Katholisch.de blickt auf besondere Schicksale des Jahres 2014 zurück

Was wurde eigentlich aus...

Veröffentlicht am 30.12.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Rückblick

Bonn ‐ Die Rückschau gehört zum Jahresende, wie die Böller zur Silvesternacht. Viele Menschen denken daran, was sie im zu Ende gehenden Jahr bewegt hat, worüber sie gelacht haben oder was ihnen Sorgen bereitet hat. Welche Ereignisse prägten die vergangenen Monate? Welche Begegnungen waren wichtig? Katholisch.de hat einige Geschichten noch einmal aufgegriffen, die unsere Leser besonders berührt haben.

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Hübsche junge Frau mit kurzen blonden Haaren steht an einem Strand.
Bild: ©Privat

Anne (24) aus Köln-Worringen.

Die Nadel im Heuhaufen

Vor etwas mehr als einem Jahr berichteten wir über Anne Kramer , eine junge Mutter aus dem Kölner Norden, die scheinbar unheilbar an Leukämie erkrankt war. Fünf Monate gaben ihr die Ärzte noch, die einzige Hoffnung blieb eine Stammzellenspende. Eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen... Und doch war sie erfolgreich. Die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS) fand den genetischen Zwilling der jungen Frau. Anne erlebte den Frühling und durfte vor kurzem ihren "neuen ersten Geburtstag" feiern.

In einem offenen Brief erzählt sie von ihrem Weg aus der Krankheit. Von der schweren Zeit der Quarantäne, als sie ihren kleinen Sohn Taylor wochenlang nicht sehen durfte, und von dem Glück, als sie ihn das erste Mal wieder traf: "Ich durfte endlich die Station verlassen und an die frische Luft. Die Ärzte hatten mir von jedem Körperkontakt abgeraten, damit ich mich nicht anstecke. Als ich aber nach diesen langen Wochen meinen Sohn dort stehen sah, war mir das alles egal. Ich wollte ihn einfach nur in meine Arme schließen."

Ihr Weg zurück zu einem normalen Alltag ist lang. Monatelang darf Anne nur mit Mundschutz in die Öffentlichkeit und nur speziell zubereitetes Essen zu sich nehmen. Noch heute ist die Gefahr einer Infektion sehr hoch, so dass sie nicht mit Bus und Bahn fahren darf. Nach und nach kämpft sich Anne ins Leben zurück. Geht zunächst nur mit Mundschutz einkaufen, lernt mühsam wieder Treppenlaufen und freut sich wie ein Kind, als sie zum ersten Mal wieder auswärts essen darf.

Heute überwiegt die Dankbarkeit für alles, was ihr wiederfahren ist. Ihr Dank geht an ihren genetischen Zwilling, der ihr ein zweites Leben geschenkt hat, und an die DKMS, die das erst möglich gemacht hat. Er geht an Freunde, Familie und die Gemeinde, die sich so für sie eingesetzt hat. Allen voran aber dankt Anne ihrem Freund und ihrem Sohn. Am Ende ihres Briefes schreibt sie: "Ein Lachen von dir, Taylor, und alles ist vergessen. Dann weiß ich, wofür sich der Kampf gelohnt hat. Ihr seid alle wundervolle Menschen."

Bild: ©privat

Familie Almoril.

"Wir haben Berge versetzt"

Niemals aufzugeben ist auch die Devise der Familie Almoril , deren außergewöhnliche Geschichte wir in unserer Januar-Serie zum Thema Nächstenliebe erzählten. Miguel und Yuliya stehen kurz vor der Hochzeit, das erste Kind ist unterwegs, als Yuliya einen schweren Autounfall erleidet. Mit schwersten Hirnverletzungen liegt sie im Koma. Die Prognose der Ärzte ist niederschmetternd: Yuliya wird wahrscheinlich nicht überleben und wenn, wird sie nie wieder laufen können. Auch für das ungeborene Baby stehen die Chancen schlecht.

Drei Tage braucht Miguel Almoril, um den Schock zu verdauen und sich auf die neue Situation einzustellen. Dann beginnt er zu kämpfen, für seine Frau und für sein Kind und gegen jede Prognose. Er sagt den Ärzten auf der neurologischen Station: "Yuliya wird wieder laufen und wir werden ein gesundes Kind haben und dann kommen wir hier durch diese Tür, um Euch zu danken." Fünf Jahre später, am 16. November 2014, löst er genau dieses Versprechen ein. Die Ärzte sprechen von einem Wunder.

Die kleine Lena ist heute vier Jahre alt. Ein gesundes, hübsches und sehr aufgewecktes Mädchen. "Sie ist so clever wie ihre Mutter", sagt Miguel stolz. Im Wachkoma liegend hatte Yuliya sie im siebten Monat zur Welt gebracht. Eine Woche später war sie aufgewacht. Ein gutes Jahr nach dem Unfall durfte Miguel seine Frau im Rollstuhl mit nach Hause nehmen. Seither hat sich viel getan.

Das ganze Haus wird derzeit mit Handläufen ausgestattet, denn Yuliya kann mit Unterstützung wieder gehen. Jahrelang hat sie auf einem speziellen Laufband im Keller trainiert, ihr Mann Miguel steuerte den eisernen Willen bei und brachte sie regelmäßig über ihre Grenzen hinaus. Der Triathlet weiß: "Wenn du etwas erreichen willst, musst du dahin gehen, wo es weh tut." Der Erfolg gibt ihm Recht. "Ich will den Rollstuhl hier nicht länger sehen", sagt er. "Yuliya soll sich im Haus frei bewegen können."

Auch geistig habe sie einen großen Schritt nach vorne gemacht. "Sie reagiert viel schneller, wenn ich mit ihr spreche und hier und da kommt wieder die alte Yuliya durch", freut sich Miguel. Viele Meilensteine haben die Almorils schon geschafft. Mit keinem hätte ihr Umfeld je gerechnet. Es ist anstrengend, es ist mühsam, aber Miguel hat gelernt, dass viele kleine Schritte schlussendlich einen großen bilden. "Wir haben Berge versetzt und wir werden es weiterhin tun."

Bild: ©Gaby Gerster

Daniel Meyer und Lars Amend.

Ein bescheuertes Herz

Von einer besonderen Beziehung zwischen einem Berliner Schriftsteller und einem Jungen aus Hamburg erzählten wir am Tag der Freundschaft im Juli. Lars Amend ist erfolgreicher Autor, Musikredakteur und mit vielen Stars per du. Trotzdem steckt er im Sommer 2012 in einer Midlife-Crisis. Daniel Meyer ist damals 15 und so schwer herzkrank, dass jeder Tag sein letzter sein könnte. Tagsüber ist er im Kinderhospiz, den Rest der Zeit verbringt er zu Hause in seinem Kinderzimmer - ohne Freunde, ohne Perspektive.

Als Lars von seinem Schicksal hört, packt er seine Sachen und fährt spontan nach Hamburg. Die beiden begegnen sich und es passiert etwas, das Lars als "Liebe auf den ersten Blick" beschreibt. Immer wieder verbringt der 34-Jähige nun einige Tage an der Alster, um Daniels letzte Wünsche zu erfüllen. Sie fahren in einer Limousine, sprechen Mädchen an, rauchen eine Zigarette oder übernachten im Luxushotel. Sie fühlen sich wie Brüder und genießen es, jeden Moment mit dem anderen auszukosten.

Inzwischen haben die beiden ihre Geschichte in ihrem Buch "Dieses bescheuerte Herz" verarbeitet. Daniel geht es heute den Umständen entsprechend gut. Seine Sauerstoffwerte verschlechtern sich immer noch, auch die Dosis der Betablocker ist wieder einmal erhöht worden. Aber: "Er hat in den letzten Monaten einen riesigen Sprung in seiner Persönlichkeitsentwicklung gemacht und er nimmt aktiv am Leben teil", erzählt Lars Amend.

Die beiden Freunde besuchen sich nach wie vor regelmäßig, reden über Mädchen, fahren ins Einkaufszentrum, gehen ins Kino oder auf den Weihnachtsmarkt und treffen sich mit Freunden. "Wir versuchen einfach ganz normale Dinge zu tun", sagt Lars. Was Daniel seit einiger Zeit besonderen Auftrieb gibt, ist seine erste Freundin und Lars freut sich sehr: "Gegen die Liebe hat selbst eine unheilbare Krankheit keine Chance. Es ist unglaublich schön, das zu beobachten."

Arleja und Aisel, zwei von den drei Kindern der Familie Gashi.
Bild: ©Privat

Der Nachwuchs der Familie Gashi: Arleja und Aisel sind zwei der drei Kinder.

Vom Mentee zur Mentorin

Um eine besondere Freundschaft geht es auch in unserer vierten Geschichte - wenn auch auf ganz andere Weise. So berichteten wir im Sommer über die Familie Gashi* , die aus Albanien flüchten musste und in Köln ihren Flüchtlingsmentor Klaus Kirschbaum traf. Nachdem Wahlbeobachter Arian Gashi* 2013 in seiner Heimat einen Wahlbetrug öffentlich gemacht hatte, waren er und seine Familie immer stärkeren Bedrohungen ausgesetzt, so dass sie vor gut einem Jahr fliehen mussten.

Sie entschieden sich für Deutschland, da Arians Frau Sara* Deutsch studiert hat und die Sprache fließend spricht. Nach ihrer Ankunft folgte das übliche Verfahren: Asylantrag, Ablehnung, Klage gegen die Ablehnung, Warten auf das Gerichtsverfahren im kommenden Jahr. "98 Prozent der Fälle verlaufen so", hat Klaus Kirschbaum gelernt. Er ist einer von 25 neuen Flüchtlingsmentoren der Stadt, hilft den Gashis beim Asylverfahren und begleitet sie durch den Behördendschungel und ist drüber vom Berater zu einem echten Freund geworden.

Die Familie lebt nach wie vor geduldet mit vielen anderen Flüchtlingsfamilien in einem umgebauten Hotel in Köln. Die große Tochter geht zur Grundschule und hat sich schon gut eingelebt. Deutsch spricht sie mittlerweile ohne Akzent. Ihre jüngere Schwester geht in den Kindergarten und auch für den Jüngsten ist ein Antrag gestellt. Vater Arian absolviert derweil einen Deutschkurs nach dem anderen und wird demnächst dabei helfen, einen ehemaligen Baumarkt in ein weiteres Flüchtlingswohnheim umzubauen.

Sara steht unterdessen unruhig in den Startlöchern und will endlich wieder arbeiten. Die Suche nach einer Dolmetscher-Stelle gestaltet sich jedoch schwierig. Dafür wirkt sie nun ihrerseits ehrenamtlich als Dolmetscherin am Mentoren-Programm des Kölner Flüchtlingsrates mit. In diesen Wochen wechselt sie die Seiten und wird zusammen mit Klaus einer neuen Flüchtlingsfamilie aus Albanien die ersten Schritte in der Stadt erleichtern. Ein Schritt der sie mit großen Stolz erfüllt.

Auch wenn aller Anfang schwer ist: Albanien zu verlassen, hat sich für die Familie Gashi als richtiger Schritt erwiesen. Ein weiterer Wahlbeobachter sitzt dort mittlerweile im Gefängnis.

*) Namen von der Redaktion geändert

Von Janina Mogendorf