Europäischer Gerichtshof: EU-Staaten dürfen Zuwanderern Sozialleistungen verweigern

Kein Widerspruch

Veröffentlicht am 12.11.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Soziales

Bonn ‐ Deutschland kann Zuwanderern aus anderen EU-Staaten unter bestimmten Bedingungen Hartz IV verweigern. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag in Luxemburg entschieden. Damit sei jedoch lediglich "eine Rechtsauffassung bestätigt worden, die konstitutiv für die EU ist", ordnet Jörg Althammer, Professor für Wirtschafts- und Unternehmensethik an der Katholischen Universität Eichstätt, das Urteil für katholisch.de ein.

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Durch die Entscheidung des EuGH sei es auch künftig unwahrscheinlich, dass Sozialleistungen allein einen Staat für Migranten attraktiv machten und sie ausschließlich deshalb dorthin zögen, erklärt Althammer. Ein sogenannter Sozialtourismus werde zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, aber größtenteils verhindert. Aufnahmestaaten sind nach aktueller Rechtslage in den ersten drei Monaten nach der Ankunft nicht verpflichtet, Sozialhilfe zu gewähren.

Die Richter werteten die in Deutschland praktizierte Regelung als rechtens, Staatsangehörige anderer EU-Staaten, die gemäß der Unionsbürgerrichtlinie kein Aufenthaltsrecht genießen, vom Bezug bestimmter "besonderer beitragsunabhängiger Geldleistungen" auszuschließen. Die Betroffenen könnten sich deswegen auch nicht auf das Diskriminierungsverbot berufen und auf Gleichbehandlung klagen.

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Kein Fall von Diskriminierung

Auch Althammer sieht hier keinen Fall von Diskriminierung. Grundvoraussetzung für den Empfang der Sozialleistungen sei es immer, dass man den Arbeitswillen erkennen könne. "Auch ein deutscher Staatsbürger, der ALG-II-Leistungen beansprucht, muss seine Arbeitsleistung verpflichtend anbieten", sagt er. Nicht geurteilt hatte der EuGH allerdings darüber, in welcher Form Zuwanderern Sozialleistungen zustehen, wenn der Arbeitswille erkennbar ist.

Der Luxemburger Entscheidung lag ein Rechtsstreit zwischen der Rumänin Elisabeta Dano und ihrem Sohn Florin auf der einen Seite und dem Jobcenter Leipzig auf der anderen Seite zugrunde. Die rumänische Staatsbürgerin, die seit 2010 in Deutschland bei ihrer Schwester lebt und sich den Angaben zufolge noch nie auf Arbeitssuche begeben hat, wollte Leistungen der Grundsicherung beantragen. Das Jobcenter verweigerte ihr dies.

Dass die Entscheidung durchaus auch mit der katholischen Soziallehre korrespondiert, liegt für Althammer auf der Hand. Demnach gehe es auch bei dieser Entscheidung zunächst um das Prinzip von Personalität und Subsidiarität, sagt er. Heißt: Zunächst ist jeder selbst für sich verantwortlich, bevor er Anspruch auf Fremdhilfe hat. Die Maßnahmen seien außerdem notwendig, damit der Sozialstaat auf Dauer leistungsfähig ist.

Einen Widerspruch zur christlichen Barmherzigkeit kann der Wirtschaftsethiker nicht entdecken. "Unser Sozialstaat ist ja sozusagen die institutionelle Barmherzigkeit." Schutzmaßnahmen seien daher dringend nötig, um auf Dauer nicht die Leistungen für alle Menschen absenken zu müssen. Andererseits sei die Migration von Arbeitskräften durchaus gewünscht, da Deutschland auf sie angewiesen sei, erklärt Althammer. Deshalb würde die Arbeitnehmerfreizügigkeit in Europa auch gefördert. "Die Arbeitnehmer müssen jedoch dort beschäftigt werden, wo ihre Qualifikation am meisten nachgefragt wird."

Die Diakonie, die Dano gemeinsam mit dem Deutschen Anwaltverein und dem Paritätischen Wohlfahrtsverband bei ihrem Antrag unterstützt hatte, äußerte sich dagegen enttäuscht. "Wir bedauern die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes sehr", so Maria Loheide, Vorstandsmitglied der Diakonie Deutschland. "Es ist schade, dass der EuGH den Freizügigkeitsregelungen und dem Interesse der Mitgliedstaaten mehr Bedeutung beimisst als dem europarechtlichen Gleichbehandlungsanspruch, der auch bei Sozialleistungen gilt." (mit Material von KNA)

Von Björn Odendahl