Kardinal Reinhard Marx über den Reformdialog in der Kirche

Rückenwind und viele Fragen

Veröffentlicht am 14.09.2014 um 00:00 Uhr – Von Joachim Heinz (KNA) – Lesedauer: 
Kardinal Reinhard Marx im Halbprofil
Bild: © KNA
Gesprächsprozess

Magdeburg ‐ Am Samstag ist in Magdeburg das vierte Gesprächsforum im Rahmen des Gesprächsprozesses der Deutschen Bischofskonferenz zu Ende gegangen. Enden soll die Initiative im kommenden Jahr mit einem weiteren Gesprächsforum in Würzburg. Ein zentrales Thema des Gesprächsprozesses ist die Frage nach der Zukunft der Kirche in Deutschland. Im Interview zieht der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, eine Bilanz. Und sagt, wie es nach 2015 weitergehen könnte.

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Frage: Herr Kardinal, was nehmen Sie aus Magdeburg mit?

Marx: Ermutigung, Zuversicht, Rückenwind und viele Fragen. Das ist schon eine ganze Menge. Nicht jedes Treffen und jede Sitzung könnte ich mit einer solchen Formulierung beenden.

Frage: Viele Teilnehmer haben den Wunsch formuliert, das Gespräch nicht mit dem Ende des Dialogprozesses 2015 abzuschließen. Was kann danach kommen?

Marx: Zunächst einmal muss es darum gehen, dass wir das, was wir erreicht haben, bis 2015 in eine verbindliche Vereinbarung gießen. Da muss dann auch drin stehen, wie wir weiter verfahren wollen.

Auftaktstatement von Kardinal Reinhard Marx beim Gesprächsprozess in Magdeburg

Frage: Wäre eine deutschlandweite Synode denkbar, wie das einige Teilnehmer fordern?

Marx: Ich kann mir gut vorstellen, den Dialog fortzuführen, aber es ist jetzt nicht der Zeitpunkt, über eine Synode für Deutschland zu reden. Was sinnvoll und machbar ist, darüber müssen wir uns erst noch verständigen. Hinzu kommt, dass wir ja schon über Foren verfügen, in denen Bischöfe und Laien sich austauschen. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken und die Gemeinsame Konferenz sind in diesem Zusammenhang wegweisend.

Frage: Das vierte Jahr des Dialogprozesses steht unter dem Leitwort "Martyria - den Glauben bezeugen". Wie erklären Sie das einem religiös nicht gebundenen Menschen und wo findet man heutzutage "Glaubenszeugen"?

Marx: Eigentlich geht es darum, mit Freude Christ zu sein. Wenn wir nicht innerlich froh sind, dass Christus uns gerufen hat, können wir auch kein Zeugnis ablegen. Es muss deswegen nicht gleich jeder predigen - aber ausstrahlen, dass er gerne Christ ist. So ist auch der Satz zu verstehen, den wir über unser Treffen in Magdeburg gestellt haben und der von Papst Franziskus stammt: "Ich bin eine Mission."

Frage: Viele werden bei dem Begriff Märtyrer inzwischen eher an islamistische Selbstmordattentäter denken und an die Krisen im Nahen Osten, bei denen oft von Christenverfolgungen die Rede ist. Was sagt der Rückgriff auf ein solches Vokabular über die Rolle von Religion aus?

Marx: Zunächst einmal finde ich es erschütternd, wie das Wort Märtyrer derart pervertiert werden kann. Das hätte ich mir nie vorstellen können. Nach christlichem Verständnis ist ein Märtyrer, wer um seines Glaubens willen Gewalt erleidet. Der islamistische Selbstmordattentäter jedoch übt um seines Glaubens willen Gewalt aus. Das ist ein fundamentaler Unterschied.

Impulsvortrag von Bischof Franz-Josef Bode beim Gesprächsprozess in Magdeburg

Frage: Und was empfinden sie, wenn von Christenverfolgungen im Irak oder in Syrien die Rede ist?

Marx: Christenverfolgung ist ein vielschichtiger Begriff, der nicht nur auf die Verfolgung unter den römischen Kaisern bezogen sein muss. Uns sagen ja die Bischöfe aus dieser Region, dass mit dem Terror des "Islamischen Staats" eine 1.800-jährige christliche Tradition in der Region auf grausame Weise enden könnte. Aber die Terroristen schänden auch Moscheen und verfolgen die Minderheit der Jesiden. Insofern sind nicht nur Christen allein von der Gewalt betroffen, wenn wir auch mit diesen natürlich besonders verbunden sind.

Frage: Distanziert sich die muslimische Welt genug von den Islamisten?

Marx: Ich bin mir sicher, dass auch Muslime entsetzt darüber sind, wie diese Terroristen den Islam vereinnahmen. Aber ich würde mir wünschen, dass sie das noch etwas deutlicher zum Ausdruck bringen, besonders auch die religiösen Autoritäten.

Stichwort: Gesprächsprozess

Der Gesprächsprozess ist eine auf fünf Jahre angelegte Gesprächsreihe zur Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland. Die Initiative dazu ging im September 2010 von Erzbischof Robert Zollitsch aus, damals Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Ein Ziel war, nach dem wenige Monate zuvor bekannt gewordenen Missbrauchsskandal verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Der Prozess soll 2015 enden - in Erinnerung an das Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils vor 50 Jahren. Neben den einzelnen Dialogveranstaltungen, die seit 2011 stattfinden, stellen die Bischöfe jedes Jahr unter ein eigenes Thema. 2014 geht es um "Martyria: Den Glauben bezeugen in der Welt von heute". Neben den Gesprächsforen nahmen eine Reihe großer Konferenzen und Veranstaltungen Bezug auf den Gesprächsprozess. Dazu zählten ein nationaler Eucharistischer Kongress 2013 in Köln sowie die beiden Katholikentage 2012 in Mannheim und 2014 in Regensburg. (som/KNA)
Von Joachim Heinz (KNA)