Kanadische Forscher untersuchen Gemeindewachstum

Studie: Konservative Gemeinden wachsen stärker

Veröffentlicht am 23.11.2016 um 17:25 Uhr – Lesedauer: 
"Mehr"-Konferenz des katholisch-charismatischen Gebetshauses in Augsburg.
Bild: © KNA
Kanada

Bonn/London ‐ Warum werden manche Gemeinden immer größer, während andere aussterben? Forscher haben dazu evangelische Gemeinschaften in Kanada untersucht. Demnach haben wachsende Gemeinden vor allem eines gemeinsam.

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Evangelische Gemeinden mit konservativer Ausrichtung gewinnen durchschnittlich mehr neue Mitglieder. Das ergab eine Studie unter evangelischen Christen in Kanada. Wie die britische Tageszeitung "The Guardian" berichtete, zeigten demnach kleiner werdende Gemeinden auch ein liberaleres Profil.

Mit ihrer auf fünf Jahre angelegten Studie wollten die kanadischen Forscher herausfinden, welchen Einfluss die theologische Ausrichtung von Gemeinden auf deren Wachstum hat. "Die Beweise legen nahe, dass eine konservative protestantische Theologie der klare Sieger ist", erklärte Studienleiter David Haskell am vergangenen Donnerstag gegenüber dem "Guardian". Demnach widerspricht das Ergebnis früheren Studien aus den USA und dem Vereinigten Königreich. Diese hätten stets gezeigt, dass Theologie keinen signifikanten Einfluss auf einen starken Rückgang des Gottesdienstbesuchs habe.

In der nun durchgeführten Umfrage wurden Laien und Kleriker zu ihrer kirchlichen Praxis und Inhalten ihres Glaubens befragt. Es habe sich gezeigt, dass die wachsenden Gemeinden insgesamt "fester am traditionellen Glauben des Christentums hielten und gewissenhafter in Sachen Gebet und Bibellesung waren", erklärte Haskell. Untersuchungen der Sozialstruktur hätten ergeben, dass sich Außenstehende vor allem von solchen Gruppen angezogen fühlten, die eine konsequent einheitliche Botschaft und sich deutlich nach außen abgegrenzt zeigten.

Linktipp: Katholisch und charismatisch

Sie wollen eine "inspirative Kraft für die Kirche" sein: Rund 6.000 Teilnehmer werden zur "Mehr"-Konferenz im Augsburger Gebetshaus erwartet. Es ist eine ökumenische Bewegung, die nicht konservativ oder liberal sein will, sondern charismatisch. (Artikel von Januar 2016)

Die Werbung für das Christentum unter Nichtchristen wurde laut den vorgestellten Zahlen von allen Klerikern in wachsenden Gemeinden als sehr wichtiges Ziel benannt. Demgegenüber vertrat nur die Hälfte der Pastoren von kleiner werdenden Gemeinschaften diese Ansicht. Auch die tägliche Bibellesung war unter der ersten Gruppe mehr als dreimal so hoch. An die leibliche Auferstehung Christi glauben nur etwa zwei Drittel der Kleriker und etwa die Hälfte der Laien aus kleiner werdenden Gemeinden. In den aufstrebenden Kirchen lag die Glaubenszustimmung bei 93, beziehungsweise 83 Prozent. 100 Prozent des Klerus der wachsenden Gemeinschaften glaubte an göttliche Wunder als Antwort auf das Gebet, während nur 44 Prozent aus den anderen Gemeinden dies bekannte.

Grundsätzlich werde das Gemeindewachstum bei Konservativen positiv durch deren klare Unterscheidung von richtig und falsch beeinflusst. "Das führt bei den Gläubigen zu größerer Selbstsicherheit und für Außenstehende wirkt das überzeugend. Selbstvertrauen gemischt mit einer Botschaft, die aufbauen, bestärkend oder grundsätzlich positiv ist, ist eine attraktive Kombination", erklärte Haskell. Der Forscher zeigte sich zugleich überzeugt, dass seine Ergebnisse für kontroverse Diskussionen sorgen werden. "Wenn Sie Mitglied einer evangelischen Volkskirche ['mainline church'] sind und diese am Aussterben ist, werden Sie nicht sehr glücklich darüber sein wenn Sie hören, dass es wahrscheinlich Ihre theologische Position ist, was sie tötet", sagte Haskell dem "Guardian".

Moderne Musik kommt besser an

Ein weiteres Merkmal der aufstrebenden Kirchen ist das niedrigere Durchschnittsalter ihrer Gemeindemitglieder: zwei Drittel sind unter 60 Jahren alt, während es in den kleiner werden Gemeinschaften umgekehrt ist. Die Studie habe zudem ergeben, dass besser besuchte Gottesdienste oft mit moderner Musik gestaltet wurden, während bei traditioneller Liturgie mit Orgel- und Chormusik die Teilnahme rückläufig ist.

Dies habe, so Haskell, mit der missionarischen Grundausrichtung aufstrebender Gemeinden zu tun. "Konservative Gläubige, die auf eine sehr wörtliche Schriftauslegung setzen, sind 'sicher', dass Menschen ihre Chance auf das Ewige Leben verpassen, wenn sie sich nicht zum Christentum bekehren." Ihre tiefe Überzeugung von der lebensverändernden Kraft des Glaubens motiviere sie, andere in die Kirche zu führen. "Der Wunsch, andere zu erreichen, führt bei konservativen Protestanten zur Bereitschaft, innovative Maßnahmen zu ergreifen, eingeschlossen Veränderungen am Stil und Inhalt ihrer Gottesdienste."

Für die Studie befragten die Wissenschaftler insgesamt 2.225 Gottesdienstteilnehmer und Kleriker in evangelischen Gemeinden in der südkanadischen Provinz Ontario. Zusätzlich führten sie mit 29 Klerikern und 195 weiteren Gläubigen qualitative Einzelgespräche durch. Die kompletten Ergebnisse sollen in der Dezemberausgabe der Fachzeitschrift "Review of Religious Research" veröffentlicht werden. (kim)

Linktipp: "Die katholischen Milieus sind weggebrochen"

Konservativ? Progressiv? Für Pater Karl Wallner, Rektor der Hochschule des Stifts Heiligenkreuz, sind das überholte Kategorien. Mit katholisch.de hat er über Berufungen und Priesterzahlen gesprochen. (Interview von Juli 2016)