Rummelpott, Raunächte und Bohnenkönige

Punkt 12 Uhr in der Neujahrsnacht: In manchen Gegenden Deutschlands blasen auch heute noch Posaunenchöre vom Kirchturm. Und überall wird das neue Jahr vom der Kirchenglocken begrüßt. Mancherorts ziehen auch Kinder oder Jugendliche am Silvester- oder Neujahrsmorgen singend von Haus zu Haus. Wurden früher Lebensmittel gespendet, sind es heute kleine Geldbeträge. Vor allem in Norddeutschland liefen die Kinder am Silvester- oder Neujahrstag durch die Nachbarschaft und machten mit dem "Rummelpott" Lärm. Dieser war ein Keramiktopf, der mit einer Schweinsblase oder einen Stück Leder überzogen war. Durch ein Loch in der Mitte wurde ein Stock gesteckt, der beim Rein- und Rausziehen tüchtig Lärm machte.
Böse Geister vertreiben
Die Menschen glaubten früher, es sei gefährlich, zwischen dem alten und neuen Jahr allein zu sein. Denn es würden sich in der Naht allerlei böse Geister herumtreiben. In Gemeinschaft mit anderen sei man jedoch geschützt – vor allem, wenn zum Jahreswechsel tüchtig geknallt und gepoltert würde. An böse Geister glaubt niemand mehr so wirklich, das Knallen jedoch ist immer noch brand-aktuell. Von den zahlreichen Feuerwerken ringsum verfärbt sich der Himmel in der Neujahresnacht bunt. Menschen treffen sich vor ihren Häusern, bewundern das laute Lichterspektakel und wünschen sich ein frohes neues Jahr. Den Neujahrstag sollte man übrigens frisch gewaschen und sauber angezogen beginnen: So lernten die Kleinen früher von den Großen. Dem Wasser sagte man nämlich magische Zauberkräfte nach. Es sollte vor bösen Mächten schützen.
Was an Neujahr Glück bringt
Wer früher an Neujahr eingeladen war, brachte traditionsgemäß etwas Selbstgebackenes mit – einen Hefekranz oder eine Neujahrsbrezel. Auch Kinder erhielten von ihren Paten Neujahrsgebäck. Es sollte zum einen Glück bringen, zum anderen Zeichen gegenseitiger Verbundenheit sein. Bauernfamilien verfütterten einen Teil des übrig gebliebenen Neujahrsgebäcks an das Vieh. Dies diene, glaubten die Menschen früher, der Gesundheit und Fruchtbarkeit der Tiere, steigere so ihren Nutzwert und bringe dem Bauern Wohlstand. Ein Teil der Reste wurde getrocknet, zerkleinert und im Frühjahr mit dem Saatgut auf den Feldern verteilt – in der Hoffnung auf eine reiche Ernte. Als Glückssymbole gelten auch vierblättriges Kleeblatt, Glückspfennig (Cent), Fliegenpilz, Schornsteinfeger, Hufeisen und Schwein.
Das vierblättrige Kleeblatt ist sehr selten. Es soll deshalb Seltenes vermehren und Reichtum bringen. Der Glückspfennig (Cent) muss blank poliert sein. Nur dann soll er weiteres Geld anziehen. Der Fliegenpilz wehrt nach altem Aberglauben Dämonen ab. Der Schornsteinfeger, so glaubte man früher, vertreibe beim Kehren böse Geister, die sich im Rauch des Kamins verbergen. Eisen soll immer schon vor bösem Zauber geschützt haben. Die einen hängen das Hufeisen mit der Öffnung nach oben auf, damit das Glück hineinfallen kann. Nach altem Bauernglauben aber soll es genau umgekehrt aufgehängt werden, damit das Glück auf Haus und Hof umgeleitet wird – und so der Familie automatisch Wohlstand und Glück beschert. Das Glücksschwein wird oft mit dem wilden Eber, dem heiligen Opfertier der Germanen, in Verbindung gebracht. Sie opferten des dem Göttervater Odin, damit er sie mit seinem leicht aufbrausendem Zorn verschone. Heute wird es an Neujahr oft als Marzipanschweinchen verschenkt.
Als Glücksbringer gelten unter anderem Marienkäfer, vierblättrige Kleeblätter und Hufeisen.
Steht eine Hochzeit an?
Vor allem junge Leute befragten an Neujahr gern das Orakel, etwa beim Schuhwerfen: Mädchen und Burschen setzten sich mit dem Rücken gegen eine geöffnete Stubentür und schleuderten den Schuh mit dem Fuß über den Kopf. Zeigte er mit der Spitze ins Zimmer, blieb der Schuhbesitzer auch im neuen Jahr noch zu Hause. Anders herum bedeutete dies, dass er in die Fremde ziehen oder heiraten würde. Auch Hochzeitsorakel waren an Neujahr beliebt. Die Mädchen banden einen Goldring an ein ausgerissenes Haar und hielten ihn in ein leeres Glas. Dann wurde gezählt, wie oft der Ring ans Glas schlug. Denn so viele Jahre musste das Mädchen noch bis zu seiner Hochzeit warten.
Die wilden Raunächte
Raunächte oder die Zwölften hieß früher die Zeit von Weihnachten bis zum Dreikönigstag. Unsere Vorfahren fürchteten sie sehr. Denn nach altem Volksglauben brauste die wilde Jagd in den Raunächten durch die Lüfte. Diese wurde angeführt vom germanischen Göttervater Odin, der von seinem Gefolge – verstorbene, nicht erlöste Seelen und wilde Gesellen des kleinen Volkes – begleitet wurde. Sie zogen in den Raunächten durch die Lande, um die Menschen zu prüfen und gegebenenfalls zu bestrafen. Das Tor zur Anderswelt sei in dieser Zeit geöffnet, erzählten unsere heidnischen Vorväter. Den Namen Rau- oder Rauchnächte leiteten die Menschen aber auch von den dichten Nebeln und starken Stürmen in dieser Zeit ab. Kräuter wie Bilsenkraut, Salbei, Holunderrinde oder Fichtenharz wurden geräuchert. Dies diente zur Reinigung von Haus und Hof und sollte Dämonen fernhalten. Die Zeit war zu Recht gefürchtet. Denn in den langen und kalten Wintermonaten zogen oft Räuber und feindliche Heere durchs Land, plünderten, brandschatzten und zerstörten ganze Dörfer. Allerlei Brauchtum rankt sich um die rauen Nächte. Heilkräuter, so sagte man, sollten in diesen Tagen ihre größte Wirkungskraft haben. Das Wäschewaschen während dieser Zeit aber bringe Unglück.
Legenden um die Dreikönigsnacht
Das Fest der Erscheinung des Herrn am 6. Januar wird auch Dreikönigstag genannt. Er erinnert an die drei Weisen aus dem Morgenland. Kaspar, Melchior und Balthasar, so erzählt es die Legende, sollen von weit her nach Betlehem gewandert sein. Sie gelten als Schutzpatrone der Reisenden. Typisch sind deshalb Wirtshausnamen wie "Zum Mohren", "Zur Krone" oder "Zum Stern". Kaiser Friedrich Barbarossa eroberte im Jahr 1162 Mailand und überließ die Reliquien der Heiligen drei Könige seinem Kanzler, dem Kölner Erzbischof Rainald von Dassel. Dieser überführte sie im Juli 1164 feierlich in die Stadt Köln. Dort, im Dom, liegen sie im Dreikönigsschrein, dem größten noch erhaltenen Schrein des Mittelalters. Die Dreikönigsnacht, so glaubten unsere heidnischen Vorfahren, sei die gefährlichste der Raunächte. Sie blieben deshalb in ihren Häusern und verriegelten Fenster und Türen zum Schutz vor bösen Geistern. Andere taten genau das Gegenteil. Sie öffneten um Mitternacht Fenster und Türen, um den Dreikönigswind einzulassen. Er sollte das Glück ins Haus bringen. Die Tiere sollen am Dreikönigsabend – wie in der Heiligen Nacht – reden können, wurde behauptet. Später nach der Christianisierung glaubten manche Menschen, der Himmel öffne sich um Mitternacht am Dreikönigstag und die Heilige Dreifaltigkeit sei dann sichtbar. Wer sie erblicken würde, dem gingen drei Wünsche in Erfüllung.
Ein weiterer Aberglaube: Scheint am Dreikönigstag die Sonne, bleibt der Frieden während des ganzen Jahres im Land. In vielen Familien in England, Frankreich, Holland und Spanien gibt es am 6. Januar Dreikönigskuchen. In den Teig wurde vorher eine schwarze Bohne versteckt und mitgebacken. Wer die Bohne in seinem Kuchenstück findet, darf an diesem Tag König sein und sich von seinem "Hofstaat" bedienen lassen.
Von Margret Nußbaum