Beten auf dem Kurznachrichtendienst Twitter

"Gebet bleibt Gebet"

Veröffentlicht am 15.04.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Glaube

Bonn ‐ Seit Januar 2014 gibt es die "Twomplet" - das kirchliche Nachtgebet Komplet auf Twitter. Darum geht es den ehrenamtlichen Veranstaltern der Social-Media-Gebetsgruppe.

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Sie heißen "OblatinOSB", "derHeidi" oder "chiqitac". Jeden Abend treffen sie sich zur selben Uhrzeit auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Dort beten sie gemeinsam die "Twomplet" – ein virtuelles Nachtgebet, dessen Name sich aus den Wörtern "Twitter" und "Komplet", dem christlichen Nachtgebet, zusammensetzt. Das virtuelle Abbild des Stundengebetes soll auch kirchenferne Menschen ansprechen.

Los ging das Projekt im Januar, mittlerweile hat der Account mehr als 400 Interessierte versammelt. In diesen Tagen hat die 80. "Twomplet" stattgefunden. Die Idee zu einem gemeinsamen virtuellen Nachtgebet hatte der 18-jährige Benedikt Heider, im Netz besser als "derHeidi" bekannt. Gemeinsam mit Freunden habe er an einem Abend im Januar dieses Jahres den Lobgesang "Magnificat" auf Twitter "gesungen". "Doch im Grunde war das nichts Gemeinschaftliches", erinnert sich Heider.

Es läuten sogar die Glocken

So sei ihm die Idee zu einem moderierten Gebet gekommen. Noch am gleichen Abend sicherte er sich den Kontonamen"Twomplet" auf Twitter und schrieb verschiedene Leute an, um Unterstützer zu suchen. Die haben sich schnell gefunden: Innerhalb kurzer Zeit kam eine Gruppe von rund zehn Vorbetern zusammen, aus der je ein Mitglied seitdem jeden Abend die Organisation und Durchführung des Gebets übernimmt.

Jeden Abend verabreden sich die Twitterer für 21 Uhr. Manchmal läuten dann sogar die Kirchenglocken des Accounts "Kölner Dom":

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Mit einem Link zu einem Musikvideo auf YouTube zum Ankommen und Ruhigwerden oder direkt mit dem Eröffnungsvers beginnt daraufhin die "Twomplet". Danach bleibt Raum für eigene Gedanken über den zurückliegenden Tag. Dazwischen gibt es immer wieder Videos mit Gesängen. Wie in der normalen Komplet werden Psalmen gebetet oder Lesung gehalten.

Auch auf Twitter kann der Heilige Geist wirken

Einer der ersten Unterstützer der unkonventionellen Gebetsform war Pater Maurus Runge aus Königsmünster. Ihn freut besonders, dass die Idee "aus dem Volk Gottes" herausgekommen sei und nicht in offiziellen Bahnen verlaufe. Natürlich habe sich am Anfang die Frage gestellt, ob so etwas auf Twitter funktioniere, gibt Maurus zu. Doch mittlerweile gebe es daran keinen Zweifel mehr. Auch auf Twitter könne der Geist Gottes wirken, so der Benediktiner.

Im Gegensatz zur Komplet werden bei der "Twomplet" Fürbitten mit eingebracht. Die Bitten werden dann entsprechend vom jeweiligen Vorbeter geteilt und den anderen Mitbetenden dadurch sichtbar gemacht. Die Idee, in einer Komplet mit Fürbitten zu arbeiten, sei völlig in Ordnung, meint Martin Stuflesser, Professor für Liturgie an der Universität Würzburg. "Variation ist nichts Schlimmes." Das Angebot selbst befinde sich aus Sicht der Liturgiewissenschaft aber in einer Grauzone.

Auch wenn es Theologen gebe, die eine physische Anwesenheit beim Gebet für nicht notwendig befinden, so fordere andererseits das Zweite Vatikanische Konzil eine tätige – also wirksame – Teilnahme der Gläubigen am Gebet, erläutert Stuflesser. "Die körperliche Präsenz macht den Menschen aus", ergänzt er. Auch könne man im Internet die Atmosphäre einer Kirche nicht spüren. Trotzdem sei "Twomplet" gerade für diejenigen eine Alternative, die der Kirche nicht nahestehen. "So können sich die Leute an das Christentum herantasten", meint Stuflesser. Das Angebot habe ein großes Potential. "Damit kann man Menschen auf den Geschmack des gemeinsamen Gebetes bringen", sagt Stuflesser. Die Frage nach der Gültigkeit stelle sich nicht. "Gebet bleibt Gebet."

Gleichwertig zum Gebet in der Kirche

Rund zehn bis 15 aktive Teilnehmer seien immer dabei, schätzt Jessica Theresia Lex, die bei Twitter als "OblatinOSB" unterwegs ist. Die Logopädin und Benediktineroblatin aus der Eifel gehörte wie Pater Maurus zu den ersten, die sich für "Twomplet" engagierten. Am Anfang sei es ungewohnt gewesen, erzählt Lex, vor allem, weil man sich auf viele verschiedene Stile habe einlassen müssen. Doch der direkte Austausch und das Gemeinschaftsgefühl, das sich aufbaue, gefielen ihr sehr, auch wenn im Kloster natürlich eine andere Atmosphäre aufkomme.

Doch gerade an Abenden, wo die Zeit knapp ist, sei die "Twomplet" eine gute Alternative; vor allem, weil die Möglichkeit bestünde, direkt auf Sorgen und Anliegen der Mitbeter zu reagieren, so Lex. In seiner Ernsthaftigkeit sei die "Twomplet" einem Gebet in der Kirche völlig gleich gestellt, sagt sie.

Von Sophia Michalzik