Der deutsche Jesuit Karl Josef Becker wird 85

Der Überraschungs- kardinal

Veröffentlicht am 18.04.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Kardinal Karl Josef Becker
Bild: © KNA
Kirche

Rom ‐ Er war die große Überraschung unter den 22 neuen Kardinälen, die Papst Benedikt XVI. am 18. Februar 2012 kreierte: Der deutsche Jesuit Karl Josef Becker. Den langjährigen römischen Hochschullehrer und Berater der vatikanischen Glaubenskongregation hatte kaum ein Beobachter zuvor auf seiner Liste. Zusammen mit drei weiteren über 80 Jahre alten Theologen erhielt der gebürtige Kölner den Kardinalspurpur für seine besonderen Verdienste um die Kirche. Stimmberechtigt war er nie. Am Donnerstag feiert Becker seinen 85. Geburtstag.

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Der hoch gewachsene Jesuit, der kein großes Aufhebens um seine Person macht, zählt zu jenen grauen Eminenzen im Vatikan, die auch ohne klangvolles Amt über Einfluss verfügen. Sein akademischer Werdegang führte den am 18. April 1928 in Köln geborenen Becker von den Hochschulen seines Ordens in München und Frankfurt schließlich an die renommierteste päpstliche Universität in Rom, die ebenfalls von Jesuiten geführte "Gregoriana". Nach seinem Eintritt in die Gesellschaft Jesu 1948 und seinem Noviziat studierte er von 1950 bis 1953 Philosophie an der Ordenshochschule der Jesuiten in Pullach (heute: Hochschule für Philosophie) und Theologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main. Von 1963 bis zu seinem Wechsel nach Rom 1969 lehrte er in Frankfurt Dogmatik. An der Gregoriana unterrichtete er dieses Fach 34 Jahre lang, bis zu seiner Emeritierung 2003.

Gespräch mit Piusbrüdern und Lutheranern

Joseph Ratzinger schätzt die fachliche Kompetenz des Jesuiten, den er als Präfekt der Glaubenskongregation Anfang der 80er Jahre kennenlernte. Dies zeigte sich auch darin, dass Benedikt XVI. Becker im Herbst 2009 eine wichtige Aufgabe gab: Der Papst berief ihn in die Gruppe von vier Theologen für die schwierigen Gespräche mit der von Rom abtrünnigen traditionalistischen Piusbruderschaft. Für diese heikle Aufgabe empfahl sich Becker als ausgewiesener Fachmann für das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) . Um die Verbindlichkeit der Aussagen dieser Bischofsversammlung etwa zur Religionsfreiheit oder zur Ökumene ging es in den Verhandlungen.

Zuvor hatte sich Becker unter anderem schon in einer bedeutenden ökumenischen Mission bewährt: Der Jesuit gehörte 1997 jener evangelisch-katholischen Arbeitsgruppe an, die nach einer langwierigen Debatte und zahlreichen Änderungswünschen die endgültige Fassung für die "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre" erstellte. Dieses 1999 vom Lutherischen Weltbund und dem Vatikan in Augsburg unterzeichnete Dokument stellt einen Meilenstein im ökumenischen Gespräch dar. Becker war schon aufgrund seiner Doktorarbeit über die Rechtfertigungslehre des spanischen Dominikaners Domingo de Soto, einem Teilnehmer des Konzils von Trient (1545-1563), für diese Aufgabe prädestiniert.

Unterschiede zwischen Christentum und Islam nicht kleinreden

Zuletzt hat der deutsche Jesuit 2010 ein Buch über das Verhältnis der katholischen Kirche zu den nichtchristlichen Religionen herausgegeben. Becker tritt darin einer allzu euphorischen Haltung entgegen, die einseitig die Gemeinsamkeiten der Religionen hervorhebt. Bei allem guten Willen und aller Aufgeschlossenheit dürfen nach seiner Überzeugung die grundlegenden Unterschiede etwa zwischen dem Christentum und dem Islam nicht einfach kleingeredet oder beiseite geschoben werden.

Kardinal Rainer Woelki, Erzbischof von Berlin.
Bild: ©KNA

Kardinal Rainer Woelki, Erzbischof von Berlin.

Deutlicher als viele andere Theologen betont der Jesuit zudem, dass das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) mit seiner Erklärung zur Religionsfreiheit kein Jota vom Wahrheitsanspruch der katholischen Kirche abrückt. Die Religionsfreiheit ist nach Beckers Worten die individuelle Freiheit zum Irrtum. Auch wenn es um das Verhältnis zu den anderen christlichen Bekenntnissen geht, ist der Jesuit kein Freund ökumenischer Kuschelrhetorik. Nach seiner Lesart hat das Konzil die nichtkatholischen christlichen Gemeinschaften nicht grundlegend aufgewertet. Die berühmte Formulierung der Konzilsväter, die Kirche Jesu Christi sei in der katholischen Kirche verwirklicht ("subsistit in") anstelle der traditionellen Gleichsetzung ("est") ist aus seiner Sicht kaum mehr als ein kosmetischer Eingriff.

Kardinal aus "Treue zur Kirche"

Vom Papst selbst gab es keine Begründung für die Erhebung Beckers zum Kardinal. Bei einem Empfang zum Dank für die Ernennung zweier Deutscher (damals wurde auch Rainer Maria Woelki zum Kardinal) sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, Becker werde für seine langjährige wissenschaftliche Arbeit und Treue zur Kirche geehrt. Die Auszeichnung sei auch eine große Freude für den Jesuitenorden.

Becker selbst äußert sich nur äußerst selten gegenüber den Medien. Zuletzt berichtete er vergangenes Frühjahr der Kölner Kirchenzeitung über die großen Probleme, die er für eine Einigung mit den Piusbrüdern sah. Vom Piusbrüder-Gründer Marcel Lefebvre sei die Behauptung überliefert, mit Papst Pius XII. (1939-1958) sei "alle Lehre und Disziplin in der katholischen Kirche festgelegt" und "nichts mehr zu ändern und zu erneuern". Wenn ein Lefebvrianer sich daran halte, habe das Gespräch zwischen Vatikan und Piusbruderschaft keinen Sinn. Die Bemühungen um eine Rückkehr der Piusbrüder in die volle Gemeinschaft mit der katholischen Kirche sind derzeit an einem toten Punkt. Eine offizielle Antwort der Piusbrüder auf eine "Lehrmäßige Präambel" des Vatikan von 2011 steht immer noch aus. (mit Material von KNA)

Agathe Lukassek