Schuldbekenntnisse und Hoffnung auf Neuanfang

Propst Siegfried Kasparick, der "Hausherr" der Schlosskirche, versteht die Baustelle als Symbol - "für Veränderung und Neuanfang". Dafür soll die Versammlung ein Zeichen sein, die sich mit der Schuld der Christen in Vergangenheit und Gegenwart befasst und zugleich die Hoffnung auf die Überwindung der Trennung der christlichen Konfessionen bekennt. Dreimal - hier sowie in der katholischen Marienkirche und dann in der evangelischen Stadtkirche Sankt Marien - bekennen die Christen die "Schuld der Kirchen" und die "Schuld einzelner Christen": "Wir sind zurückgeblieben hinter der frohen Botschaft des Evangeliums. Die Glaubwürdigkeit unseres Zeugnisses hat durch unsere Zertrennung gelitten."
Die Christen seien "in hohem Maße auch Täter" gewesen: durch "entwürdigende Bilder", die sie von Andersgläubigen entworfen hätten, durch "verächtliche Worte" und nicht zuletzt durch "vernichtende Taten". Dies wird jeweils mit zahlreichen Beispielen belegt.
Eingeladen hatte die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen
Eingeladen zu der Feier hatte die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Sachsen-Anhalt. Doch gekommen sind nicht nur die evangelische Landesbischöfin Ilse Junkermann und der katholische Bischof des Bistums Magdeburg, Gerhard Feige, um nur diese beiden stellvertretend zu nennen. Auch aus anderen Teilen Deutschlands sind Vertreter ihrer Kirchen angereist, etwa Erzpriester Radu Konstantin Miron für die Orthodoxe Bischofskonferenz in Deutschland, der Braunschweiger lutherische Landesbischof Christoph Meyns oder Bischof Hans-Jörg Voigt von der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche und Pastor Jürgen Stolze von der Evangelisch-methodistischen Kirche. Somit verweist die kleine Gemeinde, die mit Kerzen von Kirche zu Kirche zieht, zugleich über sich hinaus.
Ökumene-Bischof Gerhard Feige hatte vorgeschlagen, vor dem Reformationsgedenken noch einen Weg der Versöhnung zu gehen.
Mit dem "Pilgerweg" griff die ACK eine Anregung von Bischof Feige auf, der auch Vorsitzender der Ökumenekommission der katholischen Deutschen Bischofskonferenz ist. "Im Blick auf das 500-jährige Reformationsgedenken 2017 könnte es sicher entkrampfend sein, wenn vorher noch so etwas wie ein Versöhnungsprozess in Gang käme, der sich den tragischen Folgen der evangelisch-katholischen Trennung und Entfremdung stellt, gewissermaßen eine 'Reinigung des Gedächtnisses' bzw. 'Heilung der Erinnerungen'", hatte er vorgeschlagen. Inzwischen ist eine gemeinsame Arbeitsgruppe der Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) dabei, einen zentralen Gottesdienst zu diesem Thema vorzubereiten.
Am Ursprungsort der lutherischen Reformation
Mit der Form des "Pilgerwegs der Versöhnung" wollte die ACK die besondere Verantwortung der Kirchen am Ursprungsort der lutherischen Reformation zum Ausdruck bringen. "Indem zugefügte Verletzungen, die durch Worte, Bilder und Taten erfolgt sind, ausgesprochen werden, soll eine Einheit im Glauben sichtbar werden, die Christen aus allen Kirchen bestärkt, gemeinsam das Jahr 2017 zu begehen", erläuterte die ACK ihr Anliegen.
Am Ende des "Pilgerwegs" legten die Kirchenvertreter symbolisch die "Scherben", die sie aufgenommen hatten, vor das Kreuz, um die Hände frei zu haben zur Versöhnung. Der Friedensgruß der 21 mitwirkenden Liturgen untereinander wurde an die ökumenische Gemeinde weitergegeben. Unterdessen sind bereits in auch in vielen Kirchen - nicht nur den protestantischen - die Vorbereitungen für das Gedenk- und Jubiläumsjahr angelaufen. Vielleicht wird dann auch die Bürgergemeinde Wittenbergs "angesteckt", die von der Gemeinde mit ihren Kerzen an diesem Abend kaum Notiz genommen hat.