Standpunkt

Päpstliches Gaslighting – Franziskus und die Homosexuellen

Veröffentlicht am 12.05.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Im Umgang mit Menschen, die gleichgeschlechtlich lieben, ist der Papst ganz Papst: Er hört nicht auf Leid, er dekretiert, welche Gefühle echt sind und welche nicht. Ein typisches Muster psychischer Gewalt, kommentiert katholisch.de-Redakteur Felix Neumann.

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"Gaslighting" heißt die Form psychischer Gewalt, bei der Täter die Wahrnehmung der Realität bei ihren Opfern in Frage stellen und so ihren Realitätssinn und ihr Selbstbewusstsein untergraben. Kann man das, was Papst Franziskus in seinem Brief an die US-amerikanische katholische Organisation "Outreach" zur Haltung der Kirche gegenüber Menschen nicht-heterosexueller Orientierung schreibt, anders als Gaslighting bewerten? "Was sagen Sie zu einem LGBT-Katholiken, der von der Kirche abgelehnt wird?", wurde der Papst gefragt. Seine Antwort: "Ich wünsche mir, dass diese Menschen das nicht als 'Ablehnung der Kirche', sondern durch 'Menschen in der Kirche' erkennen." Die Kirche sei eine Mutter und rufe alle ihre Kinder zusammen, wie im Gleichnis die Gerechten und die Sünder, die Reichen und die Armen zum Festmahl geladen sind, argumentiert Franziskus mit den Worten Jesu.

Der Papst erklärt den LGBTQ-Menschen, dass es die von ihnen wahrgenommene Diskriminierung und Verletzung durch die Kirche gar nicht gibt. Es ist derselbe Papst, der die negative Antwort der Glaubenskongregation auf die Frage nach der Zulässigkeit von Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare gutgeheißen hat. Die Antwort betont die Lehre der Kirche, dass homosexuelle Handlungen biblisch "schlimme Abirrungen" seien und "in sich nicht in Ordnung": "Sie entspringen nicht einer wahren affektiven und geschlechtlichen Ergänzungsbedürftigkeit. Sie sind in keinem Fall zu billigen", heißt es im Katechismus.

"Die Kirche" sagt das, nicht "Menschen in der Kirche", und zwar lehramtlich verbindlich gegenüber gleichgeschlechtlich Liebenden. Der Papst leugnet oder nimmt nicht zur Kenntnis, dass diese Lehre der Kirche, so oft die Glaubenskongregation auch betont, dass sie keine "ungerechte Diskriminierung" darstelle, schon in sich verletzend ist: Was du empfindest, ist keine wahre Liebe, sondern eine Verirrung, ist die Botschaft. Statt Empathie, statt Hören auf die Verletzten und Diskriminierten macht er deutlich, wer die Deutungshoheit hat: Der Papst bestimmt, wer diskriminiert ist, wer verletzt ist – das ist Gaslighting, anstelle der jesuanischen Antwort, die eine Frage wäre: Was willst du, dass ich dir tue?

Von Felix Neumann

Der Autor

Felix Neumann ist Redakteur bei katholisch.de und Mitglied im Vorstand der Gesellschaft katholischer Publizisten (GKP).

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.