Ich habe Dich mit Schmerzen gesucht

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Impuls von Schwester Anne Kurz
"Kind, wir haben dich mit Schmerzen gesucht" – Das heutige Evangelium lenkt unsere Augen weg von der Krippe in Betlehem hin zum Tempel in Jerusalem. Da das Fest der Heiligen Familie in diesem Jahr auf den zweiten Weihnachtstag fällt, müssen wir einen Zeitsprung von zwölf Jahren wagen.
Die zunächst für das Weihnachtsfest unpassend scheinende Erzählung lädt dazu ein, mit Maria und Josef auf den verschwundenen zwölfjährigen Jesus zu schauen. Auf die brennende Lücke. Zunächst besteht Hoffnung, ihn bei anderen Familienmitgliedern zu finden. Immer wieder müssen die bangen Eltern ihre einzige Frage stellen: "Ist er bei Euch? Habt Ihr ihn gesehen?" Doch nirgends eine Spur. Allein gehen sie den Weg zurück nach Jerusalem. Nach drei Tagen finden sie ihn im Tempel. Das Wiedersehen ist eine eigenartige Begegnung. Ihr Kind steht eigenständig auf seinem heiligen Grund. Jesus zeigt ihnen, dass er bei aller Vertrautheit der ganz Andere ist, den man nur suchend finden kann.
"Wir haben Dich mit Schmerzen gesucht" – Dankbar bin ich für die Ehrlichkeit Mariens. Kein banales "Schon alles gut" kommt ihr über die Lippen. Sie lässt Jesu Andersartigkeit zu, ohne zu leugnen, dass es weh tut, sie vor Schmerzen vergeht. Sie gibt sich Zeit, alles innerlich zu verarbeiten. Wer liebt, erfährt, dass es alles kosten kann, jemanden (auch ein Familienmitglied) frei und anders sein zu lassen. Es ist die Haltung, die das alte Wort "Keuschheit" bezeichnet.
"O Kindelein, von Herzen dich will ich lieben sehr in Freuden und in Schmerzen, je länger mehr und mehr", heißt es in einem Weihnachtslied. Auch die Gottesbeziehung kann uns leiden machen. Unser Herz verlangt Ehrlichkeit. Vor einiger Zeit war ich im Gottesdienst und konnte mir selbst und Gott die Erfahrung von Schmerz, Enttäuschung und Ratlosigkeit eingestehen. Es bewegte mich sehr, als die Jugendband wie eine Antwort darauf das Lied "Emmanuel" anstimmte.
Lassen wir die Schmerzen, die wir im vergangenen Jahr erlitten haben, zu. Geben wir den enttäuschten Hoffnungen Raum. Lassen wir uns von Maria an die Hand nehmen und sagen wir dem Kind in der Krippe: "Ich habe Dich mit Schmerzen gesucht." Dann kann uns aufgehen, dass dieses Kind um alles weiß. Sein Herz kennt die Schmerzen der Liebe, das Suchen und Finden. In seiner Menschwerdung hat er uns in all unserer Andersartigkeit angenommen. Sein Name ist "Emmanuel – Gott mit uns". Er trägt alles, was wir verloren glaubten, rettend in sich. Wärmende, hoffnungsvolle Liebe durchströmt uns. "Hab' Mut", sagt er, "stell Dich auf Deine Füße – nichts ist verloren".
Evangelium nach Lukas (Lk 2,41–52)
Die Eltern Jesu gingen jedes Jahr zum Paschafest nach Jerusalem. Als er zwölf Jahre alt geworden war, zogen sie wieder hinauf, wie es dem Festbrauch entsprach. Nachdem die Festtage zu Ende waren, machten sie sich auf den Heimweg. Der Knabe Jesus aber blieb in Jerusalem, ohne dass seine Eltern es merkten.
Sie meinten, er sei in der Pilgergruppe, und reisten eine Tagesstrecke weit; dann suchten sie ihn bei den Verwandten und Bekannten. Als sie ihn nicht fanden, kehrten sie nach Jerusalem zurück und suchten nach ihm.
Da geschah es, nach drei Tagen fanden sie ihn im Tempel; er saß mitten unter den Lehrern, hörte ihnen zu und stellte Fragen. Alle, die ihn hörten, waren erstaunt über sein Verständnis und über seine Antworten.
Als seine Eltern ihn sahen, waren sie voll Staunen und seine Mutter sagte zu ihm: Kind, warum hast du uns das angetan? Siehe, dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht.
Da sagte er zu ihnen: Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört? Doch sie verstanden das Wort nicht, das er zu ihnen gesagt hatte.
Dann kehrte er mit ihnen nach Nazaret zurück und war ihnen gehorsam. Seine Mutter bewahrte all die Worte in ihrem Herzen.
Jesus aber wuchs heran und seine Weisheit nahm zu und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen.