Stephan Alof ist erfolgreicher Gastronom und Kirchenpfleger

"Eine leere Kirche reicht mir nicht aus"

Veröffentlicht am 25.09.2016 um 13:20 Uhr – Von Gudrun Lux – Lesedauer: 
Glaube

München ‐ Stephan Alof ist nicht nur Gastronom im hippen Münchner Glockenbachviertel, sondern auch Kirchenpfleger in der Gemeinde St. Maximilian – und sprengt damit alle Klischees. Ein Besuch.

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Stephan Alof ist Wirt. Acht Lokalitäten gründete er im angesagten Münchner Glockenbachviertel – darunter das "Café Maria", nebenan die Eisdiele "Jessas" und schräg gegenüber die Eventlocation "Josef". Schon die Namen zeigen deutlich, wo Alof hingehört: zur Kirche. Stephan Alof ist Kirchenpfleger. Nun ist es so, dass das eigentlich ganz gut zum Wirt-Sein passt, findet er. Nicht nur, dass ganz traditionell neben der Kirche ein Wirtshaus steht. Nein, außerdem ist "ein guter Wirt auch immer ein bisschen Seelsorger", findet Alof. Der 49-Jährige sieht so gar nicht aus, wie man sich gemeinhin einen Kirchenpfleger vorstellt. Nichts an ihm ist bieder oder gemütlich. Er wirkt jung, fast jugendlich, energiegeladen. Dass er einer ist, der anpackt und viel auf die Beine stellt, merkt man ihm sofort an: am federnden Schritt, am klaren Ton, an den blitzenden Augen.

Seit 25 Jahren für die Innenstadtgemeinde St. Maximilian im Einsatz

Immer mehr Gastronomiebetriebe im Münchner Glockenbachviertel hat Alof übernommen, zuletzt das ehemalige "Kreuzberger", eine urbayerische Wirtschaft direkt gegenüber der Maximilianskirche, die aber nicht mehr gut lief. Alof möbelte sie auf, ging mit einem ähnlichen, aber doch anders akzentuierten Konzept und neuem Namen wieder an den Start. "Maximilian" heißt das Wirtshaus jetzt, wie seine Kirche, die Gemeinde, die dem Jungen aus dem Westerwald Halt gab, als er mit Anfang 20 nach München kam. Es bleibt traditionell bayerisch, am Sonntag ab Zwölf gibt’s Blasmusik, auf der Karte stehen Rinderkraftbrühe und Schweinebraten. Das Publikum ist gut gemischt, alteingesessene Münchner und hippe junge Leute trifft man hier. "In der Gastronomie ist es so: Da darf man sich nie selbst genügen", sagt Alof. Und zieht gleich den Vergleich zu seiner Gemeinde.

Seit einem Vierteljahrhundert baut Alof dort schon mit am Schiff, das sich Gemeinde nennt. Einst war er, der ehemalige Messdiener, Pfarrer Rainer Maria Schießler im Supermarkt begegnet. Sie kamen ins Gespräch, verstanden sich auf Anhieb gut und arbeiten seitdem erfolgreich zusammen. Gemeinsam prägen sie St. Maximilian, die Gemeinde, die längst über die Grenzen Münchens hinaus bekannt ist. "Eine leere Kirche reicht mir nicht aus", sagt Alof, "wir wollen die Menschen erreichen, auch die jungen Menschen." Das gelingt dem Team von St. Maximilian: Hunderte Gottesdienstbesucher kommen jede Woche, die Kinderkirche ist voll, viele Menschen werden hier inspiriert, ihren Glauben zu leben. Dazu gehören in St. Maximilian ungewöhnliche Aktionen. Zum Patrozinium stehen schon mal "Goaßlschnalzer" auf den Kirchenbänken, es wird Bier ausgeschenkt, gegessen und getrunken – alles im Kirchenraum, wohlgemerkt.

Bild: ©katholisch.de

Nach und nach hat Stephan Alof immer mehr lokalitäten im Münchner Glockenbachviertel übernommen - und ihnen biblsiche Namen gegeben: zum Beispiel das Café Maria", die Eisdiele "Jessas" oder die Eventlocation "Josef".

Manchem ist es zu viel Show, zu viel Tam-Tam, was da in St. Maximilian abgeht. "Klar machen wir hier in der Kirche auch Halligalli", bekennt Stephan Alof freimütig. "Wir haben schließlich was zu feiern, jeden Sonntag: die Auferstehung des Herrn!" Vom Feiern versteht Alof was, das beweist er nicht nur mit "Josef", der Eventlocation. "Wir gestalten in unserer Pfarrei und nehmen die Leute mit", ist Alof überzeugt – und fügt an: "Aber ja, man sagt uns manchmal nach, dass wir Selbstdarsteller seien." Das macht ihn kurz nachdenklich. "Unser Ziel ist, die Menschen behutsam in die Kirche hinein zu führen, sie da abzuholen, wo sie sind."

Beispiel Weihnachten: "An Weihnachten, da ist die Kirche voll. Nun kann man sich hinstellen und darüber schimpfen: Die kommen das ganze Jahr nicht, jetzt brauchen sie an Weihnachten auch nicht zu kommen. Dann verlieren wir diese Menschen ganz. Wir sagen lieber: Schön, dass ihr da seid", erklärt Alof die seelsorgliche Idee von St. Maximilian. Dass die Menschen, die kommen, dann in St. Maximilian auch Ungewöhnliches erwartet, gehört zum Konzept. Vor einigen Jahren etwa radelte Alof durch Schwabing und sah ein Graffiti: "Du bist wichtig!", stand da geschrieben. "Eine wunderbare Botschaft für Weihnachten!", sagte er und fotografierte die Straßenkunst. "Du bist Gott so wichtig, dass er als Mensch auf die Erde kommt", erklärt er seine Gedanken. Er beschriftete 40 Vorfahrtsschilder mit der Botschaft "Du bist wichtig!" und stellte sie in der Kirche auf. Der Mensch hat Vorfahrt.

Eine ungewöhnliche Fronleichnamsprozession

Auch die Fronleichnamsprozessionen der Gemeinde sind hervorragend besucht. "Jahrzehntelang sind wir den gleichen Weg gegangen, aber dann haben wir gesagt: Lasst uns andere Wege gehen, neue Wege." Eine Fronleichnamsprozession verfehle ihren Sinn, wenn sie zum "Historienspektakel" verkomme, ist Alof überzeugt. "Im Gegenteil, Fronleichnam, das ist doch der Ausdruck des lebendigen Glaubens!" Deshalb also geht die Fronleichnamsprozession jetzt immer andere Wege, Wege "zu den Menschen", wie Alof es ausdrückt, "mitten ins Viertel hinein".

Das Glockenbachviertel ist geburtenstark, deshalb gab es einen Fronleichnamsaltar an einem Kinderladen. Eine Drogenabgabestelle wurde ebenfalls zum Standort für einen Fronleichnamsaltar. "Seht, Christus kommt zu euch", das sei die Botschaft. "Das war schon, bevor Papst Franziskus gesagt hat, wir müssten an die Ränder gehen – ja, genau, da gehen wir hin." Auch an einer Szenekneipe für Schwule stand schon einmal ein Altar. "Der schwule Wirt, ein Österreicher, dankte uns unter Tränen, dass wir bei ihm Station machten. Nach dem Segen regnete es rote Rosenblätter runter, das war schon bühnenreif." Der Wirt und sein Freund seien seither Teil der Gemeinde, kämen Sonntag für Sonntag in die Messe.

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Video: © Dr. Michael Hertl

Pfarrer Rainer Maria Schießler ist einer der bekanntesten deutschen Priester. Er ist Seelsorger der Gemeinden St. Maximilian und Hl. Geist in München. Im Gespräch erzählt er, warum er anderen nachläuft, wie er sich für Flüchtlinge einsetzt und warum er sein Leben höchstens mit Bruce Springsteen tauschen würde.

Stephan Alof kennt die Kirche gut, er wuchs in einer konservativ-katholischen Familie auf, sein Onkel war Goldschmied für sakrale Kunst im Bistum Trier, schon als Kind war er oft im Bischofshaus. "Vor zwei Jahren starb mein Vater, da war ich wieder einmal längere Zeit zu Hause und ich war erschrocken darüber, wie es in der Kirche aussieht: nur alte Menschen, keine Kinder, keine Jugendlichen. In zehn, zwanzig Jahren ist die Kirche leer", beschreibt er seine Befürchtung. Er schaut erschrocken – und gleich wieder kämpferisch. "Wir müssen uns hinterfragen, aber wer meint, nur weil er in die Kirche rennt, wär er ein besserer Mensch, der hat Kirche nicht verstanden. Wenn man nämlich im Alltag das Christentum nicht lebt, dann ist es wertlos."

Bis vor zehn Jahren arbeitete Alof noch in der Palliativmedizin als Krankenpfleger – widmete sich sterbenden Menschen, begleitete sie. Seine Entschlossenheit zur tätigen Nächstenliebe bringt ihn dazu, sich um Leib und Seele derjenigen zu kümmern, denen er begegnet. So kümmert er sich um das geistige Wohl: Er begleitet Erstkommunionkinder auf ihrem Weg zum Tisch des Herrn, führt sie an den Glauben heran. "Ich will sie begeistern", sagt er. "Aber da geht es nicht nach Schema F, viele Kinder wissen kaum noch etwas vom Glauben und von der Kirche. Es ist eine Herausforderung: Wie soll ich Kindern die Eucharistie erklären?" Gut, dass Alof auch eine Bäckerei hat, dort zeigt er den Kindern, wie Brot gebacken wird, bricht mit ihnen das Brot, teilt. So wird Gottes Wort für die Kinder erlebbar. Übrigens kann man in seiner Bäckerei natürlich auch ein Brot kaufen, das man selbst gar nicht braucht. Ein bedürftiger Mensch bekommt das schon bezahlte Brot dann kostenlos.

Von Gudrun Lux