Missbrauch: Ex-Jesuitenschüler kritisieren Orden

Acht Jahre nach Bekanntwerden des Missbrauchsskandals in der Kirche formuliert der "Eckige Tisch Bonn" scharfe Kritik an den Jesuiten. Die heutige Ordensleitung sei "nicht willens oder in der Lage", intern Konsequenzen aus den Ereignissen zu ziehen, erklärte der Vorsitzende des "Eckigen Tischs", Heiko Schnitzler, am Freitag. In dem Verein haben sich vom Missbrauch betroffene ehemalige Schüler des Aloisiuskollegs zusammengeschlossen.
Das Bonner Gymnasium ist eine von bundesweit drei Jesuitenschulen. 2010 hatte der damalige Rektor des Berliner Canisius-Kollegs, Pater Klaus Mertes, Fälle von Missbrauch an der Berliner Jesuitenschule bekanntgemacht und damit eine Welle von Berichten über ähnliche Vorkommnissen in kirchlichen und anderen Einrichtungen ausgelöst.
Am Aloisiuskolleg und der angeschlossenen Freizeiteinrichtung "AKO-Pro-Seminar" gab es seit den 1950er Jahren mindestens 60 Betroffene und 23 Beschuldigte, darunter 18 Jesuiten. Die Schule selbst baute in den vergangenen Jahren ein umfangreiches Präventionssystem auf.

Das Aloisiuskollegs in Bonn. Auch hier wurde über Jahrzehnte hinweg sexueller Missbrauch begangen.
Nach Ansicht des "Eckigen Tischs Bonn" haben die Jesuiten nicht begriffen, "dass das historische Leitungsversagen im System des Ordens die eigentliche Ursache, also Teil der Missbräuche war und dass die heutige Ordensleitung mit dem anhaltenden Verzicht auf interne Aufarbeitung keinen Beitrag zur Prävention leistet und somit kein Teil der Lösung ist". Notwendig seien beispielsweise konkrete Maßnahmen in der Personalpolitik. Der Verein bezeichnete in einem offenen Brief den bisherigen Dialog zwischen Missbrauchsopfern und Orden als gescheitert.
Die Leitung der Deutschen Provinz der Jesuiten äußerte Bedauern über den in dem Brief angekündigten Abbruch der Gespräche. "Wir haben von den Gesprächen der vergangenen Jahre, vor allem von der 'Dialog-Runde' im Aloisiuskolleg sehr viel gelernt." Die Einrichtungen des Ordens hätten davon unmittelbar profitiert, "auch wenn der Dialog mühsam und das Vorankommen in der Aufarbeitung oft langwierig ist".
Zugleich signalisierte die Leitung der Jesuiten, weiter gesprächsbereit zu bleiben. "Die Kommunikation über offene Briefe halten wir indes nicht für geeignet." Ein direktes Gespräch habe Provinzial Johannes Siebner erst Ende November ausdrücklich als Antwort auf den letzten offenen Brief des "Eckigen Tisches Bonn" angeboten. (KNA)