Vier Ordensmänner aus drei Kontinenten ziehen nach Rieste im Bistum Osnabrück

Das erste Mal seit 63 Jahren: Franziskaner-Minoriten gründen Konvent

Veröffentlicht am 02.02.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Rieste ‐ Sie seien nur "ganz normale Männer", die bereit sind, etwas Neues zu wagen, sagt der neue Hausobere Bruder Bernhardin Seither. Heute eröffnen die Franziskaner-Minoriten im Bistum Osnabrück einen neuen internationalen Konvent. Auslöser dafür war eine Annonce der Diözese.

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Dass eine Ordensgemeinschaft in Deutschland einen neuen Konvent gründet, ist heutzutage eher eine Seltenheit. Das gilt auch für die deutsche Ordensprovinz der Franziskaner-Minoriten. 1957 wurde in Bonn das letzte Mal ein Konvent neugegründet. Diese Ordensniederlassung besteht heute schon gar nicht mehr. Und trotzdem haben sich die Franziskaner-Minoriten dazu entschieden, im niedersächsischen Rieste im Bistum Osnabrück einen neuen Konvent zu gründen, der jetzt offiziell errichtet wurde.

Massenhafte Ordenseintritte und damit verbundene Platzprobleme sind aber nicht der Grund für diesen Schritt. "Wir haben als Kirche und auch als Orden viele Negativverbindungen", erklärt Bruder Andreas Murk, der 2019 zum Provinzialminister für die deutsche Ordensprovinz der Franziskaner-Minoriten gewählt wurde. "Damals war ich schon auf der Suche nach einem positiven Thema für uns – ohne, dass ich damals überhaupt darüber nachgedacht hätte, dass wir ein neues Kloster gründen würden. Diese Möglichkeit war überhaupt nicht in meinem Kopf."

Der Gedanke lies ihn nicht los

Über eine interne Mitteilung der Deutschen Ordensobernkonferenz erfährt Murk im Juni vergangenen Jahres, dass das Bistum Osnabrück nach einer Ordensgemeinschaft sucht, die das freigewordene Kloster Lage in Rieste übernehmen will. "Ich habe mir das angeschaut und gedacht, dass das für uns völlig illusorisch ist und das direkt wieder beiseitegelegt", erzählt Murk. Doch der Gedanke an eine Konvent-Neugründung lässt ihn nicht los.

Klösterliches Leben hat in der Kommende Lage in Rieste eine lange Tradition. Ab 1260 sind Johanniter auf Lage urkundlich erwähnt. Zur Zeit ihrer Blüte im 14. Jahrhundert leben bis zu 45 Mitglieder des geistlichen Ritterordens in den Gebäuden der Kommende. Doch nach mehreren Überfällen und Zerstörungen wird das Kloster 1810 im Zuge der Säkularisation schließlich aufgehoben. Ein Privatmann kauft das Anwesen später, errichtet ein Hotel mit Restaurant. 1999 kauft das Bistum Osnabrück die Liegenschaft schließlich zurück. Nach einer umfassenden Sanierung bietet sie rund 20 Jahre lang kontemplativen Dominikanerinnen eine Heimat – bis sich die Gemeinschaft im Sommer 2020 auflösen muss. Der Konvent war mit vier Ordensfrauen zu klein geworden und damit nicht mehr lebensfähig. Die Diözese sucht daraufhin nach einer neuen Ordensgemeinschaft, die das Kloster übernehmen will. Über die Annonce entsteht der Kontakt zwischen Murk und dem damaligen Osnabrücker Generalvikar Theo Paul.

Vier Ordensmänner bilden den neuen Konvent der Franziskaner-Minoriten in Rieste
Bild: ©Franziskaner-Minoriten; Montage: katholisch.de

Sie bilden den neuen Konvent der Franziskaner-Minoriten in Rieste im Bistum Osnabrück (von links): Bruder Bernhardin Seither, Bruder Jesmond Panapparambil, Bruder Richard Francis Chimfwembe und Bruder Iosif-Mihaei Sabau.

Der Plan des Provinzministers ist es, einen internationalen Konvent in Rieste zu eröffnen. "Mir war klar: Unsere Ordensprovinz allein wird das nicht schaffen. Aber vielleicht finden sich zwei bis drei Brüder aus anderen Provinzen, die mitmachen", sagt Murk. Rund 4.000 Mitglieder haben die Franziskaner-Minoriten weltweit. Die deutsche Provinz St. Elisabeth, deren Geschichte bis in das Jahr 1221 zurückreicht, umfasst 40 Brüder. Ebenfalls in Deutschland tätig sind zudem 60 Brüder aus drei polnischen Provinzen und der rumänischen Ordensprovinz. Großen Zuwachs erhält der Orden momentan vor allem in Indien. "Deswegen ist die Internationalität eine große Chance", sagt Murk.

Vier Brüder aus vier Nationen und von drei Kontinenten sollen künftig die Ordensgemeinschaft in Rieste vertreten: Bruder Bernhardin Seither aus der deutschen Ordensprovinz und Bruder Jesmond Panapparambil aus Indien sind bereits in den Konvent eingezogen; im Laufe des Jahres sollen Bruder Richard Francis Chimfwembe aus Sambia und Bruder Iosif-Mihai Sabau aus Rumänien dazustoßen.

"Es wird eine Herausforderung bleiben"

Aus Sicht von Seither, dem neuen Hausoberen in Rieste, birgt diese Konstellation gerade zu Beginn Herausforderungen, da mit den unterschiedlichen Nationalitäten auch verschiedene Mentalitäten zusammenkommen. "Mir hilft da immer das Wort des großen jüdischen Theologen Martin Buber, der sinngemäß einmal gesagt hat: 'Gemeinschaft ist immer werdende Gemeinschaft.' An Gemeinschaft muss man immer arbeiten, da gibt es Höhen und Tiefen", so Seither, der bisher Guardian im Kölner Konvent und davor acht Jahre lang Provinzialminister der Franziskaner-Minoriten war. "Also es wird eine Herausforderung bleiben, wie jedes Gemeinschaftsleben eine Herausforderung ist."

Aufgeregt und dankbar ist auch Provinzialminister Murk. "Ich bin froh, dass ich den Mut hatte, diese Idee zu verfolgen und dankbar, dass auch andere Provinzen 'Ja' gesagt haben", sagt er. Dass seine deutsche Ordensprovinz den Entschluss über die Konvent-Neugründung einstimmig gefällt habe, macht den Ordensmann "schon ein bisschen stolz". "Das zeigt mir, dass wir noch zu einem Aufbruch fähig sind."

Luftaufnahme des Konvents in Lage-Rieste
Bild: ©Franziskaner-Minoriten/Bruder Andreas Murk OFM Conv.

"Wir kennen unsere Klöster eigentlich nur so, dass wir dort seit Jahrhunderten sind", sagt Bruder Andreas Murk. Der neue Konvent in Rieste biete jetzt viel größere Freiheiten. "Uns gehören die Kirche und das Kloster nicht. Wir sind hier nur zu Gast."

Dass eine solche Neugründung tatsächlich eine Seltenheit ist, bestätigt auch die Deutsche Ordensobernkonferenz (DOK). Angesichts der Alterssituation und der insgesamt sinkenden Zahl der Ordensfrauen und -männer in Deutschland liege es auf der Hand, dass viele Gemeinschaften eher darüber nachdenken würden, welche Konvente geschlossen werden müssten, um an anderer Stelle für die Zukunft gut aufgestellt zu sein, teilt DOK-Sprecher Arnulf Salmen mit. "Wo man zu groß aufgestellt ist und daher schließt, wird manchmal aber auch an anderer Stelle ein neues Projekt gestartet", so Salmen. Ein Beispiel dafür sei die 2013 gegründete internationale Kommunität der Herz-Jesu-Priester in Berlin.

Provinzialminister Murk ist wichtig, dass nach der jetzigen Neugründung nicht in den kommenden Jahren ein traditionsreiches Kloster geschlossen werden muss, weil die Brüder dort nicht mehr ausreichen. Den Konvent in Rieste sieht er daher als Projekt. "Wir kennen unsere Klöster eigentlich nur so, dass wir dort seit Jahrhunderten sind", erklärt er. Diese Tradition sei oft auch eine große Verpflichtung. Der neue Konvent biete jetzt viel größere Freiheiten. "Uns gehören die Kirche und das Kloster nicht. Wir sind hier nur zu Gast." Bleiben wollen die Franziskaner-Minoriten dennoch für einige Zeit. Mindestens acht Jahre könne man bei der jetzigen Entwicklung schaffen, sagt Murk. Wenn Bistum und Gläubige zufrieden seien, könne daraus auch gerne mehr werden. "Wenn wir merken, dass es klappt, sehe ich auch eine längerfristige Zukunft", so Murk.

"Ganz normale Männer, die bereit sind, hier etwas Neues zu wagen"

Der Auftrag der Franziskaner-Minoriten in der Kommende Lage wird jetzt vor allem sein, den traditionsreichen Ort wieder mit Leben zu füllen. Dort übernehmen die Ordensmänner künftig Aufgaben in der Pfarrseelsorge und sollen sich um Pilger und Wallfahrer kümmern. Vor allem Kranke und Angehörige von schwerkranken und verunglückten Menschen pilgern nach Lage. Das über 700 Jahre alte "Lager Kreuz" soll beim Brand der Kirche 1384 unversehrt geblieben sein; ihm wird seitdem zugeschrieben, Wunder bewirken zu können. Auch "Urlaub im Kloster", "Kloster auf Zeit" und Einzelexerzitien sollen angeboten werden, ein kleiner Klosterladen ist bereits in Planung.

Bruder Berhardin Seither möchte dabei die Erwartungen dämpfen. "Es kommen einfach nur ganz normale Männer und keine Heiligen oder Zauberer", sagt er. "Ganz normale Männer, die bereit sind, hier etwas Neues zu wagen."

Von Christoph Brüwer