Eine Stadt zwischen Fremdenhass und Willkommenskultur

Die Kirche in Cottbus ist in Sorge

Veröffentlicht am 07.02.2018 um 13:25 Uhr – Lesedauer: 
Gesellschaft

Cottbus ‐ Seit Wochen steht Cottbus wegen Konflikten zwischen Deutschen und Flüchtlingen in den Schlagzeilen. Vertreter der Kirche vor Ort beobachten die Situation mit Sorge und formulieren eine klare Botschaft.

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"Gespaltene Stadt", "Hier wohnt der Fremdenhass", "Das neue Dresden?" – die Schlagzeilen, die Cottbus derzeit produziert, sind alles andere als schmeichelhaft. Die brandenburgische Stadt steht bundesweit im Fokus, seit es dort in den vergangenen Wochen zu zahlreichen Auseinandersetzungen zwischen Einheimischen und Flüchtlingen und in deren Folge zu Demonstrationen der asylkritischen Bürgerinitiative "Zukunft Heimat" gekommen ist.

Zuletzt folgten am Samstag nach Schätzungen von Beobachtern mindestens 2.000 Menschen dem Ruf der Bürgerinitiative, um gegen Flüchtlinge in Cottbus zu demonstrieren. Dabei trugen viele Teilnehmer ihre Wut offen vor sich her. Die Demonstranten verurteilten die Angriffe von Flüchtlingen auf Deutsche und skandierten immer wieder "Widerstand" gegen die Ausländerpolitik der Bundesregierung. Auf Transparenten war unter anderem zu lesen: "Die Islamisierung ist wie ein Krebsgeschwür und ist die größte Gefahr für die Menschheit", "Wir rufen Islam raus" und "Merkel muss weg". Die Demonstration erinnerte an die Pegida-Versammlungen in Dresden, deren Gründer Lutz Bachmann ebenfalls nach Cottbus gekommen war und von den Teilnehmern bei einer kurzen Rede gefeiert wurde.

Cottbus in Flüchtlings-Frage tief gespalten

Dass am selben Tag in Cottbus auch eine von Flüchtlingen initiierte Demonstration für ein friedliches Zusammenleben von Deutschen und Ausländern stattfand, wurde dagegen weniger Beachtung beachtet – wohl auch deshalb, weil an dieser Versammlung nur rund 600 Menschen teilnahmen. Gleichwohl zeigte sich bei den beiden Demonstrationen, wie tief die Bevölkerung in Cottbus in der Frage des Umgangs mit den Flüchtlingen gespalten ist.

Themenseite: Auf der Flucht

Die Flüchtlingskrise fordert Staat, Gesellschaft und Kirchen mit ganzer Kraft heraus. Auch die katholische Kirche in Deutschland engagiert sich umfangreich in der Flüchtlingsarbeit. Weitere Informationen dazu auf der Themenseite "Auf der Flucht".

Die angespannte Stimmung in der Stadt wird von Vertretern der katholischen Kirche mit wachsender Sorge beobachtet. "Die Extreme, die wir derzeit auf der Straße erleben, machen Angst", sagt Propst Thomas Besch von der Pfarrei "Zum Guten Hirten" im Gespräch mit katholisch.de. In der ganzen Stadt sei eine große Verunsicherung spürbar, die Konflikte zwischen Einheimischen und Flüchtlingen bewegten die Menschen. Ähnlich sieht das auch Bernd Mones. "Die Gewaltentwicklung unter Beteiligung von Flüchtlingen in unserer Stadt erfüllt uns mit großer Sorge", betont der Direktor des Diözesancaritasverbands.

Gemeindemitglieder bei "Zukunft Heimat"-Demonstration?

Besch vermutet, dass Mitglieder seiner Gemeinde am Wochenende bei beiden Demonstrationen vertreten waren – also auch bei der "Zukunft Heimat"-Versammlung gegen Zuwanderung. In der Pfarrgemeinde selbst seien die Auseinandersetzungen in der Stadt aber "kein großes Thema",  vielmehr gebe immer noch einen Kreis von Gläubigen, der sich für ein gutes Zusammenleben von Einheimischen und Flüchtlingen engagiere.

Der Propst betont, dass Cottbus in Brandenburg bislang "führend im Umgang mit Flüchtlingen gewesen" sei. In der Tat hat die 100.000-Einwohner-Stadt in den vergangenen Jahren deutlich mehr Flüchtlinge aufgenommen als viele andere Städte in dem Bundesland, der Ausländeranteil hat sich dadurch innerhalb weniger Jahre auf heute mehr als 8 acht Prozent verdoppelt.

Schaukelnde Kinder in der Flüchtlingsunterkunft
Bild: ©katholisch.de

Cottbus hat in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich viele Flüchtlinge aufgenommen. (Symbolbild)

Viele Menschen hätten sich in den vergangenen Jahren für die Willkommenskultur engagiert, so Besch, nun habe sich der Wind allerdings etwas gedreht. Schuld daran sind mehrere Vorfälle aus den vergangenen Wochen: Zunächst griffen in der Silvesternacht rechte Schläger Flüchtlinge aus Afghanistan in deren Wohnheim an und prügelten sie unter den Augen des Wachschutzes teilweise krankenhausreif. Kurze Zeit später machte ein Messerangriff von syrischen Flüchtlingen auf einen 16-jährigen Deutschen sowie eine Attacke auf ein deutsches Ehepaar vor einem Cottbuser Einkaufszentrum Schlagzeilen.

In der Folge dieser Vorfälle hatte die brandenburgische Landesregierung entschieden, vorerst keine neuen Flüchtlinge mehr nach Cottbus zu schicken. Zudem sollten in der Stadt 40 neue Stellen für Sozialarbeiter geschaffen und mehr Polizeipräsenz sichergestellt werden – ein Maßnahmenpaket, das bei der katholischen Kirche auf ein geteiltes Echo stößt. Propst Besch erhofft sich von den Entscheidungen der Politik zwar eine "hilfreiche Atempause" für die Stadt; gleichwohl dürfe der beschlossene Zuzugsstopp für Flüchtlinge kein Dauerzustand werden.

Caritas fürchtet "fatales Signal" an flüchlingsfeindliche Kreise

Bernd Mones von der Caritas formuliert es ähnlich: "Einerseits ist es in der Sache richtig, zunächst keine weiteren Flüchtlinge nach Cottbus zu schicken, weil an den Schulen und anderen Stellen eine Überforderungssituation eingetreten ist, die auf einen Mangel an ausreichend qualifizierten Lehrern und Sozialarbeitern zurück zu führen ist", sagt der Diözesancaritasdirektor. Andererseits sei die Entscheidung der Landesregierung politisch ein fatales Signal, da sich flüchtlingsfeindliche Kreise im Ergebnis aufgefordert sehen könnten, mit ihren Protesten gegen Flüchtlinge weiter zu machen.

Themenseite: Pegida

"Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes", kurz "Pegida". Die Gruppierung, die vor allem in Dresden besonders aktiv war, hat viele Menschen verunsichert. Für die Kirche war klar: Fremdenhass und Christentum passen nicht zusammen.

Einig sind sich die beiden Kirchenvertreter auch in ihrer Analyse der rechtsextremen Szene in Cottbus, die bei den aktuellen Protesten durchaus eine Rolle spielt. "Das Cottbus seit vielen Jahren ein Problem mit rechtsextremen Kreisen hat, ist landesweit bekannt", so Mones. Ebenso bekannt sei aber leider auch die Hilflosigkeit der zuständigen Stellen, gegen dieses Problem  anzugehen.

Propst Besch hat nach eigenen Angaben selbst schon erlebt, wie Flüchtlinge auf der Straße angepöbelt wurden. "Wir haben ganz klar ein Problem mit Rechtsextremen – auch bei Energie Cottbus", so der Geistliche. Tatsächlich waren Rechtsextreme in der Vergangenheit fester Bestandteil der Fan-Szene des Fußball-Regionalligisten; im vergangenen Jahr war zudem bekanntgeworden, dass der Staatsschutz zu rechtsextremistischer Kriminalität innerhalb der Fan-Szene ermittle. Immerhin: Am vergangenen Samstag zeigte der Fußballverein bei der Pro-Flüchtlings-Demo Gesicht.

Kirche will sich weiter für Flüchtlinge engagieren

Wie aber soll es nun weitergehen in Cottbus? Caritas-Direktor Mones ist trotz der vergangenen Wochen unbeirrt: Die Willkommenskultur gegenüber Flüchtlingen soll weiter gelebt werden. "Gerade jetzt das Engagement für Flüchtlinge einzustellen, weil einige wenige straffällig in Erscheinung getreten sind, bestraft die große Zahl friedliebender Menschen, die gerade aus ‚'Friedlosländern' die Flucht zu uns auf gefährlichem Weg auf sich genommen haben." Beispielhaft für das Engagement der Caritas nennt Mones das Projekt "BleibNet", das sich der Integration von Ausländern in den Arbeitsmarkt widmet. Außerdem würden Flüchtlinge in ehrenamtlichen Helferkreisen in den Pfarrgemeinden und durch einen gemeinsamen Flüchtlingsfonds von Bistum und Caritas unterstützt. Propst Besch wiederum betont die Bedeutung des Gesprächs. "Miteinander reden ist das wichtigste", sagt der Kirchenmann. In diesem Sinne wolle man auch als kleine Diaspora-Gemeinde versuchen zu helfen, die Konflikte in Cottbus zu entschärfen.

Von Steffen Zimmermann