Die Eucharistie als Lebensschule und Geschehen an uns selbst

Tiefenbohrung zu existenziellen Bezügen

Veröffentlicht am 02.06.2013 um 00:00 Uhr – Von Meik Schirpenbach – Lesedauer: 
Zwei Hände in Nahaufnahme zerbrechen eine Hostie.
Bild: © KNA
Gastbeitrag

Köln ‐ Der Begriff "Eucharistie" hört sich selbst für manchen Katholiken erstmal sperrig an. Der Eucharistische Kongress in Köln will das Thema tiefer ins Bewusstsein rücken.

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Der zentrale christlich-katholische Gottesdienst - die Eucharistiefeier - mag durch die stete Wiederholung der äußeren Form in die Gefahr geraten, langweilig und flach zu erscheinen. Hier tun Tiefenbohrungen gut, die versuchen, deren existenziellen Bezüge freizulegen. Denn es geht bei dieser Feier um ein Geschehen an jedem einzelnen Gläubigen selbst, bei dem er nicht einfach nur Zuschauer ist.

Christliche Glaubenswege gehen von der biblischen Erfahrung aus, dass Gott auf der Suche nach dem Menschen ist und jedem Einzelnen durch die Geschichte hindurch Möglichkeiten eröffnet, in Beziehung mit ihm zu treten. Dem entspricht die menschliche Erfahrung, dass Menschen zu Gott in kein festes Verhältnis kommen - in dem Sinne, dass man eines Tages seine Beziehung zu Gott abschließend geklärt hätte.

Es gibt nur die je persönlichen Geschichten von Menschen mit Gott: von einem verbogenen Gott, der die Beziehung mit dem Menschen sucht und gerade deshalb nicht den Vorstellungen entspricht, die sich Menschen von ihm machen. Beziehung ist nie statisch. Sie setzt bei dem an, was ist und was werden will. Es geht immer um das Leben des Einzelnen, das nie fertig, sondern immer im Werden begriffen ist. Leben ist Dialog, der seinen Ursprung in Gott hat. Ein Dialog mit Hingabe, wie ihn Jesus Christus gelebt hat und wie er mit den Menschen und für sie lebendig bleibt.

Persönlichkeit, Dank und Zukunftshoffnung im Gebet

Wenn christlich von "Opfer" gesprochen wird, dann ist dieser persönliche Einsatz gemeint. Jüdische Tradition ist, sich der Geschichte Gottes mit dem Menschen - insbesondere des eigenen Volkes - zu erinnern, diese Erfahrungen lebendig zu halten und das eigene Erleben vor diesem Hintergrund zu verstehen. In diesem Sinne wird alljährlich in Erinnerung an den Auszug und die Befreiung aus Ägypten Pessach gefeiert. Und der Ort, an dem diese Vergegenwärtigung stattfindet, ist das Pessachmahl. Jesus feiert dieses Mahl mit seinen Jüngern und deutet vor diesem Hintergrund seinen eigenen Weg mit Gott: hinein in seinen Tod und im Vertrauen darauf, dass er sich darin ganz Gott überantworten kann und muss.

Im Johannesevangelium wird das Abendmahl, das im Detail nicht näher beschrieben wird, durch die Fußwaschung eingeleitet (Joh 13,1-20). Jesus veranschaulicht dabei ganz konkret die und Hingabe an Gott und die Zuwendung zu den Menschen. Das eine ist vom anderen nicht zu trennen. Er führt seine Jünger immer tiefer in diese Zusammenhänge ein, durch die das eigene Leben aufbricht (Joh 13, 21-16,33) und lässt dies schließlich in ein Gebet münden, in das er seine ganze Persönlichkeit, seinen Dank und seine Zukunftshoffnung vor Gott bringt (Joh 17). Vor diesem Hintergrund der von Johannes beschriebenen inneren Handlung ist auch die bei Matthäus, Markus und Lukas geschilderte Handlung mit Brot und Wein - entscheidende Bestandteile des Pessachmahls - zu verstehen.

Meik Schirpenbach vor Herbstlaub
Bild: ©privat

Meik Schirpenbach, Stadtjugendseelsorger in Bonn und Subsidiar an St. Petrus in der Bonner Altstadt

Wenn Jesus den Aposteln anvertraut, dies alles zu seinem Gedächtnis weiter zu tun, geht es also in heutigen katholischen Messen nicht in erster Linie um einen rituellen Nachvollzug des letzten Mahles. Es geht um Gottes Anwesenheit im betenden Vollzug - und im Leben eines jeden einzelnen Menschen. Die Eucharistie ist von ihrem Grundvollzug her ein Gebetsgeschehen. Wenn der Mensch sich im Gebet Gott öffnet und annimmt, dass er sich ihm verdankt, kann er sich darin von Gott finden lassen und findet zu einem tieferen Verständnis seiner selbst.

Wie ist nun die Gegenwart Gottes hier zu greifen? Der biblische Lernprozess führt immer mehr zu der Einsicht, dass Gott nur unaufdringlich und bescheiden anwesend ist. Er bindet sich an die Grenzen seiner Schöpfung und insbesondere an die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten des Menschen. Im Leben Jesu ist dies konkret geworden: In den Christen - in der Kirche - will das weiterleben.

Die Erfahrung Jesu wachhalten und weitergeben

So bedeutet Christsein, die Erfahrung Jesu wachzuhalten und weiterzugeben: dass sich Gott gerade in der Begegnung mit dem Leid an die Menschen bindet, ihnen da Halt geben will, wo alles haltlos zu werden scheint. In Jesu Leben ist Gott auf diese Weise gegenwärtig, und diese Gegenwart will jeden Einzelnen ergreifen. Darin geschieht die entscheidende Wandlung.

Paulus betont immer wieder, dass Menschen in diesem Geschehen selbst zum Leib Christi umgestaltet werden, also zu dem finden, was ihr Menschsein vor Gott ausmacht. Das ist nicht eine Idee, sondern Wirklichkeit, die manchmal schmerzhaft ist. In den eucharistischen Gaben verdichtet sich dieser Wandlungsprozess. So bringt jeder Gottesdienstbesucher in den Gaben Brot und Wein sein Leben zu Gott, bis an die Schmerzgrenze. Und wie bei der geheimnisvollen Brotvermehrung wird Gott uns durch Jesus immer sagen: Das ist genug. Aus dem Dankgebet - wörtlich: der Eucharistie - Jesu wächst neue Lebenskraft. So wie sich das Eigentliche des Brotes in diesem Geschehen wandelt, so wandelt sich das eigene Leben - vorausgesetzt, man lässt sich darauf ein.

Vor diesem Hintergrund kann die Eucharistie zu einer bleibenden und unerschöpflichen Lebensherausforderung werden. Eine Liebesgeschichte ist niemals harmlos, auch wenn sie Alltag ist. Georges Bernanos bringt es im "Tagebuch eines Landpfarrers" auf den Punkt: "Denn der Herr, dem wir dienen, richtet nicht nur unser Leben, er teilt es mit uns und nimmt es auf sich. Es wäre unendlich viel leichter, einen Gott zufriedenzustellen, der Geometer oder Moralist wäre."

Von Meik Schirpenbach