Wie Fundamentalisten die US-Kirche bedrängen

Alt-Right auf katholisch

Veröffentlicht am 19.09.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
USA

Bonn ‐ Die katholische Kirche in den USA hat ein Problem mit Fundamentalisten. Ein aktueller Skandal um den Jesuiten James Martin zeigt nun: Der Hass aus den Sozialen Netzwerken hat Folgen – auch offline.

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Die US-Kirche kämpft mit ihrem rechten Rand. Ein bedenklicher Höhepunkt der Auseinandersetzung mit fundamentalistischen Katholiken ereignete sich am Wochenende: Die Katholische Universität in Washington, eine renommierte Einrichtung der katholischen Bischöfe, lud den Jesuiten James Martin von einem Vortrag aus. Der auch im Ausland bekannte Buchautor sollte am hauseigenen Priesterseminar sprechen. Anlass für die Rücknahme der Einladung waren die Reaktionen auf dessen Buch "Building a Bridge" über den Umgang der Kirche mit Homosexuellen. Längst nicht überall fielen die Rückmeldungen so positiv aus wie etwa bei Kurienkardinal Kevin Farrell im Vatikan. Besonders in den Sozialen Netzwerken wird seither übel gegen den Jesuiten geätzt.

Papstvertrauter sieht sich bestätigt

Als Martin die Ausladung öffentlich machte, war die Betroffenheit unter seinen Unterstützern groß. Ordensbruder und Papstvertrauter Antonio Spadaro erklärte: "Ein weiterer Beweis, dass unser Artikel über Fundamentalismus relevant ist." Der Italiener bezog sich damit auf einen vielbeachteten Artikel aus der Jesuitenzeitschrift "Civiltà Cattolica" aus dem Sommer, der auch in der Vatikanzeitung "Osservatore Romano" abgedruckt wurde. Darin hatten Spadaro und ein protestantischer Kollege eine "überraschende Ökumene" zwischen evangelikalen und katholischen Fundamentalisten in den USA diagnostiziert.

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Im aktuellen Fall von James Martin dürften dabei Evangelikale kaum eine Rolle gespielt haben. Vielmehr waren es innerkatholische Gegner des Jesuiten, die seinen Auftritt verhinderten. Er selbst nannte in einem Facebook-Post die vermeintlichen Köpfe der Kampagne gegen ihn: Das selbsternannte Evangelisierungsportal "Church Militant", die Nachrichtenseite "Lifesite News" und den Blogger John Zuhlsdorf, bekannt als "Father Z". Der Priester ist vor allem als Unterstützer der tridentinischen Liturgie bekannt, während "Lifesite" einen Fokus auf den Lebensschutz legt und als Hauspostille des US-Kardinals Raymond Leo Burke fungiert. Beide Publikationen machen keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegen Martin und dessen Haltung gegenüber Homosexuellen.

Bei "Church Militant" und dessen Gründer und Leiter Michael Voris kann keine Rede mehr von Abneigung sein. Was dort zu lesen ist, kann besser unter dem Stichwort Hate-Speech zusammengefasst werden. In einem dutzende Tweets umfassenden Sturm der Entrüstung wetterte Voris am Samstag gegen Martin, dieser sei ein "Sodomie verbreitender Häretiker der den Glauben für seine eigene Verdorbenheit pervertiert". Die vom Jesuiten vorgeschlagenen Brücken führten geradewegs in die Hölle und sollten eingerissen werden. Voris wandte sich auch direkt an Martin: "Eines Tages, Vater, werden Sie zur Rechenschaft gezogen werden für all ihre Betrügereien. Tun Sie Buße. Oder Gnade ihnen Gott."

Uni reagiert auf negative Rückmeldungen auf Social Media

Wie sich nun zeigte, entfalten derlei Tiraden nicht nur in den Sozialen Netzwerken Wirkung. Das Seminar habe seit der Veröffentlichung von Martins Buch "zunehmend negative Rückmeldung von diversen Social-Media-Seiten" erhalten, was schließlich zur Absage des Vortrags geführt habe, teilte die Katholische Universität mit. Zuvor habe es sowohl interne Gespräche wie auch mit den Beratern der Erzdiözese Washington gegeben. Deren Erzbischof, Kardinal Donald Wuerl, ist Kanzler der Universität. Im Stiftungsrat sitzen zudem zahlreiche weitere Bischöfe und Kardinäle, darunter der Vorsitzende der US-Bischofskonferenz, Kardinal Daniel DiNardo, und der Bostoner Erzbischof und Papstberater, Kardinal Sean O'Malley.

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Fast könnte man meinen, hier sei die Führungsspitze der katholischen Kirche in den USA vor schäumenden Twitter-Usern in die Knie gegangen. Allerdings scheint der Einfluss der Fundamentalisten und Extremisten auf die US-Kirche mittlerweile deutlich größer zu sein. Dafür spricht etwa, dass der aktuellen Fall nicht der erste abgesagte Vortrag von James Martin ist: Bereits Ende August wurde der Jesuit ausgeladen, anlässlich einer Investiturfeier der Grabesritter in New York zu sprechen. Auch damals hatten rechte Medien wie "Church Militant" entsprechend Stimmung gemacht.

Doppeldeutiger Name

Das Portal, das seit fast einem Jahrzehnt in wechselnder Form online ist, gehört zu den bekanntesten Schnittpunkten zwischen der politischen Rechten und strenggläubigen Katholiken. Der Name ist die englische Übersetzung der "ecclesia militans", der streitenden Kirche. Zugleich spielen die Betreiber sehr bewusst mit der Doppeldeutigkeit: Als "militante Kirche" werben sie Spenden für die "Vorbereitung auf den Krieg" ein oder rufen zur Teilnahme an ihrer "Widerstandsbewegung" auf.

Aus ihrer politischen Position machen Voris und Kollegen kein Geheimnis. Vor Jahren sorgte der Gründer mit einem Video für Aufsehen, in dem er die Demokratie als unkatholisch zurückwies; die einzig richtige Regierungsform sei eine "wohlwollende Diktatur" unter einem katholischen Monarchen. Beobachter stufen "Church Militant" als schwulenfeindlich, frauenfeindlich, islamfeindlich und antiliberal ein. Nicht zuletzt wurde Voris und Steve Bannon in den vergangenen Monaten häufig eine inhaltliche Nähe zugeschrieben. Der ehemalige Chef-Stratege von US-Präsident Donald Trump und rechte Publizist Bannon beziehe sich etwa wiederholt auf das Bild der "streitenden Kirche".

Linktipp: "LGBT-Katholiken fühlen sich unglaublich verletzt"

Vom Papst hat James Martin noch nichts gehört, dafür gab es Lob von Kardinälen: Mit seinem neuen Buch will der US-Jesuit Brücken zwischen der Kirche und katholischen Homosexuellen bauen. (Interview vom Juli 2017)

Umgekehrt übernehmen Wortführer wie Voris Wortwahl und Argumentation der politischen "Alt-Right-Bewegung". So wird ein Kampf gegen den "Mainstream" propagiert, das eigene Denken als avantgardistisch und rational dargestellt. Zudem ist für Gläubige wie Voris klar, dass es nur einen Weg zum Heil und damit keine differierenden Meinungen in der Kirche geben kann. Selbst die Bezeichnung als "linke Katholiken" lässt er nicht zu. Voris spricht von "Häretikern" oder "Dissidenten" und macht sich damit die Sprache diktatorischer politischer Regime zu eigen.

Wie mit katholischen Hassern umgehen?

Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass solche Geisteshaltungen tatsächlich eine nennenswerte Relevanz in der institutionellen Kirche entfalten können. Die Leitung von Martins Verlag "America" stellte sich in einer Mitteilung am Wochenende klar hinter ihren Autor. Und auch die US-Jesuitenprovinz positionierte sich, wenn auch weniger offensiv. Sie bezeichnete "Building a Bridge" als eine "wichtige Publikation", die von der Ordensleitung abgesegnet sei.

Auch Weihbischof Robert McElroy aus San Francisco stellte sich Anfang der Woche hinter Martin. Dessen Buch sei wichtig und ernst und dadurch auch kritisierbar. Doch die Entrüstungsstürme seien keine legitime Kritik, sondern eine "konzertierte Attacke" gegen den Autor, Ausdruck eines "Krebs der Schmähungen", der in kirchlichen Institutionen wuchere. Für McElroy hätten sich die Einrichtungen durch die Absagen der Vorträge Martins sich einen falschen Frieden erkauft. Die Angriffe auf "Building a Bridge" müssten ein Weckruf für alle Katholiken sein, die eigene Bigotterie wahrzunehme, so der Bischof.

Doch auch wenn sie etwa unter den Bischöfen keine Zustimmung finden: Millionenfach geteilte Blog-Posts, Tweets oder Youtube-Videos reichen offensichtlich aus, um Einfluss auf bischöfliche Einrichtungen wie eine Katholische Universität zu nehmen. Noch haben die US-Bischöfe sich zu dem Fall nicht geäußert. Und das, obwohl er direkt an ihr Amtsverständnis rühre, wie James Martin sagt: Schließlich sei die Ausladung eines Redners von einer kirchlichen Einrichtung etwas, das höchstens in den Einflussbereich eines Bischofs gehöre. Darüber hinaus müssten sich jedoch nicht nur die Bischöfe, sondern die ganze Kirche eine Frage stellen: "Wie gehen wir mit Katholiken um, die hassen?"

19.09., 9:20 Uhr: Ergänzt um die Stellungnahme von Bischof McElroy

Von Kilian Martin

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