Der bayerische "Padre" Sebastian Obermaier über sein Leben in Bolivien

"Dort will ich bleiben"

Veröffentlicht am 15.11.2014 um 00:00 Uhr – Von Gabriele Riffert (KNA) – Lesedauer: 
Bolivien

München ‐ 1966 ging Sebastian Obermaier nach Bolivien - und er blieb bis heute. Der "Padre" ist bei der Bevölkerung beliebt. Quasi nebenbei hat er maßgeblich zur Stadtentwicklung des einst kleinen Ortes El Alto beigetragen. Ein Porträt zum 80. Geburtstag.

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Nach Südamerika ging Sebastian Obermaier 1966 zunächst als Seelsorger der deutschsprachigen Gemeinde in Venezuela. Von 1978 an war er dann als Pfarrer in El Alto tätig. Der bolivianische Ort auf 4.000 Meter Höhe war damals nur eine kleine Siedlung über der Hauptstadt La Paz, mittlerweile zählt er rund eine Millionen Einwohner. "Kalt ist es dort oben und der Wind weht immer kräftig. Aber in El Alto habe ich meine Lebensaufgabe gefunden. Dort will ich bleiben", sagt Obermaier. Seine Augen blitzen und verraten etwas von der Energie, die nach wie vor in ihm steckt. Obermaiers Arbeitstag beginnt um 5 Uhr morgens und dauert bis 22 Uhr.

Zuständig für 70 Mitarbeiter

Er ist für über 70 Mitarbeiter zuständig: Zehn Angestellte hat seine Pfarrei, 14 das Altenheim der Gemeinde, 12 das Kinderheim, wo Opfer häuslicher Gewalt leben. Dann gibt es noch den von ihm gegründeten katholischen Fernsehsender, für den 36 Mitarbeiter tätig sind. Obermaier bringt seine Leute täglich Punkt 8:30 Uhr zu einer Arbeitsbesprechung zusammen, und das in einem Land, wo feste Termine eher unüblich sind. Seine Arbeitsweise ist diszipliniert und ziemlich deutsch geblieben.

„Ich würde wieder Priester werden, wenn ich jung wäre, und mich wieder für die Mission entscheiden.“

—  Zitat: Sebatian Obermaier

Südamerikanische Verhaltensweisen lassen sich bei ihm durchaus auch erkennen. Dazu gehört die Angewohnheit, bei politischen Fragen lange nachzudenken und dann eine diplomatische, fast schon philosophische Antwort zu geben. Schließlich will er niemanden verletzen und in die Defensive zwingen. Vielleicht ist diese Gabe ein Grund dafür, dass ihm Boliviens Präsident Evo Morales zum Geburtstag eine geschnitzte Maske seiner Volksgruppe geschenkt hat, obwohl das Staatsoberhaupt nicht gerade als Freund der Kirche bekannt ist.

Bei den Indios ist der Padre beliebt, denn er spricht ihre Sprachen, vor allem Aymara. "Für Gespräche und die Beichte reicht es. Fußball-Fachbegriffe fehlen mir aber und das lerne ich auch nicht mehr", sagt der Priester und schmunzelt. Seit Jahrzehnten setzt er sich dafür ein, die soziale Lage der indigenen Bevölkerung zu verbessern. Seine bisherigen Leistungen in El Alto sind beeindruckend: 34 kirchliche Schulen hat er gegründet, fünf Kindergärten, ein Kinderheim und drei Krankenstationen.

Obermaier war auch an der Stadtentwicklung El Altos maßgeblich beteiligt. Dafür erstellte er mit einem Team seiner Pfarrei "Cuerpo de Cristo" einen Plan mit Straßen, Leitungen und wichtigen sozialen Einrichtungen. Für diese Aufgabe wurde er von der damaligen Regierung vorübergehend sogar zum Delegaten im Ministerrang ernannt. 2003 wählte ihn die bolivianische Presse zum "Mann des Jahres", weil er im damaligen Bürgerkrieg zwischen den Fronten mit einem Krankenwagen 36 Stunden lang Verletzte in Sicherheit gebracht hatte.

Bild: ©KNA

August 1999: Sebastian Obermaier segnet während eines Gottesdienstes Tiere und Menschen.

Erfolgsstatistiken, von denen Obermaier heute gerne spricht, beziehen sich auf die Seelsorge: 1.200 Taufen hat er pro Jahr, dementsprechend viele Erstkommunionkinder und Firmungen. Rund 200 Paare lassen sich jedes Jahr kirchlich trauen. Zehn Primizianten stammen aus der Pfarrei, von denen zwei in die Mission gingen. "Große Feste haben eine große Wirkung", berichtet der Pfarrer. Dadurch kann er viele Familien erreichen, die zwischenzeitlich nicht mehr sehr oft in der Kirche waren.

Seelsorgerlicher Beistand und soziale Unterstützung

Die Quote der Gottesdienstbesucher in El Alto liegt nämlich bei nur zwei Prozent. Bei einer Pfarreigröße von 60.000 Personen macht das aber immer noch 1.200 Köpfe aus. Die Landflucht führt dazu, dass immer wieder neue Familien ankommen, die seelsorgerlichen Beistand und soziale Unterstützung brauchen. Für Padre Obermaier ist das auch heute noch das stimmige Umfeld. "Ich würde wieder Priester werden, wenn ich jung wäre, und mich wieder für die Mission entscheiden."

Von Gabriele Riffert (KNA)