"Veraltete Rollenbilder und Gesellschaftsmodelle"

BDKJ und Pfadfinderverbände kritisieren kirchliche Anerkennung der KPE

Veröffentlicht am 01.02.2022 um 09:00 Uhr – Lesedauer: 

Düsseldorf ‐ Jahrelang standen viele Bistümer der "Katholischen Pfadfinderschaft Europas" kritisch gegenüber und sahen fundamentalistische Tendenzen. Nun wurde die KPE überraschend kirchlich anerkannt. Die etablierten Jugendverbände finden das unverständlich.

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Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und die Pfadfinderverbände DPSG und PSG zeigen sich kritisch gegenüber der Anerkennung der Katholischen Pfadfinderschaft Europas (KPE) durch die Deutsche Bischofskonferenz (DBK). In einer gemeinsamen Stellungnahme bekräftigten die Verbände am Montagabend ihre Skepsis gegenüber der KPE. Viele Jahre hätten sich die Jugendverbände, insbesondere DPSG und PSG, gegen eine kirchliche Anerkennung ausgesprochen. "Wir können nur schwer nachvollziehen, dass die DBK nun diesen Schritt der bundesweiten Anerkennung vollzogen hat", erklärten die Verbände.

Von den Bischöfen fordern die Jugendverbände ein, ihre Verantwortung bei der Aufsicht über die KPE kritisch wahrzunehmen. "Dies betrifft insbesondere die Frage der Prävention und Aufarbeitung sexualisierter Gewalt, geistlichen Missbrauchs und von Grenzverletzungen allgemein. In den letzten Jahren wurde bekannt, dass es hier zu Übergriffen gekommen ist, die auch durch systemische Faktoren begünstigt wurden", heißt es in der Stellungnahme weiter. BDKJ, DPSG und PSG könnten aber nicht beurteilen, ob diese systemischen Ursachen für Missbrauch und Gewalt mittlerweile aufgearbeitet und beseitigt wurden.

In der vergangenen Woche wurde durch Pressemitteilungen des Bistums Augsburg und der KPE selbst bekannt, dass die DBK bereits Anfang Dezember den Verband als privaten kanonischen Verein kirchlich anerkannt hatte. Eine Anerkennung als privater kanonischer Verein begründet eine Rechtsfähigkeit im kirchlichen Recht und führt zu Aufsichtsrechten der zuständigen kirchlichen Autorität, die darüber wacht, dass der Verein in seiner Tätigkeit die Gemeinschaft mit der Kirche in Fragen von Glaube und Sitte wahrt und dem Gemeinwohl entspricht.

Zweifel an religionspädagogischem Konzept und politischer Ausrichtung

Nach Kritik an der Entscheidung in sozialen Netzwerken und durch eine Betroffene, die in der KPE in der Vergangenheit Missbrauch erfahren hatte, äußerte sich DBK-Sprecher Matthias Kopp auf Twitter zur Anerkennung des Verbandes. Im Rahmen des Prozesses hätte die Jugendkommission der DBK verschiedene Fragestellungen "zur Vergangenheit und Neuausrichtung der KPE beraten und Vorbehalte ausgeräumt". Die KPE sei seit 2012 mit der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge (afj) der DBK in regelmäßigem Austausch zu theologischen und pädagogischen Fragen. An den Gesprächen hätten auch der BDKJ und die Pfadfinderverbände DPSG und PSG teilgenommen. Dabei habe man eine "deutliche Weiterentwicklung" des Verbandes wahrgenommen. "Nach diversen Änderungen in der Satzung der KPE gibt es keine rechtlichen Bedenken mehr gegen die Anerkennung. Die Jugendkommission und die afj empfehlen die Anerkennung der KPE", so der DBK-Sprecher.

Ein Sprecher des BDKJ teilte dazu mit, dass sowohl in den Gesprächen im Bistum Augsburg wie auf Bundesebene kein Einvernehmen in der Frage einer bundesweiten kirchlichen Anerkennung der KPE erzielt worden sei. Die Jugendverbände seien zwar beratend hinzugezogen worden, eine Zustimmung seitens BDKJ, DPSG und PSG zur Anerkennung habe es nicht gegeben.

In ihrer Stellungnahme sprechen sich BDKJ, DPSG und PSG zwar für eine Fortführung des Gesprächsprozesses mit der KPE im Rahmen der afj aus, betonen aber zugleich, dass insbesondere die Pfadfinderverbände im BDKJ immer wieder deutlich gemacht hätten, dass es Bedenken hinsichtlich des pfadfinderischen und religionspädagogischen Konzeptes sowie der politischen Ausrichtung der KPE gebe. Zwar hätten Vertreter der KPE in den letzten Jahren deutlich gemacht, dass sie sich in diesen Themenkreisen um Veränderungen bemüht haben. "Wie weit diese Verbesserungen gehen und inwiefern sie auch in der Praxis gelebt werden, entzieht sich unserer Kenntnis", so die Verbände. Aktuelle Veröffentlichungen der KPE machten allerdings deutlich, dass diese "an veralteten Rollenbildern und Gesellschaftsmodellen festhält, die nicht mit den Werten und der Arbeitsweise von DPSG, PSG und BDKJ übereinstimmen". Daher gebe es auch keine Grundlage für eine Zusammenarbeit in den nächsten Jahren.

Konservative Abspaltung von der DPSG

Die KPE wurde 1976 als konservative Abspaltung von der DPSG gegründet und hat nach eigenen Angaben etwa 2.500 Mitglieder. Sie gehört weder dem Dachverband der katholischen Jugendverbände BDKJ noch dem "Ring deutscher Pfadfinder*innenverbände" (rdp) an. Stattdessen ist die KPE Teil der vom Päpstlichen Rat für die Laien als Laienorganisation anerkannten "Union Internationale des Guides et Scouts d’Europe" (UIGSE). Zu den Gründern der KPE gehört der ehemalige Jesuit Andreas Hönisch, der auch die Kongregation "Diener Jesu und Mariens" gründete, die heute noch in enger Verbindung mit der KPE steht. Der Verband, der im Forum Deutscher Katholiken mitwirkt, stand in der Vergangenheit aufgrund seiner Nähe zu Organisationen wie dem "Engelwerk" und traditionalistischen Positionen in der Kritik. In den meisten deutschen Bistümern gab es lange Widerstand gegen Niederlassungswünsche der KPE, weil man sie als fundamentalistisch einstufte.

Im BDKJ sind zwei katholische Pfadfinderverbände organisiert. Die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG) hat nach eigenen Angaben 95.000 Mitglieder, die Pfadfinderinnenschaft Sankt Georg (PSG) besteht nach eigenen Angaben aus 10.000 Mädchen und jungen Frauen. Beide Verbände sind außerdem Mitglied des rdp, der seine fünf Mitgliedsverbände in der Weltpfadfinderbewegung "World Organisation of Scout Movement" (WOSM) und im Weltbund der Pfadfinderinnen "World Association of Girl Guides and Girl Scouts" (WAGGGS) vertritt. (fxn)