Die ersten Jahrzehnte des Christentums

Wie die Christen zu ihrem Namen kamen

Veröffentlicht am 02.06.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Kirche

Bonn ‐ Das Pfingstereignis gilt als Geburtsstunde der Kirche. Es dauerte jedoch noch einige Jahre, bis die Gläubigen mit dem Namen "Christen" bezeichnet wurden und anfingen, ihn für sich selbst zu nutzen.

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Ihren Geburtstag gibt die Kirche gerne mit einem konkreten Datum an: 50 Tage nach der Auferstehung von Jesus Christus, als die Juden ihr Erntedank- und Wochenfest Schawuot feierten. Nachdem Jesus in den Himmel entrückt war, befanden sich alle Apostel und die Frauen am gleichen Ort, als das Pfingstwunder passierte. Sie – die sich bis dahin ängstlich verschlossen hatten – empfingen den Heiligen Geist, den er ihnen angekündigt hatte. Die Folge der Predigt, die Petrus daraufhin auf der Straße hielt: Laut Apostelgeschichte ließen sich etwa 3.000 Menschen taufen. Der Pfingsttag kann also den Beginn der missionarischen Kirche markieren. Aber noch verstanden sich die Christgläubigen als Juden und hießen nicht "Christen"

Juden zu sein bot den Anhängern Jesu Schutz

Es bot den Anhängern der neuen Religion einen gewissen Schutz, wenn sie in der Umwelt als Juden zu erkennen waren. Sie genossen die juristischen Privilegien, die das Römische Reich den Juden zugestand – und waren keine illegale Vereinigung, der jederzeit Ärger drohen könnte. Schließlich beriefen sie sich auf einen von römischen Autoritäten hingerichteten Verbrecher und huldigten nicht den römischen Göttern, die für das öffentliche Wohl zuständig waren.

Über den Köpfen von Maria und neun weiteren Jüngern und Jüngerinnen schweben kleine Flammen.
Bild: ©picture-alliance/akg-images

An Pfingsten wurden Maria und die Apostel mit der Kraft des Heiligen Geistes erfüllt. Unmittelbar danach begannen sie damit, die Frohe Botschaft weiterzugeben. Daher gilt das Pfingstfest als Geburtsstunde der Kirche.

Die Koppelung an jüdische Gemeinden im ganzen Römischen Reich erleichterte in den ersten Jahrzehnten nach dem Tod, der Auferstehung und der Himmelfahrt von Jesus Christus die Mission. Die Jünger sowie Männer und Frauen aller Schichten und Berufe verbreiteten die Frohe Botschaft zunächst in den jüdischen Gemeinden der Städte im Mittelmeerraum und Mesopotamien. Aber schon bald fanden auch Nichtjuden aus dem hellenistischen Kulturkreis zum Glauben. Es stellten sich praktische und theologische Fragen zu den neuen "Heidenchristen", die keinen Bezug zu den Bräuchen der "Judenchristen" hatten.

Paulus setzte sich für die Heidenmission ein

Als "wegweisend" für die Entwicklung zur Weltreligion bezeichnet der Luxemburgische Kirchenhistoriker Victor Conzemius den Apostel Paulus: Er habe die Heidenmission programmatisch durchgeführt und theologisch reflektiert, schreibt Conzemius im Lexikon für Theologie und Kirche (LThK). Aber auch Petrus trug seinen Teil dazu bei: Er hatte die Vision, dass Gott ihm dreimal zu Essen anbot, und zwar Speisen, die bei den Juden als unrein galten, wie "Vierfüßler, Kriechtiere der Erde und Vögel des Himmels" (Apg 10). Direkt im Anschluss traf Petrus den römischen Hauptmann Kornelius, über den der Heilige Geist kam und den Petrus daraufhin taufen ließ.

Auf den Zeitraum zwischen den Jahren 44 und 49 schätzt man das Datum, an dem die offenen Fragen bezüglich der nichtjüdischen Jesusgläubigen geklärt wurden. Immer wieder hieß es, dass unbeschnittene Männer nicht gerettet werden könnten – also "Heidenchristen" wie etwa Paulus' Begleiter Titus. Auf dem Jerusalemer Apostelkonzil (Apg 15) trafen die Ältesten, Apostel und die gesamte Urgemeinde dann wichtige Entscheidungen zur Heidenmission. Die Position des Paulus wurde angenommen: "Heidenchristen" mussten sich nicht den jüdischen Vorschriften unterwerfen – sondern nur auf den Verzehr von Ersticktem, Blut und Götzenopferfleisch verzichten sowie auf Unzucht. Die Versammlung gilt als erste Synode der Kirche und als Geburtsstunde des Christentums als Weltreligion.

Linktipp: Kirchengeschichte des Altertums

Die Geschichte des Christentums als Weltreligion beginnt mit dem Jerusalemer Apostelkonvent von 48/49 und führt uns bis an den Rand des Mittelalters. (Artikel vom September 2013)

Eine der ältesten Gemeinden, in denen es sowohl jüdische wie nichtjüdische Jesusanhänger gab, war Antiochia im antiken Syrien – heute Antakya in der Türkei. "In Antiochia nannte man die Jünger zum ersten Mal Christen," heißt es in der Apostelgeschichte (11,26) lapidar. "Christianoi" steht im altgriechischen Original, also Christianer oder Christusanhänger. Manchmal heißt es, dass diese Bezeichnung von dem heiligen Evodius oder Euodius stammt, der zu dieser Zeit – ungefähr 49 nach Christus – der zweite Bischof von Antiochia gewesen sein soll. Demnach war Petrus während einer längeren Anwesenheit der erste Bischof der Stadt; er machte Evodius zu seinem Nachfolger als er weiterzog. Das Patriarchat von Antiochia – heute beanspruchen es mehrere christliche Kirchen für sich – beruft sich bis heute auf eine Gründung durch Petrus.

Auf Petrus folgte Evodius

Vieles spricht allerdings gegen diese Theorie: Im Neuen Testament steht nichts darüber. Vielmehr ist Antiochia der Ort, an dem Paulus und nicht Petrus ein Jahr lang blieb und lehrte (Apg 13) und es kam an dem Ort zu einem Konflikt der beiden, von dem Paulus im Galaterbrief berichtet (Gal 2). Petrus habe zunächst die Taufe der Nichtjuden anerkannt, sei aber nach Kritik aus Jerusalem von ihnen zurückgewichen und dafür von Paulus gerügt und an das Apostelkonzil erinnert worden. Dass Evodius auf Petrus folgte, stammt aus der späteren Feder der Kirchenväter Eusebius von Caeserea (260/264 bis 339/340) und Ignatius von Antiochien (2. Jh. n. Chr.).

Aber auch, dass Evodius den Namen Christen "erfand", wird bezweifelt – aus einem einfachen Grund: Da die Bezeichnung bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts selten bleibt, liege die Vermutung nahe, dass die Anhänger von Jesus Christus zunächst von außen als Christen bezeichnet wurden, bevor sie sich selbst so nannten, so der Bonner Theologe Karl-Heinz Menke im LThK. Der Name wurde erst später als geeignete Selbstbezeichnung übernommen und setzte sich dann schnell durch. "Weil es unmöglich ist, den Christennamen abzuleugnen, ohne damit Christus selbst zu verleugnen, wurde die Selbstbezechnung 'Christ' zum Bewährungskriterium in der Verfolgung."

Von Agathe Lukassek