Oberhirte fordert, Priesterausbildung auf den Prüfstand zu stellen

Bischof Wilmer: Reformprozess in der Kirche "unumgänglich"

Veröffentlicht am 21.07.2020 um 13:00 Uhr – Lesedauer: 

Düsseldorf ‐ Das Weiheamt für Frauen, die Aufhebung des Pflichtzölibats und die Priesterausbildung: Nicht nur darüber müsse in der katholischen Kirche diskutiert werden, so Bischof Heiner Wilmer. Denn an einem Reformprozess führe kein Weg vorbei.

  • Teilen:

Hildesheims Bischof Heiner Wilmer hat sich abermals für eine Erneuerung der katholischen Kirche ausgesprochen. "Ich halte den Reformprozess in der Kirche für unumgänglich", sagte der 59 Jahre alte Theologe der "Rheinischen Post" in Düsseldorf (Dienstag). Dabei dürfe es keine Tabus geben, erklärte er mit Blick auf die Fragen nach einem Weiheamt für Frauen und einer Aufhebung des Pflichtzölibats für Priester. "Ich bin für eine offene Diskussion und vertraue persönlich auf den Heiligen Geist", so Wilmer.

Der Bischof forderte, die Priesterausbildung auf den Prüfstand zu stellen. "Die Ausbildung der Priester muss besser verankert werden im Erfahrungshorizont der Menschen, dass sie also nicht abgehoben und abgeschottet läuft." Sie müsse von Anfang an etwa mit Gemeindemitarbeitern vernetzt sein. Er halte es für eine Bereicherung, "wenn wir in Zukunft wieder Priester haben, die nicht hauptberuflich Seelsorger sind", so Wilmer. Als Beispiel nannte er das Modell des Arbeiterpriesters, der etwa als Fabrik- und Hafenarbeiter tätig ist und sich so mit der Arbeiterschaft solidarisiert.

Sympathie für das italienische System der Kirchensteuer

Zur Finanzierung der Kirche sagte der Bischof: "Das deutsche System mit der Kirchensteuer ist sehr verlässlich und ermöglicht es den Kirchen hierzulande, ihren Auftrag für die Menschen und die Gesellschaft in guter Weise wahrzunehmen." Zugleich äußerte Wilmer Sympathie für das italienische System, nach dem jeder Bürger selbst bestimmen kann, ob er eine verpflichtende Abgabe einer religiösen Gemeinschaft oder für soziale oder humanitäre Zwecke dem Staat zur Verfügung stellen will.

Wilmer betonte: "Im Zentrum aller Reformen muss der Mensch stehen, nicht die Institution." Die Kirche belehre die Menschen zu sehr, als dass sie ihnen zur Seite springe. Ihr Auftrag sei es, "bei den Menschen zu sein und dafür zu sorgen, dass die zunehmende Kälte in unserer Gesellschaft sich wieder in Wärme verwandelt." Der deutschen Kirche attestierte der Geistliche eine "behördenähnliche Struktur", die international nahezu einmalig sei. "Dagegen ist – mit Verlaub – selbst der Vatikan ein Klacks."

Heiner Wilmer ist seit September 2018 Bischof von Hildesheim. Der gebürtige Emsländer trat nach seinem Abitur in den Orden der Herz-Jesu-Priester ein und arbeitete als Lehrer unter anderem in den USA und später als Ordensoberer in Rom. (KNA)