Thomas Seiterich über das Leitwort "Wir schaffen das!"

Verdammen oder sich zu eigen machen?

Veröffentlicht am 25.08.2016 um 00:01 Uhr – Von Thomas Seiterich – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Thomas Seiterich über das Leitwort "Wir schaffen das!"

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Seit einem Jahr hat Deutschland ein Leitwort – und das ist gut so. Dieser Tage vor einem Jahr, am 31. August 2015, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Bundespressekonferenz: "Wir schaffen das!" Es wurde der Satz des Jahres. Journalisten hatten die Kanzlerin bedrängt: Was soll aus Deutschland werden, wenn noch mehr Flüchtlinge kommen? Zu jenem Zeitpunkt waren es bereits Hunderttausende.

Seit Angela Merkels genialem Diktum "Wir schaffen das!" hat Deutschland ein Leitwort, das man verdammen oder das man sich zu eigen machen kann. Eine Kanzlerinnen-Parole, die täglich von rechten Politikern und Medien in Zweifel gezogen oder angefeindet wird. Gleichwohl: Der Satz liefert die Devise für die aktuelle, große Aufgabe, eine zukunftsoffene, humane und dabei realistische Gesellschaft zu gestalten.

Die Republik Österreich, unser Nachbarstaat, steht vor ähnlichen Problemen wie Deutschland. Doch in Wien gab es keinen Kanzler, der angesichts der Not der Flüchtlinge und der Kapazitäten der Alpenrepublik eine ähnliche Zielformulierung gefunden hätte. Dieser Mangel, diese Leerstelle befördert die Rechten und schwächt die Aufgeschlossenen in der österreichischen Gesellschaft.

Für Deutschland gilt: Die Aufgeschlossenen und Selbstsicheren, also die, die aktuell die Zukunft für alle schaffen, sind bei dem Satz "Wir schaffen es!" zuhause. Dass die Ängstlichen, die Unsicheren und die Fremdenfeindlichen hierzulande im Meinungsstreit nicht die Oberhand errungen haben, liegt unter anderem auch an Merkels zukunftssicherer Devise: "Wir schaffen das".

Kein Wunder, dass die Kanzlerin ihren Hoffnungssatz wiederholt: am 5. September, am 14. Dezember, in ihrer Neujahrsansprache und – im politischen Gegenwind nach islamistischen Attentaten von Flüchtlingen in Ansbach und Würzburg - am 28. Juli 20016 in der Bundespressekonferenz.

Als Papst Franziskus sie vor einiger Zeit empfing, hat er die Protestantin, die Deutschland regiert, auf ihren Satz "Wir schaffen das!" angesprochen und ihr für diese Devise eigens gedankt.

Der Autor

Thomas Seiterich ist Redakteur der Zeitschrift "Publik-Forum".

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Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.
Von Thomas Seiterich