Wird das Sakrale weiter eingeebnet – oder wiederentdeckt?

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"Der lieve Jott tut nix wie füjen", heißt es in Kölle. Nicht ganz, aber fast zeitgleich mit "Traditionis custodes", dem Nicht-Ganz-Verbot der "Alten Messe" durch Papst Franziskus, erschien Johannes Hoffs "Verteidigung des Heiligen" (Herder), ein Markstein der theologischen Zeitgenossenschaft. Hoff setzt sich hier unter Einbeziehung neuer angelsächsischer Perspektiven mit den tiefgreifenden Wandlungen auseinander, denen niemand im digitalen Zeitalter ausweichen kann. Wenn die Intervention des Papstes zur Folge hat, dass die Bedeutung des Heiligen und der Liturgie just in dem Moment, in dem sie immer mehr zu verblassen scheint, neue Aufmerksamkeit findet und auf der Tagesordnung erscheint, wäre das eine Folge, die bei mir tatsächlich im Verdacht steht, eine providentielle Fügung zu sein.
In seinem Begleitbrief wirft Franziskus übrigens auch einen kritischen Blick auf die verbreiteten Praktiken des gängigen "ordentlichen" Ritus, der so ordentlich nicht ist, denn er beklagt Abweichungen von den Vorgaben, wenn Priester allzu frei und kreativ umformulieren und Texte abändern. Jonas Mieves sieht in "Christ in der Gegenwart" darin eine Spielart des Klerikalismus, "insofern sich der Priester zum Herrnn über die Liturgie macht und für sich allein in Anspruch nimmt, den Gottesdienst 'richtig' zu feiern".
Das toxische Lagerdenken in der Kirche hat die Anhänger liturgischer Alterität umstandslos in die rechtskonservative Ecke gestellt. Was eigentlich soll an Weihrauch reaktionär sein? Er riecht gut, ist flüchtig und übt keinerlei Zwang aus.
Kaum etwas bringt uns so sehr Abstand zum regierenden Funktionalismus wie das Exerzitium des Fremden in uns, dass sich vom Bestehenden abstoßen kann, weil es für den Lobpreis JHWHs des einzig Heiligen besondere Formen geerbt und gefunden hat. Das ist kostbar. Wird sich der Trend zur Einebnung des Sakralen auf Alltagsniveau fortsetzen? Oder wird es kleine Wiederentdeckungen, vielleicht sogar neue Formen des Alteritären geben?
Der Autor
Eckhard Nordhofen ist ein deutscher Theologe und Philosoph. Von 2001 bis 2010 war er Leiter des Dezernates Bildung und Kultur im Bistum Limburg. Bis 2014 lehrte er außerdem theologische Ästhetik und Bildtheorie an der Justus-Liebig-Universität Gießen.Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.