"Fundamentale Grenze" nicht überschreiten

Moraltheologe: Große Vorbehalte gegen Mensch-Tier-Experimente

Veröffentlicht am 01.08.2019 um 09:50 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ In Japan sind Mensch-Tier-Experimente geplant, die die Knappheit an Spenderorganen beenden sollen. Der Moraltheologe Lob-Hüdepohl hat nun eindringlich vor dieser Forschung gewarnt. Doch andere Mitglieder des Deutschen Ethikrates sehen das Thema positiver.

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Der Berliner Moraltheologe Andreas Lob-Hüdepohl hat große ethische Vorbehalte gegen Experimente, bei denen ein Tier Embryonen mit menschlichen Stammzellen austrägt. So müsste etwa unbedingt ausgeschlossen werden, dass sich im Mutterleib des Wirtstieres ein echtes Mensch-Tier-Mischwesen entwickelt, sagte Lob-Hüdepohl auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Mittwoch in Berlin. Lob-Hüdepohl ist auch Mitglied im Deutschen Ethikrat.

Am Mittwoch war bekannt geworden, dass die japanische Regierung einem Forscher erlaubt hat, induzierte pluripotente menschliche Stammzellen in Tierembryonen einzupflanzen. Ziel ist es, dass das Tier Organe bildet, die in Menschen eingepflanzt werden können.

Unvorhersehbare Effekte durch umstrittene Forschung?

"Die fundamentale Grenze zwischen Mensch und Tier, auf der nicht nur unsere Rechtsordnung, sondern auch unser gattungsethisches Selbstverständnis als Menschen beruht, würde in unzulässiger Weise porös", so Lob-Hüdepohl. Viele Kritiker bezweifelten, dass sich Veränderungen des tierischen Embryos durch menschliche Stammzellen "derart begrenzen lassen". Sie vermuteten, dass sich nicht vorhersehbare Effekte einstellen könnten, die das Hirn oder sogar die Keimbahn des tierischen Embryos erreichten.

Selbst wenn man viele ethische Vorbehalte ausschließen könne, stelle sich die "ethisch keinesfalls triviale Frage, ob wir unbesehen Tiere als Ersatzteillager herstellen und hernach wieder töten dürfen", sagte Lob-Hüdepohl. Er forderte eine umfassende Diskussion über derartige Experimente.

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Der Sozialethiker Peter Dabrock warnte jedoch davor, die Forschung an Mensch-Tier-Wesen vorschnell zu verurteilen. "Natürlich ist nachvollziehbar, dass man erst einmal Grusel empfindet", sagte der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Man denkt vielleicht an Pegasus, Sphinx, Kentauren oder irgendwelche Horrormonster aus Hollywood-Trash-Filmen", sagte Dabrock.

Darum gehe es aber überhaupt nicht. Hinter dem Experiment stehe durchaus ein hohes und berechtigtes Ziel, betonte der Theologe. "Ziel dieser Grundlagenforschung ist, dass man in einer Ratte menschliche Bauchspeicheldrüsen züchten könnte", erklärte Dabrock.

Man wolle langfristig auf die Art und Weise die Organknappheit überwinden, betonte er. In Deutschland werde derzeit über eine Neuregelung der Organspende debattiert. "Viele Menschen haben bei der Widerspruchsregelung, die ein Vorschlag ist, Bauchschmerzen", sagte er. "Wenn es hier die Option gibt, die Forschung so weit voranzubringen, dass man nicht nur Organknappheit beheben, sondern sogar auf klassische Organspende verzichten könnte, ist das auf jeden Fall ein hochrangiges Ziel", sagte er.

Empörung über Versuche sei "Sturm im Wasserglas"

Man werde allerdings tierethische Fragen wie die Tötung von Tieren, aber auch ihr mögliches Leiden während der Versuche erörtern müssen, sagte Dabrock. Man müsse aber auch bedenken, "dass wir schon immer Humaninsulin genetisch herstellen auf der Grundlage von Bakterien oder jetzt schon Herzklappen von Schweinen beim Menschen einsetzen", sagte er.

Dabrock verwies auf eine Stellungnahme des Ethikrats zu Mensch-Tier-Mischwesen - sogenannten Chimären - aus dem Jahr 2011, die die Möglichkeiten und Grenzen für die Forschung in diesem Bereich herausarbeitet. Natürlich gebe es Grenzen für diese Forschung. "Was sicherlich nicht geht, ist die Methode 'Dolly' - also einen menschlichen Zellkern in eine tierisches Zelle hineinzusetzen - oder auf andere Weise Ei- und Samenzelle von Menschen und Tieren zu verschmelzen", sagte er.

Die erste Empörung über die Versuche in Japan bezeichnete Dabrock als "Sturm im Wasserglas". Noch wisse man wenig über die Details, etwa woher die menschlichen Stammzellen stammten. Dies könnten auch sogenannte adulte Stammzellen sein, wofür keine Forschung an Embryonen nötig wäre. Wenn dem so sei, "wäre diese Forschung auch in Deutschland sowohl nach dem Embryonenschutz- als auch nach dem Tierschutzgesetz möglich", sagte Dabrock. (rom/KNA/epd)