Es geht um Millionen

Veröffentlicht am 22.11.2012 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Eine Frau in Afrika hält Saatkörner in der Hand.
Bild: © KNA
Entwicklungshilfe

Berlin ‐ Eigentlich ging es nur um Zahlen. Doch als der Bundestag am Mittwochabend über den Etat des Ministeriums für Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sprach, saßen die Vertreter der Kirchen mit gemischten Gefühlen auf den Tribünen des Reichstags in Berlin und vor den Fernsehschirmen im Rest der Republik. Was überwiegt? Die Freude über das praller gefüllte Portemonnaie oder der Ärger über das insgesamt kleinere Budget im Kampf gegen Hunger und Armut in der Welt? Denn einerseits wird der Etat des Ministeriums für 2013 um 87 Millionen Euro gekürzt, andererseits werden den Kirchen zwei Millionen Euro mehr zur Verfügung gestellt.

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Zunächst wollte die Bundesregierung das Budget des Ministeriums von Dirk Niebel (FDP) um 38 Millionen Euro erhöhen. Doch der Haushaltsausschuss hat diese Pläne durchkreuzt und die Gelder stattdessen um 87 Millionen Euro auf 6,3 Milliarden Euro gekürzt. Ein Schritt, der auch innerhalb der Regierung heftig umstritten war.

Eine Tabelle über die Einnahmen der Hilfswerke für die weltkirchliche Arbeit
Bild: ©Konferenz Weltkriche

Die Einnahmen der Hilfswerke für die weltkirchliche Arbeit 2011.

Das Echo der katholischen Verbände ist zwiespältig: Für Venro, den Verband Entwicklungspolitik Deutscher Nichtregierungsorganisationen, dem auch einige katholische Verbände angehören, ist der Etat des Ministeriums zu gering und die Kürzung ein Schritt in die falsche Richtung: Denn im Februar 2012 hatten sich 372 Abgeordnete fraktionsübergreifend dafür ausgesprochen, den Anteil der Entwicklungshilfe bis 2015 auf insgesamt 0,7 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) zu steigern. Das Brutto-Inlandsprodukt beträgt derzeit rund 2,57 Billionen Euro, 0,7 Prozent wären demnach etwa 18 Milliarden Euro. Für den Venro-Vorsitzenden Ulrich Post sind die Kürzungen ein "fatales Signal" und eine Abkehr von den bisher verfolgten Zielen in der Entwicklungspolitik. Er warnte daher einen Tag vor der abschließenden Beratung, dass die Bundesregierung auf diese Weise an Glaubwürdigkeit und Reputation im Ausland verlöre.

Im Grundsatz sieht auch Achim Reinke von Caritas international die Etatkürzung kritisch: "Es ist ein Zeichen dafür, dass die Entwicklungshilfe im Kabinett an Stellenwert verloren hat." Abgesehen von der symbolischen Bedeutung hält er sich jedoch mit Kritik zurück: "Erstens handelt es sich um eine verhältnismäßig geringe Kürzung des BMZ-Etats, und dann lassen sich aus dem Entwurf noch keine Rückschlüsse für den Etat der Caritas ziehen."

Bild: ©Konferenz Weltkirche

Die Einnahmenstruktur der Hilfswerke im Haushaltsjahr 2011.

Auch Ralph Allgaier von Misereor hätte die 0,7-Prozent-Quote gerne gesehen. Dennoch plädiert er dafür, nicht gleich den Stab über der Koalition zu brechen: "Man muss abwarten, was hinterher wirklich dabei rauskommt. Formal sieht das viel aus – fast 100 Millionen Euro weniger. Aber letzten Endes muss das gar nicht mal so große Folgen für die tägliche Arbeit haben." Er könne jedenfalls keine grundlegende Kehrtwende erkennen. Zudem wird ein Teil der Kürzung durch den starken Euro – Entwicklungshilfe wird gemeinhin in US-Dollar ausgezahlt – wieder aufgehoben, und zivilgesellschaftliche Organisationen sowie Kirchen und politische Stiftungen sind von den Kürzungen gar nicht betroffen. Im Gegenteil, wie Sebastian Lesch, Sprecher des BMZ, verriet: Der Topf, den die Katholische Zentralstelle für Entwicklungshilfe (KZE) und ihr evangelisches Pendant für ihre Projekte zur Verfügung haben, wird um zwei Millionen Euro auf insgesamt 216 Millionen Euro aufgestockt. Zudem gibt Lesch zu bedenken, dass ein Großteil der Etat-Kürzung das Budget für den Europäischen Entwicklungsfonds betrifft – Geld, das in den vergangenen Jahren ohnehin nicht voll ausgeschöpft worden sei, so Lesch.

So ganz zufrieden war Gerhard Albert mit Blick auf das große Ganze trotzdem nicht. Der Geschäftsführer der katholischen Osteuropa-Hilfe Renovabis hält es für unzulässig, das gestiegene Budget für die Kirchen gegen das gesunkene Budget des BMZ auszuspielen: "Aus kirchlicher Sicht schließen wir uns der Kritik grundsätzlich an – die 0,7-Prozent-Quote dürfen wir nicht aus den Augen verlieren. Wenn jedoch für den Kirchentitel etwas dazukommt, werden wir auf unserem Wege trotzdem dafür sorgen, dass es den Menschen etwas besser geht."

Von Michael Richmann

Haushaltsberatungen

Der Bundeshaushalt der Bundesrepublik Deutschland wird in der Regel in drei Schritten aufgestellt. Zunächst stellen die jeweiligen Ressortminister die Haushaltsentwürfe für ihre Ministerien vor. In einer sogenannten Bereinigungssitzung überarbeitet der Haushaltsausschuss die einzelnen Budget-Vorschläge, die anschließend an den Bundestag weitergereicht werden. Im Parlament wird das Budget jedes Ministeriums einzeln diskutiert und über etwaige Änderungen abgestimmt. Wenn alle Einzelbudgets beschlossen sind, wird der Haushalt als Ganzes verabschiedet.