Neuregelung gilt ab Januar

Bischöfe enttäuscht: Österreich legalisiert Beihilfe zur Selbsttötung

Veröffentlicht am 17.12.2021 um 16:28 Uhr – Lesedauer: 

Wien ‐ Ab Januar können dauerhaft schwer oder unheilbar kranke Menschen in Österreich Beihilfe zum Suizid in Anspruch nehmen. Für die österreichischen Bischöfe ist die Neuregelung enttäuschend – und eine Aushöhlung des Schutzes für vulnerable Menschen.

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In Österreich ist Beihilfe zur Selbsttötung künftig weitgehend straffrei. Der Nationalrat beschloss am Donnerstagabend mit großer Mehrheit eine entsprechende Neuregelung. Ab Januar können demnach dauerhaft schwer oder unheilbar Kranke, die Beihilfe zum Suizid in Anspruch nehmen wollen, eine Sterbeverfügung hinterlegen. Weiter strafrechtlich verboten bleibt Tötung auf Verlangen.

Die Österreichische Bischofskonferenz zeigte sich enttäuscht. Mit der Straffreiheit für Beihilfe zum Suizid sei das bis dahin geltende absolute Tötungsverbot am Lebensende aufgehoben worden. Nun müsse "uns als Solidargemeinschaft" gelingen, "dass niemand in Österreich das Bedürfnis hat, es [Beihilfe zur Selbsttötung] in Anspruch zu nehmen", sagte der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz und Salzburger Erzbischof Franz Lackner der Presseagentur Kathpress (Freitag). Er teile "die berechtigten Sorgen vieler, die mit diesem Gesetz den ersten Schritt einer Dynamik befürchten, die den Schutz vulnerabler Menschen immer weiter aushöhlt".

Bischof Glettler: Politischer Mut habe gefehlt

Enttäuscht reagierte auch der für Lebensschutz zuständige Bischof Hermann Glettler. Eine Fülle von Verbesserungsvorschlägen aus dem Begutachtungsprozess sei nicht berücksichtigt worden, etwa eine verpflichtende psychiatrische Abklärung oder die Korrektur irreführender Begriffsbestimmungen. "Extrem bedauerlich" sei, dass nicht einmal die im Gesetz vorgesehene Mindestbedenkzeit von zwölf Wochen verbindlich vorgeschrieben wurde. "Dazu hat der politische Mut gefehlt", so der Innsbrucker Bischof im Kathpress-Gespräch.

Psychiater hätten mehrfach gefordert, dass gerade bei psychischen Erkrankungen eine Mindestbedenkzeit von sechs Monaten festgelegt werden müsste, da Suizidgedanken aus Erfahrung in den meisten Fällen ambivalent und temporär seien, betonte Glettler, und: "Ohne Mindestbedenkzeit erfüllt das Gesetz nicht die Vorgabe des Verfassungsgerichtshofes, der die Straffreiheit der Suizidassistenz an das Vorliegen eines dauerhaften Willensentschlusses geknüpft hat." (KNA)

Hilfe bei Suizidgedanken

Sollten Sie selbst oder Menschen in Ihrem Umfeld Suizidgedanken haben, wenden Sie sich unter 0800-1110111 oder 0800-1110222 umgehend an die kostenlose Telefonseelsorge. Dort erhalten Sie Hilfe.