Standpunkt

Am "Tisch des Wortes" warten wunderbare Angebote

Veröffentlicht am 04.05.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Pater Nikodemus Schnabel wagt in seinem Standpunkt ein Gedankenexperiment. Was wäre wohl, so fragt er sich, wenn die Kirche die bestehenden Angebote am "Tisch des Wortes" endlich prominent in den Vordergrund rücken würde?

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Nehmen wir mal an, es wären erst vor etwa drei Jahren fast zeitgleich eine neue Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift und eine neue Lutherbibel erschienen, so dass im deutschen Sprachraum der "Tisch des Wortes" ganz neu eingedeckt worden wäre. Nehmen wir ferner an, dass gerade der Vergleich dieser beiden Übersetzungen miteinander unglaublich fruchtbar wäre, um das Wort Gottes wieder ganz neu zu entdecken und sich darin zu vertiefen, und dass genau dies für jede und jeden jederzeit kostenfrei online möglich wäre – und zwar im Vergleich mit noch vielen anderen Bibelübersetzungen – über bibleserver.com.

Nehmen wir weiter an, dass die liturgischen Texte des jeweiligen Tages und aller anderen Tage im Voraus und im Nachhinein, mitsamt kurzer Einleitungen, also das gute alte "Schott-Messbuch" ebenfalls für jede und jeden jederzeit kostenfrei online abrufbar wäre, und zwar unter dem Internetauftritt der Erzabtei Beuron unter erzabtei-beuron.de/schott.

Stellen wir uns vor, die Erzdiözese Köln hätte ein hervorragendes Bibel-Internetprojekt mit Namen "In Principio" auf den Weg gebracht, in welchem unter anderem die biblischen Tageslesungen der Sonn- und Festtage von Fachleuten ausgelegt würden, welche die jeweilige Bibelstelle sowohl im jeweiligen biblischen Buch verorten, den Aufbau darlegen und die einzelnen Verse erklären würden als auch eine Auslegung anbieten, Zugänge durch die Kunst aufzeigen und den Kontext erläutern würden, natürlich für jede und jeden jederzeit kostenfrei online abzurufen unter in-principio.de.

Stellen wir uns vor, es gäbe darüber hinaus auch noch eine kostenfreie App mit Namen "Stundenbuch" des Katholischen Pressebundes und des Deutschen Liturgischen Instituts, durch welche die offizielle Tagzeitenliturgie der Kirche für jede und jeden ziemlich bequem, in ansprechendem Design und äußerst nutzerfreundlich zugänglich wäre und diese Feier der Liturgie vom Image einer elitären Arkandisziplin befreien und im allerbesten Sinne popularisieren würde.

Stellen wir uns mal vor, all diese Angebote – und noch viele weitere ähnlich hervorragende – würde es tatsächlich geben: Sie würden einen bis noch vor wenigen Jahren nicht einmal zu träumen wagenden  (Neu-)Zugang zum "Tisch des Wortes" eröffnen! Nehmen wir aber leider auch mal an, all diese Angebote wären für sehr viele weitgehend unbekannt, würden von den Kirchen kaum beworben, ja würden fast wie ein Geheimtipp "unter der Ladentheke" versteckt, die nur nach direkter Nachfrage hervorgeholt würden.

Wenn dem alles so wäre, würde ich mir wahrscheinlich manchmal insgeheim eine Krise wünschen, welche den "Tisch des Mahles" für eine begrenzte Zeit nur äußerst schwer zugänglich machen würde, denn dann würden die Kirchen in Deutschland mit ziemlicher Sicherheit all diese wunderbaren Angebote prominent in den Vordergrund rücken und auf allen ihnen zur Verfügung stehenden Kanälen intensivst bewerben. – Oder?

Von Pater Nikodemus Schnabel

Der Autor

Pater Nikodemus Schnabel OSB ist Benediktinermönch der Dormitio-Abtei in Jerusalem und Direktor des Jerusalemer Instituts der Görres-Gesellschaft (JIGG).

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.