Boutros Rai sieht konfessionelles Gleichgewicht gestört

Patriarch: Geflüchtete sollen zurück nach Syrien

Veröffentlicht am 18.07.2016 um 10:20 Uhr – Lesedauer: 
Patriarch Bechara Rai im Porträt
Bild: © KNA
Flüchtlinge

Bkerke ‐ Fast zwei Millionen Geflüchtete halten sich derzeit im Libanon auf. Zu viel für das kleine Land, sagt der Maronitische Patriarch Boutros Rai. Besondere Probleme bereite die Religion vieler Flüchtlinge.

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"Hunderttausende Menschen, die ohne Perspektive und legalen Status im Land leben, sind ein ideales Rekrutierungsfeld für terroristische Gruppen", warnte Rai. Dies könne sich zu einem Sicherheitsrisiko weit über den Libanon hinaus entwickeln. Außerdem führe das Einströmen von mehr als einer Million Muslime zu einer Störung des konfessionellen Gleichgewichts, zumal gleichzeitig Zehntausende junge Libanesen das Land verließen.

Rai äußerte sich am Sonntagabend bei einer Begegnung mit dem Flüchtlingsbeauftragten der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Stefan Heße, am Sitz des maronitischen Patriarchats in Bkerke. Bei der Begegnung kommentierte Rai auch die seit zwei Jahren anhaltende politische Blockade der Präsidentenwahl im Libanon. Schuld daran sei letztlich ein Machtkampf zwischen Iran und Saudi-Arabien. Die von diesen beiden Mächten abhängigen Gruppen der Schiiten und der Sunniten im Libanon seien jetzt ebenfalls verfeindet und blockierten sich gegenseitig. Indem sie die Wahl eines christlichen Präsidenten gemäß der libanesischen Verfassung nicht zuließen, schafften sie ein gefährliches Vakuum. "Der einzige christliche Staatspräsident im gesamten Nahen Osten wird auf diese Weise verhindert", beklagte Rai.

Der Patriarch appellierte an die Großmächte, auf den Iran und Saudi-Arabien einzuwirken, damit diese den Libanon aus ihrem regionalen Machtkampf ausklammern und eine Überwindung der libanesischen Verfassungskrise ermöglichen. Scharfe Vorwürfe formulierte das Oberhaupt der größten christlichen Gemeinschaft im Libanon an die Adresse des Parlaments in Beirut. Durch die Verhinderung von Wahlen gäben die Parlamentarier ihre Macht faktisch an Riad und Teheran ab.

Rai: Westen verkennt Realität des Islam

Mit Blick auf Europa warnte Rai, der Westen verkenne die Realität des Islam. Es sei irrig anzunehmen, dass sich der Islam jemals säkularisieren werde. "Viele Muslime sagen offen, dass sie Europa durch ihre große Kinderzahl und durch ihren starken Glauben erobern wollen", erklärte Rai. (KNA)

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Die Flüchtlingskrise fordert Staat, Gesellschaft und Kirchen mit ganzer Kraft heraus. Auch die katholische Kirche in Deutschland engagiert sich umfangreich in der Flüchtlingsarbeit. Weitere Informationen dazu auf der Themenseite "Auf der Flucht".