Jesuit Wucherpfennig gegen Überhöhung von Priesteramt

Gegen eine Überhöhung des Priesteramts und gegen zu große Macht für Amtsträger in der katholischen Kirche hat sich der Frankfurter Jesuit und Theologe Ansgar Wucherpfennig ausgesprochen. Priester sollten Katholikinnen und Katholiken nicht zu bloßen Objekten ihrer Seelsorge machen, schreibt Wucherpfennig in einem Gastbeitrag für die in Freiburg erscheinende Zeitschrift "Christ in der Gegenwart". Ziel müsse vielmehr eine "inklusive Hirtensorge an Mitchristen" sein, die wiederum selbst zum "Hirtenamt ermächtigt" werden. "Die Verantwortung für die Gemeinde, die Hirtensorge, liegt bei den einzelnen Christinnen und Christen und bei den Gemeinden. Sie dürfen ihre Verantwortung um Himmels willen nicht an die Amtsträger delegieren."
Im Blick auf die Aufarbeitung von Missbrauch und sexualisierter Gewalt im Raum der Kirche sagte der Theologe, auch Ordensgemeinschaften und Gemeinden hätten in der Missbrauchskrise häufig "einfach weggeschaut". Echte Aufarbeitung dürfe nicht den Amtsträgern in der Kirche überlassen werden, so Wucherpfennig. "Will die Kirche aus der Missbrauchskrise lernen, dann müssen Christinnen und Christen sich diese blinden Flecken aus den Augen waschen lassen und mit Freimut gegenüber denen auftreten, die zu Unrecht ein biblisch begründetes Exklusivrecht auf die Sorge um die Kirche beanspruchen."
Wucherpfennig ist Professor für Exegese des Neuen Testaments an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main. Von 2014 bis 2020 war er zudem Rektor der Hochschule. 2018 geriet Wucherpfennig in die Schlagzeilen, als er zwar für eine dritte Amtszeit als Rektor wiedergewählt worden war, der Vatikan ihm aber zunächst nicht das "Nihil obstat" erteilt hatte, was auf massive Kritik stieß. Wucherpfennig hatte sich wiederholt kritisch zum Umgang der Kirche mit Frauen und Homosexuellen geäußert. (tmg/KNA)