"Ich habe für Shiva gekifft"

Frage: Frau Hayali, wie kam es dazu, dass Sie sich am Pfingstmontag im ZDF mit Religionen auseinandersetzen?
Hayali: Die Idee kam von der Redaktion des "auslandsjournals". Als sie mich gefragt haben, habe ich sofort Ja gesagt. Zum einen finde ich das Thema Religion und Glaube sehr spannend. Also: Warum glauben Menschen, was gibt ihnen die Religion, wie erleben Menschen Religion, wird der Glaube missbraucht? Das sind alles Fragen, die sich mittlerweile auch wieder in unseren Alltag, in unser Leben drängen. Und zum anderen gehe ich einfach gerne raus. Raus aus dem Studio, rein in die Welt. Schmecken, spüren, riechen, fühlen, erleben. Kurz: selber Erfahrungen sammeln. Für mich eine der Kernaufgaben unseres Jobs.
Frage: Ein weites Feld. Welche Religionen haben Sie sich denn vorgenommen?
Hayali: Wir waren zunächst in Kathmandu in Nepal, weil dort jedes Jahr am 7. März das große Shiva-Festival stattfindet. Ich wusste bis dahin, dass der Gott Shiva der Erlöser und Erbauer, gleichzeitig aber auch der Zerstörer ist. Ich wusste nicht, dass Shiva auch der Gott des Kiffens ist. Vielleicht ein Grund, warum es dort unter den Hindus auch zur Massenekstase kommen kann. In New York durften wir eine orthodoxe jüdische Familie am Sabbat begleiten. Für mich ein Highlight, denn die orthodoxen Juden bleiben gerne unter sich. Es ist geradezu eine ge- und verschlossene Community. In New York waren wir zudem an der Wall-Street, denn auch das - Geld und Konsum - kann ja zu einer Ersatzreligion werden. Von dort aus hat uns der Weg nach Georgien geführt. In einem kleinen 200-Seelen Dorf habe ich einen "lebenden Engel" getroffen: Mutter Nino, eine christlich orthodoxe Nonne, die sich ganz Gott hingegeben hat. In Wien habe ich mir den Sufismus angeschaut, den spirituellen Zweig des Islam. Und ganz zum Schluss habe ich meinen eigenen "Glauben" wissenschaftlich testen lassen.
TV-Tipp
"Was glaub ihr denn? Dunja Hayalis Reise durch die Religionen", ZDF, Pfingstmontag, 16. Mai, 19.30-20.15 Uhr.Frage: Also die Reporterin, die eine Art religiösen Zoobesuch macht?
Hayali: Die XXL-Ausgaben des "auslandsjournals" sind meist mit leichter Handschrift gemacht. Der Reporter hat die Aufgabe, alles mitzumachen, alles mitzuerleben. Und dabei wollen wir dem Zuschauer das Gefühl geben, er sei mit dabei. Wir tauchen also gemeinsam in fremde Welten ein. Dazu gehört, dass ich versifftes, aber heiliges Wasser im Mund hatte. Ich habe für Shiva gekifft, ich habe eine Schlange um den Hals gehabt, ich habe mit einem Gemisch aus Kuhmist und Erde einen Boden geputzt, Kühe gemolken und vieles mehr. Aber klar: vier Religionen, die Wall-Street und ein wissenschaftlicher Test in 43 Minuten - das kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben. Sie nennen das "Zoobesuch", ich nenne das "Geschmack auf mehr" machen...
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Frage: Aber wenn Sie so mittendrin waren, fehlte da nicht gerade die journalistische Distanz, die Sie vielleicht auch die negativen Seiten von Religion besser erkennen lassen?
Hayali: In der Reportage geht es nicht darum, Religionen oder den Glaube der Menschen zu bewerten oder auseinanderzunehmen. Eher ist es Erkenntnis durch Erleben: Ich habe erkannt, dass uns eben auch vieles trennt. Innerhalb der jeweiligen Religionsgruppe gibt es viel Freundlichkeit und Toleranz. Wenn es aber darüber hinaus geht, sind die meisten eher ausgrenzend und in Teilen auch sehr radikal. Ob es Hindus waren oder Juden, Muslime oder die orthodoxen Christen. Und das ist für mich das Traurige, dass wir das Abgrenzende mehr betonen als die verbindenden Elemente.
Frage: Und die anderen Religionen?
Hayali: Vielleicht gibt es ja eine zweite Folge. Wir haben an allen Orten so viel gedreht, wir könnten fast zu jeder Station 43 Minuten machen. Sich von Erlebnissen zu trennen, ist immer das schlimmste im Schnitt. Alles geht nun mal nicht. Aber es wird neben dem Film, der ja Pfingstmontag laufen wird, noch weitere, kurze Filme geben. Unter anderem im "auslandsjournal", im Morgenmagazin oder aber auch im Mittagsmagazin.
ZDF-Moderatorin Dunja Hayali bei der Recherche für ihre Reportage über die Welt der Religionen.
Frage: Sie sind keine Theologin oder Religionswissenschaftlerin. Inwieweit fühlten Sie sich überhaupt kompetent genug für diesen Film?
Hayali: Ich bin neugierig, offen und respektiere mein Gegenüber - egal, wo er herkommt, wie er aussieht oder woran er glaubt. Das ist eine Grundvoraussetzung in unserem Job, aber besonders für XXL-Reportagen des "auslandsjournals". Außerdem: zu viel Wissen kann manchmal auch schaden. Ich wollte mich ja überraschen lassen. Und wie gesagt: das ist keine theologische Studie, die wir da betrieben haben. Dass ich allerdings christlich aufgewachsen bin, sogar Messdienerin war, hat auf der Reise nicht geschadet. Genau so wenig wie meine Zweifel und meine Skepsis, die ich gegenüber Religionen habe. Mit dieser Mischung hat man einen anderen Zugang als ein wissender und gläubiger Religionsgelehrter.
Frage: Also eine gemischte Bilanz?
Hayali: Schon. Es hängt einfach viel von den einzelnen Menschen ab, wie Religion erfahren, gelebt und interpretiert wird. Der Zusammenhalt, die Gemeinschaft ist was Tolles, das Vertrauen in zum Beispiel Gott gibt vielen Menschen Halt. Das muss schön sein, dass so zu empfinden - allein, ich kann es nicht. Mein größtes Problem aber sind die vielen Regeln, zumal wenn sie sehr dogmatisch sind und von ihren "Benutzern" kaum hinterfragt oder anzweifelt werden. Ich kann und will als Mensch meine Verantwortung für das eigene Leben und für das Miteinander nicht in die Hände der Religionsgemeinschaft abgeben. Ich bin doch am Ende immer noch ein selbstbestimmtes Wesen, ob ich nun Jude bin oder Muslim, Katholik oder Protestant.