Jesuiten-Flüchtlingsdienst unterstützt Klage gegen Karnevalswagen

Strafanzeige wegen "Ungeziefer-Vergleich"

Veröffentlicht am 08.03.2016 um 14:20 Uhr – Lesedauer: 
Rassismus

Berlin ‐ In Thüringen hatte der umstrittene Karnevalswagen "Balkanexpress" für Aufregung gesorgt. Nachdem die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen eingestellt hatte, unterstützt nun der Jesuiten-Flüchtlingsdienst eine Klage gegen den "Ungeziefer-Vergleich" des Wagens.

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Der Wasunger "Balkanexpress" am ersten Februarwochenende bestand aus einer großen grünen Lokomotive auf der stand: "Die Ploach kömmt" ("die Plage kommt"). Der Motivwagen wurde von grün gekleideten Karnevalisten umschwärmt, die Heuschrecken darstellen sollten.

Der JRS appelliert nun an die Justiz in Thüringen, für eine sorgfältige Ermittlung der "Heuschreckenplage" zu sorgen. "Der Ungeziefer-Vergleich spricht Menschen ihr Mensch-Sein ab und verletzt ihre Würde", betont Direktor Frido Pflüger. "Besonders gefährlich ist er, wenn er auf Menschen zielt, die schutzbedürftig und oft Anfeindungen und Gewalt ausgesetzt sind", so der Jesuitenpater. Der Rechtsstaat müsse deutlich machen, dass damit eine Grenze überschritten werde.

"Nicht zusehen, wie rassenideologische Bilder in die Gesellschaft drängen"

Die als Heuschreckenplage kostümierte Gruppe sei allgemein als Darstellung von Asylsuchenden verstanden worden, teilt die Hilfsorganisation mit. "Gerade in einer Zeit, in der sich Gewalttaten gegen Asylsuchende häufen und der Schusswaffengebrauch gegen Flüchtlinge diskutiert wird, muss der Rechtsstaat für den Schutz ihrer Würde sorgen", so Pflüger.

Linktipp: Evangelischer Pfarrer nimmt Karnevalisten in Schutz

"Fassungslos und entsetzt" hat der evangelische Pfarrer von Wasungen in Thüringen Berichte über einen angeblich rassistischen Zugwagen beim örtlichen Karneval aufgenommen. Die Vorwürfe seien haltlos und Wasser auf die Mühlen rechter Gruppierungen, so Stefan Kunze.

JRS-Mitarbeiterin Dorothee Haßkamp sagte, der Rechtsstaat dürfe nicht tatenlos zusehen, "wie rassenideologische Bilder in die Gesellschaft drängen und die Hemmschwelle wieder ein Stück tiefer sinkt". Die Historikerin nannte die Herabsetzung zu Insekten als eine typische Vorstufe des Völkermords, wie etwa im Nationalsozialismus oder in Ruanda. Ein Ungeziefervergleich sei psychologisch äußerst wirkungsvoll: "Das Bild einer Heuschreckenplage unterstellt, dass es um das Überleben der 'eigenen' Gruppe geht. Die vermeintlichen 'Anderen' werden entmenschlicht und nicht mehr als einzelne, sondern nur noch als eine bedrohliche Masse wahrgenommen", so Haßkamp.

Zuvor hatte eine Privatperson die Karnevalisten angezeigt. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Meiningen sagte am 29. Februar dem MDR Thüringen, dass sich der Anfangsverdacht der Volksverhetzung nicht bestätigt habe. Dies müsste einen Angriff auf die Menschenwürde voraussetzen. Im Gesamtkontext des Motivwagens sei es offensichtlich nicht darum gegangen, Asylbewerber böswillig und damit aus niederträchtiger, bewusst feindseliger Gesinnung als Heuschrecken darzustellen. Es sei als provokante Reaktion auf ein aktuelles Thema zu verstehen, so Sprecher Jochen Grundler. (luk)