Pater Klaus Mertes über die kirchliche Aufarbeitung

Fünf Bemerkungen zum Missbrauchsskandal

Veröffentlicht am 29.08.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Pater Klaus Mertes über die kirchliche Aufarbeitung

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Pennsylvania-Bericht, Schreiben mit Vorwürfen von Nuntius Vigano, Predigten und Berichte von der Irland-Visite des Papstes, demnächst der Bericht der Kommission im Auftrag der DBK – ich komme mit dem Lesen nicht mehr hinterher. Ich kann nur sagen, welches die Prämissen sind, mit denen ich mich in den nächsten Tagen und Wochen an eine gründlichere Lektüre der Texte machen werde:

  1. Jeder Fortschritt in der Aufklärung ist ein guter Schritt: Wahrheit befreit, auch und vielleicht gerade dann, wenn sie weh tut. "Metanoia – Umdenken" ist kein bequemer Vorgang.
  2. Wenn der Papst tatsächlich über die Umtriebe von McCarrick informiert war, dann war er eben tatsächlich informiert. Die Auffassung, die Erneuerung der Kirche hinge von einer Lichtgestalt an der Spitze ab, ist eine narzisstische Selbsttäuschung, zu der die katholische Christenheit neigt – einst bei Johannes Paul II., dann bei Benedikt XVI., und nun eben auch bei Franziskus.
  3. "Homosexuelle Netzwerke" ist ein diffamierender Kampfbegriff des homophoben Sumpfes, der bis in die höchsten Spitzen der Hierarchie reicht und dort blubbert. Gesucht und gefunden werden soll ein Sündenbock: Die Schwulen! Genau damit wird die notwendige Strukturdebatte vermieden, die die Kirche mit kritischen Blick auf sich selbst so nötig hat. Ich spreche stattdessen von "männerbündischen Netzwerken". Zu denen gehören auch Heteros.
  4. Deswegen: Selbst wenn Nuntius Vigano recht haben sollte: Vorsicht vor Vigano! Der gehört selbst zu den Netzwerken, die er anzeigt, vertuscht dies durch seine Sprachregelung, und hat also offensichtlich eine eigene Agenda.
  5. Als Kardinal Sodano an Ostern 2010 wegen seiner Äußerungen über das "Geschwätz in der Welt" (gemeint: Missbrauchs- und Vertuschungsvorwürfe) von Kardinal Schönborn kritisiert wurde, wurde Schönborn vom Vatikan gedemütigt: "Ein Kardinal kritisiert einen anderen Kardinal nicht öffentlich!" Inzwischen zerfleischt sich die Hierarchie untereinander vor laufenden Kameras. Das ist ein Hinweis darauf, dass die Aufklärung vorankommt. Denn auch dies gehört zu allen Aufklärungsprozessen von Machtmissbrauch: Aufklärung spaltet zunächst einmal. Die Hierarchie muss nun durch diese Spaltung hindurch gehen, um die tieferen Gründe für die Einheit überhaupt erst (wieder) zu finden. Sie sollte bei dieser Suche auch mal anfangen, eher auf andere hinzuhören als nur auf ihresgleichen.

Und dann noch ein letzter Satz: Jeder, der im Modus der Selbstgerechtigkeit über Missbrauch spricht, fällt als seriöser Gesprächspartner zu dem Thema aus.

Von Pater Klaus Mertes

Der Autor

Der Jesuit Klaus Mertes ist Direktor des katholischen Kolleg St. Blasien im Schwarzwald.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.