Für die Kirchenmitgliedschaft sollte sich niemand rechtfertigen müssen

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Im Zuge der Veröffentlichung des Münchener Missbrauchsgutachtens, der unglücklichen Einlassungen von Benedikt XVI. und der verheerenden Lage im Erzbistum Köln habe ich ein für mich neues Phänomen beobachtet: Christen haben – etwa in den sozialen Netzwerken – dazu Stellung genommen, warum sie noch Mitglied in der Kirche sind. Dass Menschen offenbar meinen, sich dafür rechtfertigen zu müssen, hinterlässt ein ungutes Gefühl.
Ja, es tun sich unfassbare Abgründe in der Kirche auf, besonders beim sexuellen Missbrauch und dessen Aufarbeitung. Dabei geht es nicht um die Verfehlungen Einzelner. Der Machtmissbrauch gehöre zur DNA der Kirche, so charakterisiert es selbstkritisch der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer, andere Bischöfe sprechen von der Kirche als Täterorganisation. Und trotz solcher Einsichten kommen immer neue Ungeheuerlichkeiten ans Licht. Ich verstehe jede und jeden, der oder die sagt, es reicht mir und geht.
Aber zu bleiben ist genauso legitim. Dafür gibt es für mich sogar sehr viele Gründe: Sonst wäre ich auch nicht mehr Teil der Kirche, die sich jetzt auf so vielen Ebenen für die Ukraine einsetzt; wäre viel weiter weg von denen, die beim Synodalen Weg aufrecht und wahrhaftig um Reformen ringen; würde all die Frauen, queeren Menschen und auch Missbrauchsopfer allein lassen, die IN der Kirche für ihre Rechte kämpfen. Die Kirche ist aber noch viel mehr: Sie ist Gemeindegottesdienst, Chor, Jugendfahrt, Senioren- und Gebetskreis, sie ist Hilfe und Anwaltschaft für Arme, Kranke, Obdachlose und Flüchtlinge.
Ich habe in meinem Leben schon viele Menschen getroffen - sei es im privaten oder beruflichen Umfeld -, die mich sicher sein lassen, dass es wert ist in der Kirche zu bleiben. Die Zugehörigkeit zu diesen Menschen, zu dieser Gemeinschaft der Gläubigen, möchte ich mir nicht nehmen lassen. Und ich glaube auch nicht, dass ich mich dafür rechtfertigen muss. Sollte sich das gesellschaftliche Klima in diese Richtung entwickeln, entstünde trotz aller berechtigten Kritik an der Kirche eine gewaltige Schieflage.
Die Autorin
Gabriele Höfling ist Redakteurin bei der Katholischen Nachrichten-Agentur und bei katholisch.de.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.