Franziskus hatte für Sonderliturgien unterschiedlicher Kulturen plädiert

Liturgiewissenschaftler: Durch Papst Paradigmenwechsel in Liturgie

Veröffentlicht am 02.12.2020 um 16:31 Uhr – Lesedauer: 

Erfurt/Bochum ‐ Der Papst lobt einen eigenen Ritus für den Kongo und plädiert für weitere Sonderliturgien. Sollte es auch eine für Europa geben? Katholisch.de sprach mit den Liturgiewissenschaftlern Benedikt Kranemann aus Erfurt und Stefan Böntert aus Bochum.

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Der Erfurter Liturgiewissenschaftler Benedikt Kranemann sieht die von Papst Franziskus geäußerte Wertschätzung für den kongolesischen Ritus als Zeichen für einen Paradigmenwechsel in der Liturgie. Während bisher oft der eine römische Ritus im Vordergrund gestanden habe, eröffne Franziskus das Feld für mehr Vielfalt, so Kranemann am Mittwoch gegenüber katholisch.de. Der Pontifex stelle die steigende Bedeutung der Möglichkeiten von Ortskirchen heraus.

Diese gewandelte Mentalität habe sich bereits in anderen Aspekten gezeigt, so Kranemann. So habe er etwa durch sein Apostolisches Schreiben "Magnum principium" (2017) die Kompetenz für Übersetzungen der Messtexte aus dem Lateinischen von der Kurie an die Ortskirchen gegeben. In Bezug auf die Riten seien nun die Ortskirchen gefordert: "Welche Dinge etwa in Sprache und Ritus sind vor Ort relevant?", so Kranemann.

Besonderer Ritus seit 1988

Seit 1988 gibt es offiziell den "römischen Ritus der Messfeier für die Diözesen von Zaire", also für den heutigen Kongo. Vom Ablauf her entspricht dieser Ritus der gewohnten römischen Messfeier, allerdings spielen der Lektor sowie Tanz und Gesang eine bedeutendere Rolle. Zudem werden in der Feier unter anderem Heilige und Vorfahren angerufen. Im Zuge der Amazonas-Synode wurde für eine gelingendere Inkulturation der Messfeier auch ein Ritus für den Amazonas diskutiert. Gleichzeitig kommt auch immer wieder die Idee eines europäischen Ritus ins Gespräch.

Der Bochumer Liturgiewissenschaftler Stefan Böntert steht Überlegungen für einen eigenen europäischen Ritus zurückhaltend gegenüber. Der römische Ritus sei bereits von seiner Geschichte her sehr europäisch geprägt, so Böntert zu katholisch.de. Zudem biete der römische Ritus bereits große Spielräume für individuelle Gestaltung. Ein Beispiel dafür sei der Einsatz des Neuen Geistlichen Liedes im Gottesdienst. Über den römischen Ritus hinaus gebe es weitere Möglichkeiten für eine Gestaltung von Gottesdiensten, die sich an besondere Zielgruppen richten, etwa Segensfeiern oder missionarische Formate, beispielsweise in Ostdeutschland.

Papst Franziskus hatte am Dienstag den kongolesischen Ritus als Vorbild gelobt: "Die Erfahrung des kongolesischen Ritus der Messfeier kann als Beispiel und Modell für andere Kulturen dienen. Einer der wesentlichen Beiträge des Konzils bestand ja gerade darin, Normen für die Anpassung des Ritus an die Formen und Traditionen verschiedener Völker vorzuschlagen." Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) hatte es möglich gemacht, den römischen Ritus an die Gegebenheiten und die Kultur des jeweiligen Landes anzupassen. (cph)