Grebowicz: Wer zum geistlichen Leben berufen ist, will sein ganzes Leben mit Gott teilen. Damit geht eine tiefe Sehnsucht einher, innerlich frei für Gott werden zu wollen. Einem wird bewusst: Es gibt vieles, was mich davon abhalten kann, mich Gott ganz hinzugeben. Wer aber berufen ist, ist bereit, sein Leben für die Berufung zu verändern und etwa in Armut, Keuschheit und Gehorsam zu leben.
Ein Leben in Armut, Keuschheit und Gehorsam ist nicht für jeden etwas.
Frage: Wie kann man sich sicher sein, sich zum Ordensleben berufen zu fühlen und nicht zum Priester, zur Gemeindereferentin oder nur zum aktiven Gemeindemitglied?
Grebowicz: Geistliche Berufung hat oft eine Verbindung zur konkreten Lebenswirklichkeit. Manche begegnen etwa einem Priester, der für sie zum Vorbild wird – daraus entsteht dann der Wunsch, selbst Priester zu werden. Ähnlich ist es bei Menschen, die sich für das Ordensleben interessieren. Früher wählte man meist einfach das Kloster in der Nähe des Wohnorts. Heute hingegen beschäftigen sich viele sehr bewusst damit, welcher Orden zu ihrem Naturell passt. Es braucht Zeit, sich da zu entscheiden – aber genau dadurch beschäftigt man sich intensiv, wohin genau einen die Berufung führt.
Frage: Kann man sich auch gegen eine Berufung entscheiden?
Grebowicz: Solange man an der eigenen Berufung zweifelt und sie noch nicht ganz gereift ist, kann man sich auch nicht wirklich dagegen entscheiden. Es ist zunächst ein Prozess. Wer aber wirklich berufen ist, wird bemerken, wie innerlich etwas passiert. Wenn die Sehnsucht nach dem Ordensleben wächst, dann ist es ratsam, dieser Sehnsucht nachzugehen. Irgendwann kommt aber der Punkt, an dem man sich entscheiden muss, um Klarheit zu bekommen.
Frage: Was sind die häufigsten Fragen, die Ihnen am Ordensleben Interessierte in den Berufungstagen stellen?
Grebowicz: Die Männer und Frauen, die ich begleite, haben sich alle schon tiefer mit dem Dominikanerorden beschäftigt – und irgendetwas hat sie daran gereizt. Für die meisten ist es wichtig, an den Wochenenden Erfahrungen aus erster Hand zu hören. Gerade für Menschen, in deren Umfeld wenig Katholiken sind, ist der Austausch mit Gleichgesinnten besonders wichtig. Viele fragen sich: Woher weiß ich, ob Gott mich zum geistlichen Leben ruft? Oder: Passt diese Gemeinschaft wirklich zu mir?
Frage: Was bringt Menschen denn dann ins Kloster? Die Berufung oder die Überzeugung für diese Lebensform?
Grebowicz: Genau das wollen wir an den Berufungswochenenden in den Blick nehmen. Es ist eine Zeit des gegenseitigen Kennenlernens. Die meisten kommen nicht mit einer fertigen Berufung, sondern mit offenen Fragen. Das Interesse an der dominikanischen Lebensform und der Gemeinschaft haben meist alle gemein, aber wie weit die Berufung geht, muss Schritt für Schritt geklärt werden. Ein Beispiel: Einer erzählte, dass er sich zum Ordensleben berufen fühle. Aber eine Sache hat ihm noch Sorgen bereitet: Wie soll er sich entscheiden, wenn er sich verlieben würde. Menschen in dieser Phase der Berufung rate ich dann, sich erstmal nur auf die Frage der Berufung zu konzentrieren.
„Gott beruft auch heute noch Menschen. Die Frage ist eher: Hören wir seinen Ruf überhaupt noch?“
Frage: Woher kommt denn eine Berufung?
Grebowicz: Im Grunde ruft Gott jeden von uns. Wer diesem Ruf folgt, kann seine Berufung entdecken. Bei mir begann es in der Jugend: Ich wollte meinen Glauben wieder ernster nehmen. Ich ging regelmäßiger zur Messe und betete bewusster. So wurde ich offener für das, was Gott mir sagen wollte. Eine Berufung entsteht nicht von 0 auf 100 – sie wächst. Man muss sich auf den Weg machen und prüfen, ob einen das geistliche Leben mit Gebet, Gottesdienst und Sakramenten wirklich anspricht.
Frage: Heute treten viel weniger Menschen in einen Orden ein als noch vor 30, 50 oder 70 Jahren. Beruft Gott also heute weniger Leute?
Grebowicz: Gott beruft auch heute noch Menschen. Die Frage ist eher: Hören wir seinen Ruf überhaupt noch? Viele sind dafür nicht mehr sensibel. Zu vieles lenkt ab. Und generell tun sich viele schwer, sich überhaupt festzulegen – sei es für das Ordensleben oder für die Ehe. Man muss aber auch bedenken: Nicht jeder Klostereintritt war oder ist eine Folge echter Berufung. Manche Menschen haben keine Wahl oder betreiben Weltflucht. Eine große Zahl an Neueintritten bedeutet also nicht automatisch etwas Gutes.
Frage: Wenn Menschen sich zu ihrer Rolle als Ordensfrau- oder Mann als von Gott berufen fühlen, kann das nicht ein Einfallstor für Machtmissbrauch sein?
Grebowicz: Auf jeden Fall kann es das sein. Berufen zu sein führt zu einem Akt voller Hingabe. So etwas ist immer angreifbar. Man darf dabei nicht vergessen, dass Berufung etwas Gnadenvolles ist. Das hat man sich nicht verdient, weil man so toll ist. Jemand, der Macht missbraucht, der tut das Gegenteil davon. Er nimmt sich, was er möchte – ohne Rücksicht auf andere. Das passt für mich und meine Gemeinschaft nicht mit Berufung zusammen. Die Nachfolge Christi bedeutet vielmehr, Demut zu üben. Außerdem hat jeder Orden auch Regeln, die die Gemeinschaft fördern und den Einzelnen schützen.
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Frage: Bei Priestern soll der Bischof die Zeichen einer Berufung erkennen und so überprüfen, ob die Männer eine göttliche Berufung besitzen. Was halten Sie davon? Kann man eine Berufung überprüfen?
Grebowicz: Wir sprechen von einem geistlichen Leben innerhalb der Kirche. Niemand kann einfach so behaupten, er sei Dominikaner oder Priester und wolle geweiht werden oder die Profess ablegen. Es braucht Menschen von außen, die die Berufung erkennen und die Personen auf dem langen Weg zur Weihe oder zur Profess begleiten – denn für eine so große Entscheidung wie das Ordensgelübde brauchen die Ordensleute Unterstützung und die Bestätigung durch Kirche und Gemeinschaft. Da müssen beide Seiten sich sicher sein, dass es passt.
Frage: Das würde bedeuten, dass sich die Kirche über eine empfundene Berufung stellen kann. Ist es also okay, die Berufung von Frauen zur Priesterin abzulehnen?
Grebowicz: Alle Formen des geistlichen Lebens finden innerhalb der Kirche statt. Als Priester, Ordensmann- oder frau muss man sich in diesem Rahmen bewegen. Für Frauen, die Priesterin werden wollen, ist es eine schwierige Situation. Aber es wäre schon gemein von Gott, jemanden zu etwas zu berufen, was sich nicht verwirklichen lässt. In einer solchen Situation würde ich eher an meinen Empfindungen zweifeln. Denn Gott beruft mich nicht auf einen Weg, der mich zerbrechen lässt. Er will uns zur Fülle berufen und nicht zur Qual.
Frage: Warum ist die Berufung als Voraussetzung denn so wichtig?
Grebowicz: Im geistlichen Leben kann ich nur zufrieden sein, wenn ich weiß, dass Gott da seine Finger mit im Spiel hat. Ich muss wissen, wem ich vertraue und wem ich folge. Das Ordensleben ist nicht immer einfach, es gibt auch mal Durststrecken. Sich dann stets zu vergewissern, dass Gott einen genau an dieser Stelle haben will, ist sehr wichtig. Auch wenn das Wort "Berufung" manchmal schwer zu fassen ist, macht es kurz und knapp deutlich, um was geht: Gott ruft uns.