Deutsche Schule in Istanbul darf nicht mehr auf Weihnachten eingehen

Behörden streichen Weihnachten vom Lehrplan

Veröffentlicht am 18.12.2016 um 10:50 Uhr – Lesedauer: 
Türkei

Istanbul ‐ Türkische Behörden haben einer deutschen Schule in Istanbul verboten, im Unterricht auf Weihnachten einzugehen. Unter den Lehrern wächst die Furcht vor einem zunehmend islamisch-konservativen Kurs.

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Die türkischen Behörden haben erstmals das Thema Weihnachten aus dem Unterricht an einer deutschen Schule in Istanbul verbannt. "Es gilt nach Mitteilung der türkischen Schulleitung eben, dass ab sofort nichts mehr über Weihnachtsbräuche und über das christliche Fest im Unterricht mitgeteilt, erarbeitet sowie gesungen wird", heißt es in einer E-Mail, die die Leitung der deutschen Abteilung des Istanbul Lisesi an das Kollegium schickte und die der dpa vorliegt. Auch die Teilnahme des Schulchors am traditionellen Weihnachtskonzert im deutschen Generalkonsulat am vergangenen Dienstag wurde von der türkischen Schulleitung kurzfristig unterbunden. Die Schule selbst dementierte am Sonntagabend, dass es ein Verbot gebe.

Bundesrepublik zahlt und entsendet Lehrpersonal

Die derzeit 35 deutschen Lehrer des Istanbul Lisesi werden von der Bundesrepublik entsandt und aus Steuermitteln bezahlt, was auf eine jährliche finanzielle Förderung in Millionenhöhe hinausläuft. Das traditionsreiche Elite-Gymnasium wird ausschließlich von türkischen Schülern besucht, ist aber eine anerkannte deutsche Auslandsschule. Grundlage ist ein Zusatzvertrag zum Kulturabkommen zwischen Deutschland und der Türkei, wonach Deutschland bis zu 80 deutsche Lehrer an bestimmte türkische Schulen entsendet. Das deutsche Kollegium an der Schule hat eine eigene Abteilungsleitung, die aber der türkischen Schulleitung untersteht.

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Kritiker werfen der AKP-Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan vor, traditionell säkular geprägte Schulen wie das Istanbul Lisesi zunehmend auf ihren islamisch-konservativen Kurs zu zwingen. Im deutschen Lehrerkollegium herrscht schon seit langem erhebliche Verunsicherung, was den Kurs der Elite-Schule betrifft. Diese Verunsicherung wurde durch die jüngste Anordnung zum Thema Weihnachten nun weiter verschärft. Neben dem Istanbul Lisesi gibt es in Istanbul noch ein deutsches Gymnasium, das Alman Lisesi. Dort sind außer türkischen auch deutsche Schülerinnen und Schüler.

Schule dementiert Verbot

Das Gymnasium dementierte am Sonntagabend, dass die türkische Schulleitung ein Weihnachts-Verbot erlassen habe. Das entspreche nicht der Wahrheit, hieß es in einer auf der Homepage der Schule veröffentlichten Mitteilung. Allerdings hätten die deutschen Lehrer im Unterricht "vor allem in den letzten Wochen Texte über Weihnachten und das Christentum auf eine Weise behandelt, die nicht im Lehrplan vorgesehen ist". Sie hätten dabei Aussagen gemacht, "die von außen betrachtet den Weg für Manipulationen freimachen".

Daraufhin habe die türkische Schulleitung "unverzüglich" ein Treffen mit der Leitung der deutschen Abteilung einberufen, heiß es weiter. Dabei seien die deutschen Lehrer aufgefordert worden, solche "Gerüchte" nicht zu befördern. Sie seien außerdem aufgefordert worden, im Sinne der "Zusammenarbeit der beiden Länder" Sensibilität zu zeigen.

Das türkische Bildungsministerium und die Leitung der deutschen Abteilung des Istanbul Lisesi - die der türkischen Schulleitung untergeordnet ist - äußerten sich auf Anfrage inhaltlich nicht zu der Anordnung. Ein Weihnachts-Verbot an der Schule dürfte nur schwerlich in Einklang mit dem Kulturabkommen zu bringen sein. Der Vertrag besagt in Artikel 12: "Die Vertragsparteien werden bemüht sein, sich gegenseitig dabei zu unterstützen, ihren Völkern die Kenntnis der Kulturgüter des anderen Landes zu vermitteln."

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Das "Weihnachtsverbot" rief am Sonntag Kritik von deutschen Politikern  hervor. Der CDU-Abgeordnete Heribert Hirte forderte in einer Stellungnahme auf Facebook die Rücknahme der Regierungsanordnung. "Das ist ein starkes Stück und nicht hinnehmbar", schrieb der Vorsitzende des Stephanuskreises der Unionsfraktion. Erst kürzlich habe der türkische Botschafter in Deutschland dem ökumenischen Gesprächskreis "schriftlich zugesichert, dass die Religionsfreiheit in der Türkei auch unter Notstandsrecht gewährleistet ist", so Hirte. Zu dieser Freiheit gehöre "es selbstverständlich auch, christliche Traditionen zu vermitteln oder christliche Weihnachtslieder zu singen! Weihnachten als Geburtsfest Jesu Christi ist essentiell für den christlichen Glauben."

Jung: Weihnachten gehört untrennbar zur deutschen Kultur

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Franz Josef Jung, erklärte: "Wenn die Bundesrepublik Deutschland die Lehrer an diesen Schulen finanziert, dann kann sie auch die Inhalte des Unterrichts bestimmen." Der religionspolitische Sprecher der Unionsfraktion äußerte sich in Berlin. "Weihnachten gehört untrennbar zur deutschen und zur christlichen Kultur", so Jung. Ein Verbot der Brauchtumspflege sei vor diesem Hintergrund "vollkommen inakzeptabel".

"Ein Verbot des Themas Weihnachten an Schulen ist nicht hinnehmbar, erst recht, wenn sie von Deutschland mitfinanziert werden", sagte der außenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Omid Nouripour, der Deutschen Presse-Agentur in Istanbul. "Die Bundesregierung muss dies Ankara gegenüber eindeutig klarmachen. Wenn die türkische Regierung darauf nicht eingeht, dann muss die Finanzierung für die Schule eingestellt werden." Nouripour kündigte eine Anfrage an die Bundesregierung zu dem Thema an. (kim/dpa/KNA)

18.12., 13:35 Uhr: Ergänzt um Stellungnahmen deutscher Politiker
18.12., 17:25 Uhr: Ergänzt um Dementi der Schule