Zisterzienser-Pater Lukas Rüdiger zur Bedeutung von Weihnachten

Adam, Eva und das Jesuskind

Veröffentlicht am 07.01.2015 um 00:24 Uhr – Von Pater Lukas Rüdiger – Lesedauer: 
Weihnachten

Bonn ‐ Einer alten Erzählung zufolge betrat kurz nach Jesu Geburt eine alte, von vielen Lebensjahren gebeugte Frau den Stall zu Bethlehem: Eva. Pater Lukas Rüdiger beschreibt, was die Figur aus dem Alten Testament mit Weihnachten zu tun hat.

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Sie neigte sich über die Krippe und fingerte dabei etwas Kleines und Schrumpeliges aus ihrem Umhang hervor. Maria und Josef schauten verwundert auf einen roten Apfel, den das Mütterchen zu Jesus in die Krippe legte. Und in diesem Augenblick lächelte das Kind. Die Alte nickte leicht, seufzte und verließ ohne ein Wort zu verlieren, den Stall.

In dieser kleinen Erzählung, die ich damals nicht sofort verstand, steckt viel Theologie, die erklärt, worum es bei Weihnachten überhaupt geht. Alle Jahre wieder feiern Christen rund um den Globus das Geburtsfest Jesu im Stall zu Bethlehem. Aber was hat die alte Frau, die einen schrumpeligen Apfel in die Krippe legt, damit zu tun?

Das Leben feiern

Antwort darauf gibt das erste Buch der Bibel, das Buch Genesis, in dem die Paradieserzählung geschildert wird: Von der Schlange in Versuchung geführt, kosten Adam und Eva vom Baum der Erkenntnis (Gen 3,1-24). Dies ist der Sündenfall am Anfang der Menschheit, die Ursache allen Übels. Denn der Mensch wird aus dem Paradies vertrieben, weil er Gott gegenüber ungehorsam war. Von nun an ist er sterblich und dem Tod ausgeliefert.

Adam und Eva? Sündenfall? Tod? Es geht doch um Weihnachten, das Fest der Liebe und des Lebens, des neugeborenen Lebens! Unzählige Kindergenerationen haben zu Heiligabend die Geschichte vom Jesuskind im Krippenspiel nachgespielt. Zu Herzen gehende Weihnachtslieder, die festlich in der Kirche und am heimischen Weihnachtsbaum erklingen, besingen das Geheimnis von der Menschwerdung Gottes im Stall, dem Kinde Jesus, das Frieden in die Welt gebracht hat: "Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer das Gott lobte und sprach: Verherrlicht ist Gott in der Höhe und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade", so heißt es im Lukasevangelium.

Umgefallene Papiertüte aus der Nüsse quellen unterm Weihnachtsbaum
Bild: ©marog-pixcells/Fotolia.com

Apfel, Nuss und Mandelkern kommen in viele alten Weihnachtsliedern vor.

Bei all dem hat doch der Gedanke an den Tod keinen Platz, oder? Die alte, gebeugte Frau gibt die Antwort, denn bei ihr handelt es sich um Eva aus der Paradieserzählung, die Jesus den Apfel vom Baum der Erkenntnis in die Krippe legt. Soll heißen: Mit der Geburt Jesu rückt Gott die Menschheitsgeschichte wieder gerade. Er sendet seinen Sohn, der Gott und Mensch zugleich ist, um die Menschheit zu erlösen.

Aber wovon erlösen? Das lateinische Wort für Apfel heißt "malum", das wiederum wörtlich übersetzt "Unheil" oder "Übel" bedeutet. Eva legt also symbolisch alles Übel der Welt in die Krippe. Nicht aus Boshaftigkeit, sondern im Vertrauen darauf, dass mit Jesus alles "heil" wird. Durch Kreuz und Auferstehung erlöst uns der Heiland vom größten Übel, nämlich dem Tod.

Gott wird Mensch aus Liebe

Weihnachten feiern heißt, dem Heiland im Stall zu Bethlehem begegnen um selbst heil zu werden. Wer möchte das nicht? Denn in vielen Lebensgeschichten gibt es "Unheil", Brüche und offene Fragen. An Weihnachten begegnet uns Gott "auf Augenhöhe". Nichts Menschliches ist Gott mehr fremd. Aus Liebe kommt Gott seinem Geschöpf ganz nah.

In einem Kirchenlied von Christoph Bernhard Verspoell aus dem Jahr 1810 heißt es in der dritten Strophe: "Menschen liebt, o liebt ihn wieder und vergesst der Liebe nie! Singt mit Andacht Dankeslieder und vertraut, er höret sie!" Gott wird Mensch aus Liebe. Diese Liebe, Gott und dem Nächsten gegenüber, ist Auftrag für uns – nicht nur zu Weihnachten.

Kirchenjahr: Weihnachten

Festliche Gottesdienste an gleich zwei aufeinander folgenden Feiertagen, die Krippe, der geschmückte Weihnachtsbaum und natürlich viele Geschenke: So aufwendig wie Weihnachten wird kein anderes Fest im Kirchenjahr gefeiert. Das hat natürlich einen Grund.
Von Pater Lukas Rüdiger