Felix Neumann über die Rehabilitierung verurteilter Homosexueller

Achtung, Mitleid, Takt

Veröffentlicht am 23.03.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Felix Neumann über die Rehabilitierung verurteilter Homosexueller

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Das Bundeskabinett hat die Rehabilitierung der nach dem Strafrecht der Bundesrepublik und der DDR verurteilten Homosexuellen auf den Weg gebracht. Von der endgültigen Aufhebung des Paragraphen 175 StGB im Jahr 1994 (die DDR hatte ihre Rechtsprechung dazu noch früher liberalisiert) bis zur Rehabilitierung hat es lange gedauert; zu lange für viele der Verurteilten, die den Beschluss des Gesetzes nicht mehr erleben werden.

Dass es nun doch dazu kommt, ist gut. Auch, wer mit der Sexuallehre der katholischen Kirche gelebte Homosexualität nicht gutheißen kann, hat Grund, die Entscheidung zu begrüßen.

Eine religiöse Moral kann, darf und soll sich qualifiziert zu Grenzen und Geboten für die menschliche Sexualität äußern. Staatliches Recht dagegen hat die Freiheit aller zu sichern – auch derer, deren Verhalten bestimmten religiösen Moralvorstellungen nicht genügen. Grenze der Freiheit ist die Freiheit der anderen, nicht das sittliche Empfinden von Mehrheiten oder Minderheiten, ob es nun durch Religion oder Tradition motiviert ist. Maßstab des sexuell Erlaubten muss nach staatlichem Recht daher sein, was im Konsens der Beteiligten geschieht. Das Rehabilitierungsgesetz setzt das um und stellt sicher, dass von ihm nur Handlungen betroffen sind, die nach der heutigen Rechtslage nicht strafbar sind.

Der Katechismus der katholischen Kirche warnt davor, Homosexuelle "in irgendeiner Weise ungerecht zurückzusetzen", ihnen sei mit "Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen". Eigentlich sollte bereits aus dieser – nicht nur von Homosexuellen als unbefriedigend und paternalistisch empfundenen – Formulierung klar sein, dass eine strafrechtliche Verfolgung gelebter Homosexualität nicht im Interesse der Kirche steht und die moralische Bewertung von der rechtlichen Sanktionierung getrennt sein muss.

Leider zieht die Kirche hier nicht immer an einem Strang. Während der Heilige Stuhl sich bei den Vereinten Nationen gegen "diskriminierendes Strafrecht" ausspricht, die Bischofskonferenz in Uganda die Pläne der Todesstrafe für Homosexuelle verurteilt hat, oder jüngst ein australischer Priester erfolgreich gegen das letzte verbliebene "gay panic"-Gesetz gekämpft hat, stärken Bischofskonferenzen in Nigeria und Malawi dem Staat den Rücken bei Plänen zu drakonischer Kriminalisierung homosexueller Handlungen.

Das verdunkelt das Zeugnis der Kirche und ihren Einsatz für Menschenrechte weltweit: "Achtung, Mitleid und Takt" haben gerade die verdient, die wegen ihrer Homosexualität unter Strafverfolgung gelitten haben und immer noch leiden.

Von Felix Neumann

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.