Jerusalem-Streit wirft Schatten auf Dialog zwischen Vatikan und Judentum

Mit Zuversicht gegen neuen Stolperstein

Veröffentlicht am 28.03.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Judentum

Vatikanstadt ‐ Pater Norbert Hofmann ist im Vatikan für die Beziehungen zum Judentum zuständig. Vor allem die Israel-Politik Trumps stelle den Dialog aktuell vor Herausforderungen, sagte er katholisch.de im Interview.

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Die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, die Botschaft der USA von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, hat die internationale Politik aufgewühlt. Sie wirft aber auch Schatten auf den religiösen Dialog des Vatikan mit dem Judentum. Trumps Erklärung habe diesen Kontakt nicht leichter gemacht, sagt Pater Norbert Hofmann SDB (58), Sekretär der Päpstlichen Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum. Unterdessen häufen sich die Besuche jüdischer Delegationen im Vatikan und beim Papst. Und auch das Thema Antisemitismus beschäftigt die Dialogpartner.

Frage: Die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt von Israel durch US-Präsident Trump am 6. Dezember 2017 hat ein breites internationales Echo gefunden. Spüren Sie Auswirkungen auf Ihre Arbeit?

Norbert Hofmann: Noch am Tag der Ankündigung hat sich Papst Franziskus öffentlich zu dem Vorgang geäußert und besorgt eine Einhaltung des Status quo über Jerusalem angemahnt. Das Staatssekretariat wiederholte in einem detaillierten Statement die bekannte und klare Position des Heiligen Stuhls. Die Entscheidung Trumps hat die Arbeit im interreligiösen Dialog des Heiligen Stuhls sicher nicht leichter gemacht, sowohl was den Dialog mit den Moslems, als auch was den mit den Juden betrifft. Wir hatten wenige Tage nach der Erklärung des US-Präsidenten eine jüdische Delegation zu Gast. Neben Gesprächen mit unserer Kommission traf sie auch mit Kardinalstaatssekretär Parolin und Außenminister Gallagher zusammen. Beide haben den Vorgang von sich aus angesprochen und darum gebeten, kühlen Kopf zu bewahren und dafür Sorge zu tragen, dass der Friedensprozess im Nahen Osten nicht in eine Sackgasse gerät.

Frage: Wie lautet denn die Position des Vatikan zu Jerusalem?

Hofmann: Die für politische Belange zuständige Stelle im Vatikan hat stets die Zweistaatenregelung favorisiert und einen speziellen Status für Jerusalem angemahnt. Nach Ansicht des Heiligen Stuhls gehört Jerusalem allen drei monotheistischen Religionen und hat für sie eine besondere Bedeutung. Für die Pilger aller Glaubensrichtungen soll der Zugang zu den Heiligen Stätten offen sein.

Frage: Nun kümmert sich Ihre Kommission ja ausdrücklich um die religiösen Beziehungen zum Judentum. Beobachten Sie diese Fragen unter einem etwas anderen Blickwinkel als die vatikanischen Politiker?

Hofmann: Die Kommission, deren Sekretär ich bin, trägt den Namen "Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum". Es ist ihre Aufgabe, den religiösen Dialog mit den Juden zu fördern – auf der Grundlage des Konzilsdokuments "Nostra aetate" von 1965. Allerdings differenzieren unsere jüdischen Partner weniger als wir zwischen Politik, Theologie, Religiösem, Kultur und Sozialem, sondern sehen alles sehr einheitlich. Für sie hängen diese Bereiche zusammen. So passiert es, dass mitunter auch politische Konnotationen in meiner Arbeit eine Rolle spielen. Die muss ich dann immer mit der für politische Belange zuständigen Zweiten Sektion des Staatssekretariats absprechen.

Bild: ©KNA

Salesianer-Pater Norbert Hofmann ist der Sekretär der päpstlichen Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum. 2009 erhielt er von Bundespräsident Horst Köhler das Bundesverdienstkreuz.

Frage: Welche Konsequenzen hat nun die Jerusalem-Erklärung Trumps konkret für Ihre Arbeit?

Hofmann: Für meine Arbeit, für den religiösen Dialog bedeutet sie eine neue Herausforderung. Sie bringt einen neuen Dialogpunkt, der uns nun beschäftigen muss. Dabei stehe ich freilich jüdischen Partnern gegenüber, die in dieser Frage unterschiedlicher Meinung sind. Manche wollen den Dialog mit dem Heiligen Stuhl nicht beeinträchtigen und wünschen jetzt keine neue Belastung. Andere halten sich völlig bedeckt. Und dann gibt es wiederum andere, die über die US-Entscheidung froh sind und den Heiligen Stuhl bitten, diese Entscheidung zu akzeptieren und entsprechend einzulenken. Es bietet sich hier also ein sehr buntes Bild.

Frage: Man hat den Eindruck, dass in letzter Zeit die Besuche jüdischer Delegationen im Vatikan zugenommen haben. Stimmt das?

Hofmann: In der Tat ist es so, dass sich in letzter Zeit die Besuche jüdischer Delegationen im Vatikan häufen. Der Kontakt wird gesucht. Allerdings war der genannte Besuch am 11./12. Dezember unmittelbar nach der Trump-Erklärung bereits lange vorher abgesprochen. Vor wenigen Wochen fand in Wien eine vom European Jewish Congress mit den Universitäten Wien, Tel Aviv und New York veranstaltete Konferenz zum Thema Antisemitismus statt, bei der ich ein Grußwort des Papstes verlesen habe. Papst Franziskus hat immer wieder deutlich gemacht, dass es ein Widerspruch in sich wäre, wenn ein Christ Antisemit wäre - weil das Christentum jüdische Wurzeln hat. Das Standing des Heiligen Stuhls und des Papstes gegen Antisemitismus ist entschieden und unmissverständlich.

Frage: Sie sprachen von einer neuen Herausforderung. Heißt das, dass der Dialog (wieder) schwieriger geworden ist. Bislang hatte man doch den Eindruck, der katholisch-jüdische Dialog gehört zu den Erfolgsgeschichten des Zweiten Vatikanischen Konzils.

Hofmann: Der katholisch-jüdische Dialog ist sicher eine Erfolgsgeschichte und bleibt eine Erfolgsgeschichte. Daran kann auch eine Entscheidung von Trump nichts ändern.

Bild: ©picture alliance/AP Photo/Alessandra Tarantino

Ein wichtiges Anliegen von Papst Franziskus ist der Dialog mit dem Judentum. Am 17. Januar 2016 besuchte er die Große Synagoge von Rom.

Frage: Aber Sie müssen doch jetzt praktisch wieder einen Schritt zurück?

Hofmann: Ich würde nicht sagen, dass wir einen Schritt zurückgehen. Es ist eine neue Herausforderung, die wir wieder zu meistern haben. Ich denke nur an die Herausforderung 2009 mit der Affäre des Holocaustleugners Williamson, die ist auch rasch beigelegt worden. Insofern ist es für mich in diesem Bereich nichts neues, immer wieder mit neuen Gegebenheiten konfrontiert zu werden. Ich bin sogar froh wenn neue Herausforderungen kommen. Dann habe ich hier mehr Gespräche und mehr Gesprächspartner und Besucher. Im übrigen können solche Entscheidungen, die von außen kommen, unseren Dialog deutlich beleben. Aber ich verhehle nicht: Die Situation ist schwierig, aber sie ist nicht unmöglich - und bei Gott ist schon zweimal nichts unmöglich. Natürlich ist es ein kleiner stumbling block. Aber es ist nicht so, dass es jetzt rückwärts ginge, dass gleichsam ein Damokles-Schwert über dem Dialog hinge und jetzt alles aus wäre. Überhaupt nicht. Dazu steht der Dialog auf viel zu festen Füßen.

Frage: Politisch – religiös: Welche Folgen hat die Trump-Erklärung für die politischen Verhandlungen, die der Heilige Stuhl seit 20 Jahren mit Israel über ein neues Rechtsabkommen führt?

Hofmann: Ich bin in diese politischen Verhandlungen nicht unmittelbar eingebunden, aber ich werde darüber informiert. Und ich nehme an, dass die Entscheidung von Trump diese Arbeit auch nicht leichter gemacht hat.

Frage: Man ist sich im christlich-jüdischen Dialog also einig, dass zu bestimmten Fragen - etwa zur Bedeutung des "Landes" - unterschiedliche Ansichten bestehen, die man auch nicht lösen kann?

Hofmann: Wenn man im Dialog unterschiedlicher Ansicht ist, dann gilt es, sich gegenseitig zu respektieren - und die eigene Position klar zu machen. Man muss respektieren, dass es Positionen gibt, die uns trennen. Das werden wir auch weiterhin in der Kommission und im Dialog tun. Und gerade die Rolle des "Landes" ist ein schwieriger Punkt. Wenn wir betrachten, wie im Alten Testament Land und Volk als Verheißung an Abraham gegeben wurden, wenn wir sehen, wie das heute von frommen Juden interpretiert wird, und wenn wir uns die derzeitige politische Lage anschauen: Da ist natürlich Sprengstoff drin. Das Thema verlangt somit Behutsamkeit. In unserem Dokument vom 1985 heißt es, dass wir zwar die Bindung des jüdischen Volkes an dieses Land verstehen und akzeptieren, dass wir diese Dinge aber unter politischen Aspekten diplomatisch betrachten und der politischen Situation vor Ort Rechnung tragen müssen.

Von Johannes Schidelko