Große Bestürzung: Keine Hilfe für zusammengebrochenen Mann

Overbeck: Fall von unterlassener Hilfe geht nahe

Veröffentlicht am 30.10.2016 um 15:30 Uhr – Lesedauer: 
Overbeck: Fall von unterlassener Hilfe geht nahe
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Gesellschaft

Essen ‐ Der hilflose Mann liegt mitten im Raum. Doch erst der fünfte Kunde im Vorraum einer Essener Bankfiliale ruft die Rettungskräfte - zu spät. Nun reagieren Politiker und Kirchenvertreter fassungslos und bestürzt.

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Der Fall eines zusammengebrochenen alten Mannes, der im Vorraum einer Essener Bankfiliale von vier Kunden ignoriert wird und später stirbt, hat große Bestürzung hervorgerufen. "Mir geht dieser tragische Fall von unterlassener Hilfeleistung sehr nahe", sagte am Sonntag Essener Bischof Franz-Josef Overbeck. "Ich glaube ganz fest, dass ohne echte Barmherzigkeit keine Gesellschaft letztlich existieren kann", betonte der Bischof. Wenn eher eingegriffen worden wäre, hätte der Tod des Mannes möglicherweise verhindert werden können.

Eugen Brysch: Kein Einzelfall

Nach Einschätzung der Deutschen Stiftung Patientenschutz ist das Vorbeigehen an Hilfebedürftigen leider längst kein Einzelfall. "Nächstenliebe scheint uns fremd geworden zu sein - genau 500 Jahre, nachdem Luther das Wort in die deutsche Sprache gebracht hat", erklärte der Vorstand der Stiftung, Eugen Brysch. Um die "Hilflosigkeit im Nächsten" zu erkennen, brauche es keine Profis. "Das darf nicht die Alleinzuständigkeit von Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst oder Hospizbewegung sein", unterstrich er.

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Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz.

Es komme immer wieder vor, dass Menschen vorbeifahren, wenn sie einen Unfall sehen oder nicht reagieren, wenn bei einem Nachbarn anders als gewohnt die Rollos längere Zeit unten bleiben. "So etwas ist leider an der Tagesordnung, das macht die Betroffenheit aus", sagte Brysch. Die Bilder einer Überwachungskamera aus der Essener Bankfiliale führten das Leid und die Ignoranz drastisch vor Augen. "Das muss uns aufrütteln, nicht wegzugucken", betonte er.

Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) äußerte sich "nachdenklich und betroffen zugleich" zu dem vielbeachteten Fall in seiner Stadt. "Statt einen Rettungswagen oder die Polizei zu alarmieren, wird notwendige Hilfe unterlassen", kritisierte er.

Die Essener Polizei sucht weiterhin nach vier Bankkunden, die dem 82 Jahre alten Rentner am 3. Oktober nicht geholfen hatten und dabei von Überwachungskameras gefilmt worden waren. Den Sterbenden beachteten sie nicht, obwohl er mitten in dem kleinen Raum lag. Erst der fünfte Kunde wählte dann den Notruf. Der Mann starb später im Krankenhaus.

Verfahren wegen unterlassener Hilfeleistung

Der erschütternde Fall war erst jetzt öffentlich gemacht worden. Die Essener Polizei ist sehr zuversichtlich, dass sie jene vier Bankkunden, die nacheinander kamen, um Geld abzuheben oder Überweisungen zu tätigen, relativ schnell ausfindig machen wird. Es handele sich dabei sowohl um Männer als auch um Frauen. "Gegen sie läuft ein Strafverfahren wegen unterlassener Hilfeleistung", sagte ein Polizeisprecher bereits am Samstag. "Wir sind sicher, dass wir die Personen zeitnah finden." (dpa)